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egen eine Trennung der Zu- ständigkeiten für Forschung und Lehre einerseits und der davon isolierten Krankenver- sorgung andererseits an den 37 deut- schen Universitätskliniken und medi- zinischen Hochschulen hat sich der Kli- nikärzteverband Marburger Bund aus- gesprochen. Die international aner- kannt hochstehende Hochschulmedi- zin in Deutschland müsse als integraler Bestandteil der Universitäten erhalten bleiben. Bestrebungen, die Struktur und die Finanzierungsgrundlagen der Hochschulmedizin neu zu gestalten, gibt es seitens der Wissenschaftsmini- ster von Rheinland-Pfalz und von Nordrhein-Westfalen. Begründet wird die Absicht mit der Notwendigkeit, auch den Universitätskliniken mehr Wirtschaftlichkeit und eine größere Effizienz beim Einsatz der knappen fi- nanziellen Mittel für die Forschung und Lehre zu verleihen. Zudem wollen die Länder als Träger von Univer- sitätskliniken mehr Transparenz bei der Mittelvergabe durchsetzen.Bei einem Symposium in Köln erinnerte der Marburger Bund (MB) an die Tatsache, daß es bei der Finan- zierung von Universitätskliniken bis- lang keine konkreten und objektivier- baren Grundlagen für die Berech- nung der Kosten und die Zuweisung der Finanzierungsmittel für die Kran- kenversorgung und die Lehre sowie für die Forschung gibt. Allenfalls gibt es im Wege des Subtraktionsverfah- rens grobe Anhaltswerte, die aber nicht immer den Realitäten entspre-
chen. Unter den Bedingungen der Ausgabenbudgetierung, vor allem im Bereich der Krankenhäuser und Uni- versitätskliniken, haben die Länder ein gesteigertes Interesse daran, den finanziellen Aufwand für die Kran- kenversorgung zu verringern und auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Der stellvertretende Bundesvor- sitzende des Marburger Bundes, Ru- dolf Henke, Internist aus Aachen, Mitglied des Vorstandes der Bundes- ärztekammer, wies in Köln darauf hin, die Hochschulmedizin an den Univer- sitätskliniken könne nur dann im bis- herigen Umfang aufrechterhalten werden, wenn die Länder in Verhand- lungen mit den Krankenkassen dar- auf drängten, leistungsgerechte Ent- gelte und kostengerecht kalkulierte Pflegesätze zu vereinbaren. Die Kran- kenkassen dürften sich hier nicht ih- rer finanziellen Verantwortung ent- ziehen. Zudem gebe es Zusagen vor dem 98. Deutschen Ärztetag 1995, daß ein Forschungs-Obolus seitens der Krankenkassen zusätzlich bezahlt werde, wenn dies in Form von an- wendungsbezogener praktischer For- schung den Patienten zugute käme.
In einer Hand
Privatdozent Dr. med. Joachim Grifka, Vorstandsmitglied des Mar- burger Bundes aus Bochum, Vor- sitzender des MB-Arbeitskreises
„Hochschule und Medizinstudium“, warnte davor, die Lehrfunktion im
Rahmen der Hochschulmedizin über- zubetonen. Eine anwendungsbezo- gene medizinische Forschung müsse an Universitätskliniken maßgeblich auch zum Nutzen der Patientenver- sorgung stattfinden. Eine „buchhalte- rische Aufschlüsselung“ von Kosten für Forschung, Lehre und Kranken- versorgung, wie dies schon praktiziert wird („Bochumer Modell“), dürfe aber nicht zu einer Untergliederung institutioneller und personenbezoge- ner Art führen, so Grifka.
Die Aufgaben des Leitenden Arztes an Universitätskliniken und des Professors müßten in einer Hand bleiben. Ebensowenig dürfe an der Zugehörigkeit des gesamten ärztli- chen Dienstes an der Universitätskli- nik zur Medizinischen Fakultät gerüt- telt werden. Um eine fundierte Aus- bildung der Studenten zu sichern, ei- ne hochstehende medizinische Ver- sorgung zu garantieren und den medi- zinischen Fortschritt rasch zu imple- mentieren, müßten die Universitäts- kliniken mit tatkräftiger Mitwirkung der Länder erhalten bleiben. Die Hochschulmedizin sei von großer öf- fentlicher Bedeutung. Das Univer- sitätsklinikum dürfe nicht, betonte Grifka, vollständig aus der Medizini- schen Fakultät ausgegliedert werden.
Anderenfalls werde eine Entwicklung zu einem reinen Versorgungskran- kenhaus auf der einen Seite und einer Medical School auf der anderen Seite zwangsläufig sein.
Der Tarifexperte des Marburger Bundes, Lutz Hammerschlag, appel- lierte an die Länder, dafür zu sorgen, Universitätskliniken auch in geänder- ter Rechtsform (insbesondere als GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts) als Mitglied der Tarifge- meinschaft Deutscher Länder anzuer- kennen. Es könne nicht angehen, daß mit einer durchaus gerechtfertigten Umwandlung der Universitätsklini- ken in andere Rechtsformen die an- gestammten Tarifrechte angestellter Ärztinnen und Ärzte an Uni-Kliniken ausgehöhlt werden. Eine wirtschaft- liche Betriebsführung durch „Pri- vatisierung“ von Teilbereichen der Hochschulmedizin und eine Um- wandlung in neue Rechtsformen las- sen sich nur dann erfolgreich errei- chen, wenn Länder und Beschäftigte
gemeinsam vorgehen. HC
A-580 (16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 10, 8. März 1996
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