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in der bisherigen Phraseologieforschung und die Frage nach der Vielfalt ihrer

Im Dokument Formelhafte (Ir-)Regularitäten (Seite 97-101)

Erscheinungsformen

Der in den beiden vorangehenden Kapiteln geworfene Blick auf die Phraseologie-forschung im Allgemeinen und ihre Verbindung zu formelhaften (Ir-)Re gularitäten im Speziellen sowie die genauere Begriffsbestimmung dieses Phänomens liefert sechs wichtige Erkenntnisse, aus denen sich mitunter die Ziele dieser Arbeit erge-ben und die ich daher an dieser Stelle nochmals zusammenfasse:

• Terminologie: Die Ersetzung des vorherrschenden und negativ konnotier-ten Terminus „phraseologische Irregularität/Anomalie“ durch „formelhafte (Ir-)Re gularität“ zeigt einerseits durch das Attribut formelhaft die Ausdeh-nung des Untersuchungsgegenstands bis hin zur phraseologischen Periphe-rie und andererseits relativiert die In-Klammer-Setzung des Präfix ir- die Irregularität und damit einhergehend den defizitären Status der entspre-chenden Wendungen. Denn wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit heraus-stellen wird, sollte die introspektive Irregularitätsstigmatisierung angesichts der empirischen und theoretischen Erkenntnisse mit äußerster Vorsicht ge-nossen werden.

• Forschungsstand: Der sich ständig ausweitende Untersuchungsgegenstand der Phraseologie kann als spezifisches Merkmal dieser Disziplin angesehen werden (Idiomatik à Phraseologie à formelhafte Sprache à Konstruktio-nen). Die kontinuierliche Ausweitung hat ein Sich-Abwenden von in frü-heren Arbeiten zentralen Mehrwortverbindungen, die in irgendeiner Weise strukturell und/oder semantisch „irregulär“ erscheinen und die für gewöhn-lich undifferenziert unter dem Namen „Idiom“ zusammengefasst werden, zur Folge. Angesichts des großen Interesses an diesen „irregulären“ Phrasemen in den Anfängen der Phraseologie ist es mehr als verwunderlich, dass kei-ne tiefergehenden Studien zu formelhaft (ir-)re gulären Wortverbindungen vorliegen. Ein wirklicher Forschungsstand existiert höchstens für lexikalisch

„irreguläre“ und semantisch „irreguläre“ Wendungen in Form der beson-ders von Dobrovol’skij (1978, 1979, 1989, 1995, 1997a) vorangetriebenen Unikalia- und Idiomforschung. Studien zu morphosyntaktisch „irregulären“

Wendungen sind kaum vorhanden. In einschlägigen Einführungswerken werden sie wenn überhaupt nur am Rande erwähnt und mit den gleichen immer wiederkehrenden Beispielen veranschaulicht. Es fehlt daher eine wirkliche empirische und theoretische Auseinandersetzung mit allen Typen an formelhaften (Ir-)Re gularitäten. Die vorliegende Arbeit wirkt diesem De-siderat entgegen.

• Definition: Die Begriffsbestimmung zeigt, dass formelhafte (Ir-)Re gu-laritäten einen äußerst heterogenen Untersuchungsgegenstand darstellen.

Sie manifestieren sich in nahezu allen Sprachbeschreibungsebenen und weisen auch im Detail eine äußerst weite Streuung auf von beispielsweise veralteten Dativ-e-Endungen über Besonderheiten im textuellen Pronomen-gebrauch bis hin zu tradiertem nonverbalen, gestischen Verhalten (Pseu-dokinegramme). Formelhafte (Ir-)Re gula ritäten müssen von sogenannten morphosyntaktischen Restriktionen abgegrenzt werden. Denn sie existieren größtenteils nur (noch) in der Oberfläche formelhafter Wendungen. Da es sich in vielen – aber nicht in allen – Fällen um Fossilien älterer Sprachepo-chen handelt, besteht eine mehr oder weniger große Diskrepanz zur gegen-wartssprachlichen außerphraseologischen Norm.

