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Aufgabenstellung

Im Dokument Tabellen- und Abbildungsverzeichnis (Seite 18-23)

1.1 Einführung

Es „stellt sich (...) die Frage, ob und in welchem Umfang man künftig dem Einzelnen die Vorsorge für seine soziale Sicherung noch mehr als bisher abnehmen kann und soll. Dies ist eine grundlegende gesellschaftspolitische Frage, bei deren Beantwortung die gewichtigen Bedenken gegen zusätzliche Belastungen des Sozialprodukts, aber auch gegen die negativen psychologischen Auswirkungen, die eine weitere Verlagerung ehemals privater Sicherheitsvorkehrungen auf die Allgemeinheit ihrerseits auf den Sparwillen und die Arbeitsleistung der Bevölkerung nach sich ziehen muss, nicht außer Betracht gelassen werden dürfen.“1 Die gesetzlichen Sicherungssysteme wurden auch nach dieser Anregung aus dem Jahr 1965 weiter ausgebaut.2

Ziel dieser Arbeit ist nicht, die Lebensversicherung als Kapitalanlageprodukt besonders hervorzuheben oder gar zu preisen.3 Es geht darum, die Unterschiede und Ursachen unterschiedlicher Förderung freiwilliger privater Vorsorge in Deutschland und Großbritannien zu analysieren. Das Instrument der Lebensversicherung wurde und wird in seinen verschiedenen Ausprägungen von weiten Kreisen der Bevölkerung als das bedeutendste Produkt der dritten Säule der Altersversorgung, sprich der privaten Altersversorgung angesehen.4 Dass Lebens-versicherungen zumindest in der Vergangenheit als Synonym für Altersversorgung galten zeigt in erster Blick in Meyers Enzyklopädisches Lexikon aus dem Jahr 1971: Bei dem Begriff Altersversorgung wird ohne weitere Erläuterungen auf die Begriffe Lebens- und Rentenversicherung verwiesen.5

Der Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland wird gezogen, da in Großbritannien die Frage der Zukunft der Altersversorgung aufgrund veränderter Rahmendaten in Wirtschaft und Bevölkerung ebenso wie in Deutschland aufgetreten ist. Im Gegensatz zu Deutschland wurden in Großbritannien fundamentale systemverändernde Entscheidungen bereits getroffen. Großbritannien erfuhr in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden wirtschaftlichen, sozialen, mentalen und politischen Wandel.

Er wurde im Wesentlichen 1979 mit dem Regierungswechsel durch die Konservative Partei unter der Leitung von Margaret Thatcher eingeläutet und von John Major fortgeführt. Dieser Wandel ist bis heute nicht abgeschlossen. Er wurde seit Mai 1997 von der sozialdemokratischen Partei unter der Führung von Tony Blair fortgesetzt. Durch die

1 Pagenkopf, H., [Sozialpolitiker], Bonn 1965, S. 291.

2 Vgl. Kapitel 5.1.4 Daten (der gesetzlichen Rentenversicherung).

3 Vgl. zur Diskussion um die Vorteilhaftigkeit des Produkts Theis, A., [Alterssicherungsinstitution], Baden-Baden 2001, S. 22 ff.

4 Vgl. Greisler, P., Mittel- und langfristige Entwicklung der privaten Vorsorge, sowie Lowe, K.-H., Die private Lebensversicherung, beide in: Cramer, J.-E. / Förster, W. / Ruland, F.

(Hrsg.), [Handbuch], Frankfurt am Main 1998, S. 1011 (S. 1021) sowie S. 249 (S. 249);

vgl. Kühlmann, K. u.a., [Konsequenzen], München 1992, S. 6.

5 Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 1, 9. Aufl., Mannheim 1971.

Bezeichnung der Partei als „New Labour“ soll für jedermann offensichtlich sein, dass sich diese Politik von der Politik der Sozialdemokraten früherer Jahrzehnte unterscheidet. Vorrangig ist die Stärkung der Wirtschaft und der Eigenverantwortung der Individuen. Der Wohlfahrtsstaat soll sich auf die Bedürftigen beschränken. Bedürftigkeitsprüfungen sind kein tabu. Die Altersversorgung wurde mit vergleichsweise großzügiger Förderung zur Entlastung der staatlichen Sicherungssysteme schwerpunktmäßig auf betriebliche und private Säulen gestellt. Das frühzeitige und durchgreifende Reformieren zahlt sich bereits heute aus. Die sich abzeichnenden Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Renten-versicherung in Großbritannien werden bei weitem nicht die deutschen Ausmaße annehmen.6

Im Rahmen dieser Arbeit wird nicht auf jede gesetzliche Voraussetzung sowie die Ausnahmeregelungen im Detail eingegangen, die zu beachten wären um eine Fördermaßnahme in Anspruch zu nehmen. Es werden nicht explizit alle steuerschädlichen oder -unschädlichen Maßnahmen vor Vertragsbeginn, während der Vertragslaufzeit, im Auszahlungszeitpunkt oder während des Auszahlungszeitraums diskutiert. Die Diskussion gesetzlicher Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen bleibt die Aufgabe z.B. laufend aktualisierter steuerlicher Kommentierungen.

