NACHRICHTEN
Marburger Bund will höhere Besoldung für Gesundheitsämter
Wenn die für den öffentlichen Ge- sundheitsdienst zuständige Landes- regierung einen völligen Zusam- menbruch' dieses Bereiches in ab"
sahbarer Zeit verhindern wollen, dann ist nach Ansicht des nieder- sächsischen Landesvorsitzenden des Marburger Bundes, Dr. Werner Stucke (gleichzeitig Vizepräsident der Ärztekammer Niedersachsen), eine durchgreifende Reform unver- züglich notwendig. Der Landesver- band des Marburger Bundes hat in diesem Zusammenhang darauf hin- gewiesen, daß zur Zeit über 2000 Arztstellen im öffentlichen Gesund- heitsdienst, bei der Bundeswehr und anderen Behörden nicht besetzt seien. Bei den Gesundheitsämtern seien schon teilweise 40 bis 50 Pro- zent der Stellen nicht besetzt, und im Laufe der nächsten Jahre würden 25 Prozent der Amtsärzte aus Alters- gründen aus dem Dienst ausschei- den. Trotz der zu erwartenden "Arzt- schwemme" sei aber Nachwuchs für diese Stellen nicht in Sicht.
Es wird vorgeschlagen, die Aufga- benstellung des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes bundeseinheit- lich neu zu regeln und die Besol- dung der Qualifikation anzupassen.
Um einen Wechsel vom Kranken- haus zum öffentlichen Gesundheits- dienst ohne finanzielle Nachteile zu ermöglichen, sollte die Besoldungs- gruppe A 14 (bisher A 13) generell als Eingangsstufe mit der Durchstu- fung bis A 16 eingeführt werden. Dr.
Stucke erklärte dazu, die heutigen finanziellen Aussichten stellten kei- nen Anreiz für junge Krankenhaus- ärzte dar, Amtsarzt zu werden. Es sei außerordentlich unbefriedigend, wenn ein verheirateter Arzt mit ei- nem Kind nach mehr als zwölfjähri- ger Aus- und Weiterbildung bei der Einstellung an einem Gesundheits- amt ein Bruttogehalt von rund 2570 DM erhält und in der siebten Alters- stufe in der Besoldungsgruppe A 16 schließlich auf etwa 3500 DM
kommt. ÄPN
Die Information:
Bericht und Meinung
DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ARZTESCHAFT GIBT BEKANNT:
Vorsorglicher Austausch von Aminophenazon
Das Bundesgesundheitsamt (BGA) hat am 9. August 1977 den betroffenen Herstellern empfohlen, bis zum 31. März 1978 Aminophenazon in Fer- tigarzneimitteln durch andere Wirkstoffe zu ersetzen. Zuvor waren Sachverständige, Ver- treter des Bundesministerium für Jugend, Familie und Ge- sundheit, der Überwachungs- behörden der Länder, der Arz- neimittelkommissionen der Heilberufe und der Hersteller angehört worden. Aminophe- nazon ist noch in vielen Fer- tigarzneimitteln enthalten.
..,. Aminophenazon kann un- ter bestimmten Bedingungen mit Nitriten Nitrosamine bil- den, die aus Tierversuchen als krebsauslösende Stoffe be- kannt sind. Nitrosamine las- sen sich aber auch in zahlrei- chen Nahrungsmitteln, in Ta- bakrauch, Oberflächenwasser oder in der Luft nachweisen. ..,. Diese ubiquitäre Verbrei- tung läßt sich zur Zeit kaum oder nur schwer einschrän- ken. Auch wenn das Amino- phenazon nur einen kleinen Anteil zur allgemeinen Nitros- aminbelastung des Menschen beiträgt, hält das BGA es für notwendig, die Verbraucher vor zusätzlichen, vermeidba- ren Risiken zu schützen. Das BGA hatte schon Ende 1975 der pharmazeutischen Industrie empfohlen, Amino- phenazon gegen andere, un- bedenklichere Wirkstoffe aus- zutauschen und vorrangige Umregistrierung zugesagt. ln Anlehnung an entsprechende Empfehlungen der Weltge- sundheitsorganisation hatte das Bundesgesundheitsamt darüber hinaus ersatzweise andere Verfahren zugelassen, von denen bekannt ist, daß sie die Nitrosaminbildung von aminophenazonhaltigen Arz- neimitteln hemmen, wie z. B.
Zusatz von Askorbinsäure oder magensaftresistente Überzüge bzw. nicht orale
Darreichungsformen. Wäh- rend zahlreiche, vorwiegend kleinere Firmen Aminophena- zon gegen andere Wirkstoffe austauschten, zogen insbe- sondere einige marktbeherr- schende Unternehmen die Er- satzlösungen vor. Diese Alter- nativen lassen sich jedoch mit dem heutigen Stand der wis- senschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr vereinbaren. Kürzlich abgeschlossene Un- tersuchungen im deutschen Krebsforschungszentrum Hei- delberg haben ergeben, daß die derzeit noch auf dem Markt befindlichen Amino- phenazon-Präparate - offen- bar schon durch den Herstel- lungs- oder Verarbeitungs- prozeß bzw. lagerungsbedingt - unterschiedliche Mengen von Nitrosaminen enthalten.
Damit sind frühere Auffassun- gen hinfällig geworden, wo- nach es erst im Körper durch das Zusammentreffen von aminophenazonhaltigen Arz- neimitteln und mitder Nahrung aufgenommenen Nitraten oder Nitriten zur Bildung von Nitros- aminen kommen kann.
Mit der jetzt beschlossenen Maßnahme zieht das BGA die notwendige Konsequenz aus den Heidelberger Untersu- chungen. Es teilte den Her- stellern mit, daß die Zulassung der jetzt notwendig geworde- nen Nachfolgepräparate nach den Bestimmungen des neuen Arzneimittelgesetzes erfolgt.
Damit unterliegen diese Prä- parate verschärften gesetzli- chen Anforderungen in bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Von den Sachverständigen wurde an- geregt, ein Testsystem zu ent- wickeln, das künftig zuverläs- sige Aussagen über die Nitro- sierbarkeit von Arzneimitteln gestattet.
Die Arzneimittelkommission wird zu diesem Problem dem- nächst einen ausführlichen Kommentar veröffel")tlichen.
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 33 vom 18. August 1977 2017