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Am nächsten Morgen liefen Jacques und Jonathan auf den Quai; sie bestürmten den freundlichen Zöllner mit Fragen. Nichts Neues! Also mußte nach einer Verwendung für diesen Tag gesucht werden. Edmond R. schlug eine Spazierfahrt auf der Garonne vor, und alle waren einverstanden. Sie schifften sich vor dem Hôtel de Nantes ein, am Fuß eines riesigen Mastenkrans.

Der Kahn steuerte auf den Pont de Bordeaux zu. Edmond R. spielte mit seiner unerschöpflichen Redseligkeit den Cicerone, zum größten Vergnügen seiner Gäste.

»Ihr glaubt bestimmt«, sagte er zu ihnen, »daß diese Brücke schlicht und einfach eine Brücke ist?«

»Ja, gewiß.«

»Nun, liebe Freunde, sie ist auch eine Kaserne!«

»Eine Kaserne!«

»Und noch dazu eine große Kaserne! Unter der Fahrtrasse können sechstausend Mann einquartiert werden.«

»Ach wo! Sechstausend Mann«, rief Jacques.

»Mindestens sechstausend Mann!« fuhr Edmond fort.

»Du solltest nicht daran zweifeln, Jacques«, entgegnete Jonathan, »sonst sagt er dir noch zwanzigtausend.«

»Also meinetwegen, sechstausend Gascogner!«

Nachdem die Ausflügler die Kühnheit der Brückenbogen bewundert hatten, fuhren sie nach Bacalan hinunter und kehrten, der langen Linie der Quais folgend, bis zur Börse zurück, einem nicht gerade präsentablen Bauwerk.

Edmond führte sie zur Kathedrale, einer in den Annalen der Archäologie mit gutem Recht nicht angeführten Kirche. Anschließend begaben sie sich zum Turm von Saint-Michel, dessen Mumien besonders sehenswert sein sollen. Man zeigte ihnen unter anderen die eines Trägers vom Hafen, ein legendärer Held, der eines schönen Tages auf seinen Schultern eine mehr als dreitausend Pfund wiegende Last fortgeschleppt hatte!

»Hoho! Dreitausend Pfund!« meinte Jacques, der wie immer skeptisch war.

»Wieviel wiegen denn eure Kilogramm, hier in der Gascogne?«

»Darauf könnt ihr Gift nehmen«, fuhr Edmond fort. »Dreitausend Pfund, wenn nicht sogar viertausend!«

»Na gut!«

»Reize ihn bitte nicht«, meinte Jonathan, »sonst erhöht er noch auf fünftausend Pfund!«

Edmond zuckte mit den Schultern; als Südfranzose hielt er diese denkwürdigen Taten für etwas ganz Natürliches!

Der Tag ging im Theater zu Ende, wo die drei Freunde eine Provinzaufführung der Hugenotten miterlebten.

Der Sonntag, den Jonathan gequält am 8. August anbrechen sah, verstrich, ohne daß die Reisenden etwas von ihrem schimärenhaften Schiff gehört hätten!

In seiner Verlegenheit, wie er so beunruhigte Leute zerstreuen sollte, beschloß Edmond R., sie nach Arcachon mitzunehmen, wo sie im Meer baden könnten.

Jonathan wehrte sich: Es erschien ihm albern, diese famose Schottlandreise fortzusetzen, indem sie immer weiter nach Süden vordrangen. Doch er mußte sich den Wünschen der Mehrheit beugen; am Montagmorgen bestiegen sie alle drei den Train du Midi und trafen ein paar Stunden später an ihrem neuen Bestimmungsort ein.

Der Meerbusen von Arcachon verdient es wirklich, besucht zu werden, denn er ist unermeßlich: Hohe Sanddünen, auf denen immergrüne Pinien wachsen, ziehen sich in gefälligen Linien an den Ufern entlang; die heilkräftigen Harzdüfte erfüllen die Luft mit einem belebenden Wirkstoff. Dieser noch unlängst höchst urwüchsige Landstrich steht im Begriff, zivilisiert zu werden, und Monsieur Coste bemüht sich mit seinen künstlich angelegten Austernbänken um die Bevölkerungszunahme.

Zwischen dem 9. und dem 12. August streiften die Touristen auf den hier beheimateten kleinen Pferden durch die Umgebung oder machten ihren Tag zu einem endlosen Bad in diesen lauwarmen Wassern, die mit Einbruch der Nacht zu phosphoreszieren begannen; um ihr Mittagessen einzunehmen, gingen sie auch zum Leuchtturm, der sich an der Einfahrt in den Meerbusen über dem Golf von Biskaya erhebt. Das war der südlichste Punkt, den Jacques und Jonathan jemals erreichen sollten.

Am Donnerstag wurde ihnen durch ein Telegramm die Ankunft der Hamburg mitgeteilt; es war an Edmond R. gerichtet und stammte von einem seiner

Angestellten.

»Nichts wie los!« meinte Jacques. »Nichts wie los!«

»Aber …«

»Es gibt kein aber! Ich habe kein Interesse daran, die Hamburg während meiner Abwesenheit davonfahren zu sehen!«

»Aber Jacques, laß ihr doch wenigstens die Zeit, ihre Güter aus-und einzuladen! Dafür braucht sie mindestens drei oder vier Tage!«

»Was denn! Mit den Lastenträgern aus Bordeaux und dampfbetriebenen Kränen! Bleibt doch, wenn ihr wollt, ich reise ab!«

Und wie immer kam Jonathan den Wünschen seines Freundes nach und reiste ab, nachdem er auch Edmond überredet hatte, der sich beharrlich weigerte, an die Existenz der Hamburg zu glauben.

Am Freitag, den 13. August, nahm die Karawane wieder die Eisenbahn, und um die Mittagszeit stürmte Jacques zum Hafen. Er suchte nach dem bewußten Schiff, konnte es aber nirgends erspähen! Er fragte seinen getreuen Zöllner, und dieser bestätigte ihm die Ankunft der Hamburg, wußte jedoch nicht zu sagen, an welcher Stelle sie vertäut war. Jacques mußte sich also wieder zu seinen Freunden gesellen, die ihn auf dem Platz vor dem Theater zum Mittagessen erwarteten; doch da er seiner Sache sicher war, ließ er seiner Freude freien Lauf.

Das Essen war ebenso vergnüglich wie reichhaltig: Edmond gab seinen Freunden einen gewissen Lursalluces zu trinken, von dem er nur sprach, indem er den Hut zog.

»Wißt ihr«, fragte er, »was dieser Wein hier kostet?«

»Nein! Wir haben nicht die geringste Ahnung.«

»Nun, ich will es euch verraten, obwohl es nicht üblich ist, den Preis solcher Dinge laut zu verkünden: Ein Faß kostet fünfundzwanzigtausend Franc.«

»Donnerwetter!« sagte Jonathan.

»Unmöglich«, meinte Jacques.

»Fünfundzwanzigtausend Franc, und damit bleibe ich hinter der Wirklichkeit zurück!«

»Das kann ich einfach nicht glauben.«

»Fordere ihn nicht heraus«, meinte Jonathan, »sonst sagt er uns noch vierzigtausend!«

Zwei Stunden später und nachdem sie recht ordentlich gespeist hatten, machte sich dieses unzertrennliche Kleeblatt auf den Weg zum Hafen, um die Hamburg unwiderruflich zu finden.

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