Entscheidend ist in diesem Rahmen vielmehr die grundsätzliche wirtschaftliche Idee, die Beschränkung auf grundlegende Prinzipien auf denen die Fördermaßnahmen aufbauen, die Form der Förderung, ihre praktische Wirkung hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung einer privaten Altersversorgung, die Veränderung der Maßnahmen im Zeitablauf sowie die Beurteilung und Würdigung der Zielerreichung der Maßnahmen.

Soweit möglich hält sich diese Arbeit fern von den unzähligen Reformvorschlägen, Vorhaben, Diskussionen und Debatten über die

„richtige“ zukünftige Reform und die „ideale“ Altersversorgung. Vielmehr ist die Erfassung der in der Vergangenheit tatsächlich durchgeführten Reformen und Fördermaßnahmen von Bedeutung. Ausgehend von den Erfahrungen der Vergangenheit lassen sich bereits ausreichend richtungsweisende Empfehlungen geben, insbesondere im Hinblick auf die Erfahrungen, die in Großbritannien bereits vorliegen.

1.2 Ziele der Arbeit

Die primären Ziele der Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i. Darstellung der Entwicklung der Lebensversicherung im Zeitablauf.

Der betrachtete Zeitraum umfasst die Entwicklung ab dem Zeitpunkt des Entstehens der modernen Sozialversicherungs-systeme. Dabei ist auch die Entwicklung der gesetzlichen Altersversorgungssysteme aufgrund der sich wandelnden Bedeutung im Rahmen der ganzheitlichen Altersversorgung von Interesse. Versorgungslücken im Rahmen der gesetzlichen

6 Vgl. Government Actuary´s Department (Hrsg.), [Estimates], London 1999, Table 1.1.

Versorgung sollten mit privater (oder betrieblicher) Vorsorge geschlossen, zumindest aber verringert werden.

ii. Darstellung der in diesem Zeitraum vorhandenen Förder-maßnahmen und deren Wandel im Laufe der Zeit.

Die Betrachtung im Zeitablauf dient zudem der Untersuchung, ob mit den Fördermaßnahmen auf sich abzeichnende Entwicklungen in den gesetzlichen Rentenversicherungssystemen reagiert wurde, oder ob die Fördermaßnahmen davon losgelöst aus anderen Beweggründen installiert wurden.

iii. Analyse der Unterschiede in den Entwicklungen Großbritanniens und Deutschlands.

iv. Klärung der Ursachen, die für unterschiedliche Entwicklungen verantwortlich sind.

v. Erörterung der Frage, ob mit den gegebenen Fördermaßnahmen aus individueller, d.h. einzelwirtschaftlicher Perspektive erfolgreich eine angemessene private Altersversorgung aufgebaut werden kann.

vi. Ausgehend von den Erfahrungen der Vergangenheit, den Erfahrungen in Großbritannien sowie der aktuellen Situation in beiden Ländern wird aufgezeigt, welche Entwicklungen zukünftig in Deutschland zu erwarten sind.

Die Betrachtung von Lebensversicherungen mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung ist notwendig, da diese beiden Formen der Altersversorgung in einem Ergänzungsverhältnis einerseits und einem Konkurrenzverhältnis andererseits stehen. Das Ergänzungsverhältnis entsteht durch die Idee des Drei-Säulen-Konzepts, wonach neben der gesetzlichen Altersversorgung, betriebliche und private Altersversorgung stehen sollten. Andererseits entsteht das Konkurrenzverhältnis durch die Tatsache, dass gesetzliche Rentenversicherung und private Altersversorgung bzw. konkret Lebensversicherungen als substituierbare Güter7 angesehen werden können.

