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B Eine Funktionsanalyse: Familienleben als Kulturleistung

6 Arbeit und Fürsorge: Vom Tun

Das Zusammenleben im Familienhaushalt bringt, egal welcher Lebensstil sich in ihm ausprägt, in erster Linie Arbeit mit sich. Mühevolle Arbeit, was man nicht von jeder Arbeit sagen kann. Von Arbeit, die in Familien geleistet wird, wozu die Liebe zumindest auch gehören kann, spricht die Philosophin Angelika Krebs1. Sie hat den Begriff Arbeit gewählt, weil in ihm der Anspruch auf Anerkennung codiert ist. Das kommt ihrer Absicht entgegen, das Arbeiten, auch das Arbeiten im Familienhaushalt, auf die Frage nach sozialer Gerechtigkeit zu beziehen. Ihr Urteil:

„Familienarbeit wird in keinem Land der Welt richtig anerkannt.“2

Eine groteske Tatsache, wenn man sich allein diejenigen Leistungen der Familienarbeit ansieht, die ökonomisch gemessen werden. Was ja nicht alles ist. Die Wertschöpfung der privaten Haushalte3, um nur eine Zahlengröße zu nennen, entsprach im Jahr 2001 in etwa der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie (Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe) und der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr (350 Mrd. Euro) zusammen. Immerhin hat der BGH die Haushaltsarbeit und die Familienpflege im Verhältnis zur Erwerbsarbeit „bahnbrechend“

aufgewertet, so daß Scheidungen nicht mehr in dem Maß zur Existenzbedrohung für i.d.R. Frauen werden, die zugunsten der Familienarbeit keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind4.

Daß aber nicht nur gesellschaftlicherseits, sondern auch innerfamiliär die anfallende Hausarbeit i.d.R. abgewertet und abgewehrt wird, da sie hier wie da gewissermaßen ortlos ist, ist ihrer Anerkennung sicher nicht förderlich. „Das familieninterne Arbeitszeit-, Arbeitsverteilungs- und Organisationsmanagement kann außerdem noch besonders problembeladen sein, wenn die Autonomieansprüche der einzelnen Familienmitglieder begleitet werden von einem relativ geringen Interesse an der Gestaltung eines gemeinsamen Familienalltags.“5 Die versagte Anerkennung der Hausarbeit läßt sich natürlich durch ihre Geschichte erklären, die wesentlich mit der

1 Krebs 2002

2 Krebs 2002, S. 72

3 Bundesministerium für Familie, hier: Zeitbudgetstudie des statistischen Bundesamtes 2003 S. 13

4 Information des Deutschen Richterbunds Nordrhein-Westfalen; 23. Jahrgang, April 2002

5 v. Schweitzer in: Krüsselberg (Hrsg.) 2002, S. 203f

Geschichte von Frauen verbunden ist6. Doch in der Emanzipationsbewegung war bis in die 80er Jahre hinein diese „Urmühsal der Frauen“7 kein Thema.

Wer ist also für die Arbeiten zuständig, in denen man der Sorge für sich selbst und für andere nachkommt? Sind sie an rudimentär verbliebene Rollen gebunden, und daher wohl Frauensache? Werden sie als Dienstleistungen ausgeführt, was nicht ein harmonisches Familienleben garantiert, oder werden sie von denjenigen in der Familie erledigt, die sie am besten in ihre sonstigen Zeitabläufe integrieren können, also systemfunktional? Möglich ist eigentlich fast alles. Zur Wahl stehen allerdings bei Annahme oder Ablehnung der Arbeit im Familienhaushalt nur zwei Konsequenzen:

Die Familie zu erhalten, oder sie aufzulösen.

Die Handlungen, die in den menschlichen Behausungen rund um den Globus für eine bunte Vielfalt in der Beköstigung, Vorratshaltung, Haus- und Gartenpflege, Wäsche- und Bekleidungspflege, Kindererziehung und –pflege, Familienpflege (Gefühlsarbeit u.ä.), Kranken- und Behindertenpflege, in Administration, Management und Beschaffung8 sorgen, sind insofern nicht einfach Verrichtungen, sondern Symbolhandlungen, die die Existenz derer ermöglichen, sie bejahen, oder im Fall des Mißlingens oder Ausbleibens gefährden, denen ihr objektiver Nutzen zukommt.

Es geht also um mehr, als um das zweckgerichtete Erledigen von schlichten Tätigkeiten.