• Eigenschaften von Phrasemen: Die prototypischen Eigenschaften (Poly-lexikalität, Festigkeit und Idiomatizität) treffen auf formelhaft (ir-)reguläre Wendungen ebenso wie auf „reguläre“ Wendungen nur mehr oder weniger zu. Sie besitzen nicht zwangsläufig nur die prototypische Ausprägung der entsprechenden Merkmale. So decken formelhaft (ir-)reguläre Wortverbin-dungen die ganze Bandbreite der drei Eigenschaften ab: von monolexikalisch bis hin zur Satz- und Textebene, von nicht-idiomatisch bis hin zu voll-idio-matisch sowie von stark variabel und modellartig bis hin zu vollkommen stabil. Aus dieser Perspektive dürfen formelhaft (ir-)reguläre Wendungen nicht von „regulären“ unterschieden werden.

• Phrasemklassen: In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand ist es notwen-dig, von einer weiten Konzeption vorgeformter Sprache auszugehen. Da for-melhafte (Ir-)Re gularitäten in allen Klassen anzutreffen sind – von zentralen bis zu peripheren –, müssen auch alle Klassen berücksichtigt werden.

• Phraseologische Modelle: Die Vorstellung der beiden wichtigsten phraseo-logischen Modelle – das Zentrum-Peripherie-Modell und das Ebenen-Mo-dell – dient der späteren theoretischen Einordnung des Phänomens. Konkret stellt sich die Frage, welche Stellung formelhafte (Ir-)Regularitäten in den

Modellen einnehmen und ob die Modelle in Anbetracht des vorliegenden Gegenstandsbereichs überdacht werden sollten.

Im folgenden Kapitel steht die Vielfalt formelhafter (Ir-)Re gu laritäten im Mittel-punkt. Jeder einzelnen Ausprägung und Erscheinungsform ist ein eigenständiges Kapitel gewidmet. Die Kapitel sind überwiegend nach einem einheitlichen Mus-ter gegliedert, das sich aus den Fragestellungen und Zielsetzungen ergibt:

• Zunächst wird der jeweilige formelhafte (Ir-)Regularitätstyp definiert und mit Beispielen verdeutlicht.

• Falls vorhanden, folgt daraufhin die diachrone Entwicklung der innerhalb der Wendungen tradierten Sprachverhältnisse.

• Wenn möglich, wird eine Zusammenstellung aller Wendungen angefertigt, die diese formelhaften (Ir-)Regularitäten enthalten.

• Die zusammengestellten Listen dienen als Grundlage empirischer Fragestel-lungen und werden einer Korpusanalyse unterzogen.

• Darüber hinaus werden – falls vorhanden – Kontexte aufgezeigt, in denen die jeweilige formelhafte (Ir-)Re gularität auch außerhalb der Phraseologie anzutreffen ist. Dies soll veranschaulichen, dass es sich hierbei nicht (nur) um ein phraseologiespezifisches Phänomen handelt.

• Zudem dienen Beispielanalysen einzelner formelhaft (ir-)regulärer Wen-dungen der Vorstellung von Besonderheiten wie beispielsweise der Existenz von (ir-)regulären Konstruktionsmodellen.

Das Großkapitel II „Die Vielfalt formelhafter (Ir-)Regularitäten“ zielt insgesamt auf eine umfangreiche und alle formelhaften (Ir-)Regularitäten berücksichti-gende Darstellung ab. Eine solche detaillierte Vorstellung der einzelnen Typen formelhafter (Ir-)Regularitäten und deren empirische Analyse ist ein Novum innerhalb der Phraseologieforschung. Das Kapitel stellt diesen Gegenstandsbe-reich zum ersten Mal auf eine breite Basis und bietet der zukünftigen Forschung eine Zusammenstellung, die weit über das reine Aufzählen der verschiedenen Erscheinungsformen hinausgeht. Die einzelnen Kapitel verstehen sich dabei als in sich geschlossene (Nachschlage-)Kapitel zu einzelnen formelhaften (Ir-)Re-gularitätstypen und können auch (weitgehend) unabhängig von den anderen Kapiteln konsultiert werden.

II.

Die Vielfalt formelhafter

Im Dokument Formelhafte (Ir-)Regularitäten (Seite 97-101)

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