1.3 Zielgruppe und Abgrenzungen

Zielgruppe der Untersuchung sind unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer,8 die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht-versichert sind. Personen die gegen Arbeitsentgelt unselbständig beschäftigt sind, d.h. einer unselbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nachgehen, unterliegen grds. der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung.9 Die Zielgruppe stellt im Gegensatz zu Unternehmern, Selbständigen oder Beamten, den größten relativen und absoluten Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung.10 Die nachlassende Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung

7 Vgl. Greb, W., [Verhältnis], Karlsruhe 1968, S. 4f.

8 Angestellte und Arbeiter.

9 Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wird bestimmt von §§

1 – 4, 229, 229a, 230 SGB VI.

10 Für das Jahr 2001 gilt in Deutschland: 82,4 Mio. Einwohner, 41,8 Mio.

Erwerbspersonen, 34,7 Mio. abhängig Beschäftigte; vgl. VDR (Hrsg.), [Zeitreihen 2002], Frankfurt am Main 2002, Kapitel 12, Tab.: Erwerbstätigkeit (Inländerkonzept).

betrifft insbesondere diesen Personenkreis, da die Betroffenen mit z.T.

erheblichen Beiträgen Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Laufe des Erwerbslebens erworben haben. Im Zusammenhang mit diesem Personenkreis stehen auch Hinterbliebene, die u.U. keine eigenen originären gesetzlichen Rentenansprüche erworben haben, aber als Hinterbliebene einen derivativen Anspruch z.B.

im Rahmen einer Witwen- oder Waisenversorgung erwerben.

Der untersuchte „Standardfall“ bedingt, dass die Lebensversicherung im Privatvermögen gehalten wird. Der angesprochene Personenkreis ist abhängig beschäftigt und verfügt nicht über Betriebsvermögen. Steuerlich beliebte Konstruktionen wie etwa die Nutzung von Lebensversicherungen zur Finanzierung von Investitionen bei gleichzeitigem Abzug von Schuldzinsen bei der Einkommensteuer werden von der Untersuchung nicht erfasst, da sie für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst praktisch ohne Relevanz sind.11 Diese Konstruktionen sind zum einen durch eine Vielzahl an Publikationen untersucht und zum anderen typischerweise Konstruktionen, die nicht der Zielgruppe, sondern „besserverdienenden“

Bevölkerungsschichten oder Unternehmern zuzuschreiben sind, deren Altersversorgung regelmäßig – wenn überhaupt – nur zu einem geringen Teil auf der gesetzlichen Rentenversicherung beruht.

Das Thema schließt durch die Untersuchung der Förderung der privaten Altersversorgung sämtliche Formen der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich aus.12

1.4 Aufbau der Untersuchung

Der Aufbau der Untersuchung folgt dem methodischen Vorgehen. Im begrifflichen Grundlagenteil wird zunächst das Verständnis für das Thema und die in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe vertieft. Der anschließende Hauptteil beginnt mit einer Standortbestimmung. Die Lebensversicherung wird innerhalb des gesamten Alterssicherungs-systems lokalisiert. In diesem Zusammenhang wird die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung als bisher bedeutendste Säule der Altersversorgung erläutert und der Entwicklung der entsprechenden Sicherungssysteme in Großbritannien gegenübergestellt. Retrospektiv können an bestimmten Wendepunkten (Fehl)Entwicklungen aufgezeigt werden. Manche Entscheidungen wurden bereits im Entscheidungs-zeitpunkt als langfristig nicht tragbar angesehen. Anschließend erfolgt eine Untersuchung der staatlichen Fördermaßnahmen für die Lebens-versicherung im Rahmen der privaten Altersvorsorge beider Länder. Die Hintergründe der Entwicklungen in gesetzlichen und privaten Sicherungssystemen werden beleuchtet. Die Untersuchung erfolgt im Zeitablauf und beginnt im Wesentlichen zur Zeit der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Der Detaillierungsgrad steigt in Abhängigkeit der zeitlichen Nähe zur Gegenwart. Die aktuelle Situation bildet einen Schwerpunkt der Arbeit. Sie ist Ergebnis der

11 Vgl. zur Finanzierung mit Lebensversicherungen Meyer-Scharenberg, D., [Finanzierung], 2. Aufl., München 1996; vgl. Horlemann, H.-G.,

[Kapitallebensversicherung], Karlsruhe 1995.

12 Eine Ausnahme bildet die Direktversicherung, vgl. Kapitel 7.7.

historischen Entwicklung und Ausgangsbasis für weitere Veränderungen.

Der Schluss der Arbeit dient der Zusammenfassung der Thesen. Der Anhang dokumentiert im Wesentlichen das Datenmaterial, das in den im Text enthaltenen Abbildungen verwendet wird.

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