Arbeit im Haushalt, so die Haushaltswissenschaftlerin Rosemarie von Schweitzer, ist gekennzeichnet „von einer Sinnsetzung der ‚Fürsorge durch Arbeit’ oder ‚Arbeit aus Fürsorge’.“9 Haushälterisches Handeln hat also „nicht Nutzen zu maximieren oder Kosten zu minimieren, es hat nicht dem Lustprinzip zu folgen oder einfach nur Notwendigkeiten zu erledigen. Es kann dies alles auch zu beachten haben, aber die eigentliche Aufgabe ist die ‚menschliche Werte schaffende Leistung’.“10 Was immer man sich darunter auch vorstellen mag – es ist jedenfalls anders und mehr, als allein die Erziehungsleistung, die modernen Familie als ihre wichtigste Aufgabe gilt.

6 Richarz, Göttingen 1991

7 v. Schweitzer, 1991, S. 329

8 v. Schweitzer 1991 S. 179

9 v. Schweitzer, 1991, S. 136

10 v. Schweitzer 1991 S. 135, Hervorh. R.v.S.

Dies alles gilt auch dort, wo dienstbare Geister für die Hausarbeit zuständig sind.

Denn auch dort bleibt es ein Gemeinschaftshandeln. Jedes Mitglied eines Haushalts trägt etwas dazu bei, bzw. kann in konstrukiver Weise etwas dazu beitragen, sei es aktiv, oder sei es dadurch, daß es sich anpaßt. Insofern kann das haushälterische Handeln eigentlich gar nie an einer Person hängen. Trotzdem, oder gerade wegen der Komplexität fürsorglichen Arbeitens im Familienhaushalt ist es verständlich, daß der Ausfall der für diese Arbeit hauptsächlich verantwortlichen Person, Familiensysteme recht schnell destabilisieren kann. Als eine Form kommunikativen Handelns, bedarf des Wissens, der Kreativität, erfordert Verantwortung, Fertigkeiten und setzt Formen von gelingender Kommunikation zwischen den Beteiligten voraus.

Sei es zwischen Eltern und Menschen, die sie beispielsweise für die familiären oder auch für ihre ganz persönlichen Bedürfnisse nach Sauberkeit, gutem Essen, oder zur Erziehung ihrer Kinder anstellen; sei es zwischen Geschwistern, Geschlechtern und Generationen, die sich Hausarbeit teilen. Insofern ermöglicht Hausarbeit auch die für alle Arbeit gegebene Beziehungserfahrung: Den Umgang mit Hierarchien und Sympathien.

Und weil Familienarbeit nur als eine Kontinuität wirksam sein kann, bedarf sie auch einer Organisation, und die für sie passende Organisationsform ist die der Alltagsorganisation. Wir werden diesen Punkt weiter im Blick behalten. Sie jedenfalls

„ordnet“ die Familienarbeit in gewisser Weise, wir alle kennen Mahl-Zeiten, Wasch-Tage, Feier-Abende und ihnen zukommende Rituale aller Art, die Örtlichkeiten und Dinglichkeiten in sich einschließen. Und weil sich der Ort dieser Arbeit in diesem Sinn charakterisiert, lernen wir auch Menschen nirgendwo „persönlicher und menschlicher kennen als in ihren privaten Haushalten und bei der Ausgestaltung der persönlichen Versorgungs- ,Pflege- und Erziehungsleistungen füreinander.“11 Dieser Ort zeigt, wie Menschen versuchen ihre Lebensnöte zu lösen. Wie sie ihre Beziehungen leben. Was sie mögen, was sie nicht mögen. Wie sie Dinge pflegen und erhalten oder auch nicht. Oder mit Heidegger gesprochen: Dieser Ort zeigt, wie Menschen Dinge besorgend gebrauchen und auf diese Weise zu Vertrautheit mit sich und der Welt finden. Ganz gleich, welcher sozialen Schicht sie angehören.

Die fürsorgliche Arbeit muß man wohl als ein Handeln anerkennen, „das Werte gebraucht und verbraucht, um menschliches Leben zu erhalten, persönliche

11 v. Schweitzer 1991 S. 135, Hervorh. R.v.S.

Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen und eine Kultur des Zusammenlebens zu ermöglichen. Es ist kein Handeln oder Verhalten, welches eine wie auch immer subjektiv bestimmte, unbegrenzt offene Bedürfnisbefriedigung als Ziel haushälterischer Aktivitäten ansieht, sondern es ist ein Handeln, das die Bildung von Humankapital im weitesten Sinne des Wortes und die Erhaltung und Pflege der Ressourcen, die dafür benötigt werden, zur Aufgabe hat. ... eine Kulturleistung im wahrsten Sinne des Wortes.“12 Haushälterisches Handeln manifestiert so gesehen in seinen Erscheinungen überall auf der Welt einen Kulturwert an sich, ohne den nicht nur Familien, sondern auch Kulturen nicht existenzfähig wären. Insofern erfüllt die Ausübung und Anerkennung fürsorglichen Arbeitens in Familien keine kleinbürgerliche Sittlichkeitsnorm. Keine ihrer Formen dient dem Luxus, sondern sie sind immer zum Erhalt einer Familie schlicht unabdingbar.