Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 108|
Heft 14|
8. April 2011 A 735RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Ob skrupellose Organhändler, illega- le Flüchtlinge oder schwule Fußbal- ler – die Kommissare im ARD-Tatort haben es immer häufiger mit kom- plexen Schicksalen zu tun. Der Ein- zelfall wird zum Aufhänger für ge- sellschaftlich und ethisch relevante Fragestellungen. Klar, dass da auch
das Gesundheitswesen früher oder später Thema sein würde. Am ver- gangenen Sonntagabend war es dann so weit: Eine Arztpraxis wurde Schauplatz für den Krimi „Edel sei der Mensch und gesund“.
Das Berliner Ermittlerteam sieht sich in dem Fall mit ganz unter- schiedlichen Arzt-Typen konfrontiert:
Da ist der knorrige, aber herzensgu- te Senior, der für seine Patienten nur die beste Medizin will. Leider über- schreitet er dabei seit langem regel- mäßig sein Arzneimittelbudget.
Durch Abrechnungsbetrügereien bei Privatpatienten versucht er, dies zu kompensieren. Ein „Robin Hood in weiß“ also. Sein Sohn steht für eine andere Generation von Medizinern.
Er will die Praxis modernisieren – gemeinsam mit einer weiteren Ärz- tin. Und vor allem der geht es in ers- ter Linie darum, Geld zu verdienen.
Der Krimi wirft wichtige Fragen auf: Welchen Raum für Idealismus lässt das Gesundheitswesen? Wie steht es um die Möglichkeit für ei- nen Arzt, „edel“ zu sein? Muss man so werden, wie man nie sein wollte, um in dem System zu überleben?
Allerdings ist der Film an man- chen Stellen schwach und zum Teil schon fast fahrlässig: Konsequent wird dem Zuschauer der Eindruck vermittelt, dass nur eine besonders teure Therapie eine gute sein kann.
Eine solche Botschaft dürfte die Arz- neimittelindustrie freuen – beson- ders die Hersteller der namentlich mehrfach erwähnten Präparate Infli- ximab und Tobramycin.
Tatort Arztpraxis
Als „Desaster für die Zahnärzte“
hat die Kassenzahnärztliche Bun- desvereinigung den vom Bundes - gesundheitsministerium vorgelegten Referentenentwurf für eine Aktuali- sierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bezeichnet. Der Entwurf ignoriere die Kostenent- wicklungen der letzten 20 Jahre.
Auch die Bundeszahnärztekammer sieht den Entwurf kritisch: Die No- vellierung orientiere sich viel zu wenig am wissenschaftlichen Stand der Zahnheilkunde. Als positiv wer- teten beide Organisationen die Tat- sache, dass die Vorlage keine Öff- nungsklausel enthält, die von der GOZ abweichende Vereinbarungen zwischen Kostenträgern und Leis- tungserbringern ermöglicht.
In die überarbeitete Gebühren- ordnung sind einige zahnärztliche PRIVATABRECHNUNG
Enttäuschte Zahnärzte
Leistungen neu aufgenommen wor- den. Bei wenigen Leistungen wur- den die Punktzahlen angeglichen, was zu einem rund sechsprozenti- gen Honorarzuwachs führt. Der größte Teil der GOZ blieb jedoch unverändert. Eine generelle Punkt- werterhöhung fand nicht statt.
„Dass sich das Bundesgesund- heitsministerium gegen die Einfüh- rung einer Öffnungsklausel in den allgemeinen Teil der GOZ entschie- den hat, ist ein Sieg der besseren Argumente“, kommentierte Dr. med.
Theodor Windhorst, Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenord- nung“ der Bundesärztekammer. Es gebe keinen vernünftigen Grund für die Koalition, bei der anstehenden Novellierung der Amtlichen Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ) einen anderen Kurs einzuschlagen. JF
Appell an die Kanzlerin: Der Marburger Bund fordert weiterhin tarifpolitische Eigenständig- keit.
Hinter den Gittern des „Tarif- knasts“ befanden sich Ärzte, Leh- rer, Lokführer, Piloten, Straßenwär- ter und Krankenpfleger. Die Teil- nehmer der Aktion von Marburger
Bund (MB), DBB-Beamtenbund und Tarifunion sowie der Lokführerge- werkschaft GDL verdeutlichten da- mit am 4. April in Berlin die existen- zielle Bedrohung ihrer tarifpoliti- schen Eigenständigkeit. Gemeinsam demonstrierten die Berufsgewerk- schaften gegen Einschränkungen des Grundrechts der Koalitionsfrei- heit und des Streikrechts.
MARBURGER BUND
„Tarifknast“ vor dem Kanzleramt
Sie forderten die Bundesregie- rung auf, den Entwurf der Bundes- vereinigung der Deutschen Arbeit- geberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes für eine ge-
setzliche Festschreibung des Prinzips „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ abzulehnen.
Mit ihm würde nur noch der Tarifvertrag der mitglie- derstärksten Gewerkschaft im Betrieb zur Anwendung kommen. Alle anderen Ge- werkschaften wären vom Streikrecht ausgeschlossen.
Noch berät die Bundes - regierung über diese Frage und reagiert damit auf ein Urteil des Bundesarbeitsge- richts vom letzten Jahr, das das Prinzip der Tarifeinheit kippte.
„Frau Bundeskanzlerin, im Zweifel gilt der Freiheit der Vorrang“, mahnte der MB-Vorsitzende, Ru- dolf Henke, vor dem Kanzleramt.
Wenn die Koali tion die Tarifeinheit festschreibe, werde man „postwen- dend Verfassungsbeschwerde ein-
reichen“. ER
Foto: Svea Pietschmann