Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 3|
20. Januar 2012 A 63D
ie außerordentliche Streikbereitschaft seiner Mitglieder hat den Marburger Bund (MB) seit seiner Loslösung von Verdi im Jahr 2006 zu einer von den Klinikarbeitgebern gefürchteten Gewerkschaft ge- macht. Und auch diesmal konnte sich die MB-Führung auf die Basis verlassen: Wie erhofft stimmte bei der Ur- abstimmung in den kommunalen Kliniken mit 93 Pro- zent eine sehr große Mehrheit für die Aufnahme von Arbeitskampfmaßnahmen. Den Forderungen der Ärzte- gewerkschaft in den Tarifverhandlungen mit der Verei- nigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) verliehen sie damit den erwünschten Nachdruck. Im Anschluss rief die Große Tarifkommission des MB die circa 45 000 Ärztinnen und Ärzte in den 600 kommuna- len Krankenhäusern im Tarifbereich VKA zum unbe- fristeten Streik ab dem 26. Januar auf.Der MB betont, dass Patienten in Not selbstverständ- lich auch im Streik behandelt würden. Bei planbaren, aufschiebbaren Eingriffen werde es aber zwangsläufig zu Einschränkungen und Verzögerungen kommen:
„Solche elektiven Behandlungen können ja auch in Krankenhäusern anderer Trägerschaft vorgenommen werden“, meint Rudolf Henke. Der MB-Vorsitzende appelliert an die VKA, die Zeit bis zum Streikbeginn zu nutzen, um ein zustimmungsfähiges Angebot vorzule- gen. Deren Argumentation, wonach es durch die staat- lich festgelegte Veränderungsrate der Krankenhaus- preise in Höhe von 1,48 Prozent keinen weiteren Spiel- raum für darüber hinausgehende Gehaltsverbesserun- gen für die Ärzte gebe, sei nicht akzeptabel. Denn: „Die Krankenhäuser haben in den ersten drei Quartalen 2011 einen tatsächlichen Erlöszuwachs in Höhe von 4,2 Pro- zent erzielt“, betont Henke und verweist damit indirekt auf die Mengenausweitung bei den Leistungen.
VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann nennt das Ergebnis der MB-Urabstimmung „wenig überraschend“. Schließlich habe die Ärztegewerkschaft massiv dafür geworben. Hoffmann: „Dies entbindet den MB jedoch nicht von seiner Pflicht, auf dem Ver- handlungswege nach einer Lösung zu suchen.“ Die
VKA sei dazu bereit. Eine Nachbesserung des Angebo- tes stellt er freilich (noch) nicht in Aussicht.
Der MB fordert eine lineare Gehaltserhöhung für die Ärzte um sechs Prozent, eine deutlich bessere Bezah- lung der Bereitschaftsdienste, eine Begrenzung der Dienste auf vier pro Monat und zwingende zeitliche Vorfestlegungen für die Dienste. Die VKA bietet eine lineare Entgelterhöhung um 1,48 Prozent, eine Steige- rung der Bereitschaftsdienstentgelte um ebenfalls 1,48 Prozent, eine Einmalzahlung in Höhe von 250 Euro und die Einführung einer sechsten Gehaltsstufe für Ärzte in Weiterbildung. Eine Begrenzung der Zahl der Dienste lehnt sie ab. Besonders in kleinen Abteilungen sei dies nicht praktikabel.
Inzwischen laufen die Streikvorbereitungen in den Kliniken auf Hochtouren. Parallel dazu steigt der Druck aus den Krankenhäusern auf die VKA-Verhand- lungskommission, den Ärzten doch noch entgegenzu- kommen. Denn jeder Streiktag bedeutet für sie hohe Einnahmeverluste. 2010, beim letzten Ärztestreik in den VKA-Häusern, hatten deshalb zahlreiche Klinikar- beitgeber mit dem Ausstieg aus dem Arbeitgeberver- band gedroht. Für eine Einigung in letzter Sekunde sprechen auch Signale aus der Politik, wonach eine spätere teilweise Gegenfinanzierung der Tarifsteigerun- gen aus öffentlichen Mitteln nicht ausgeschlossen ist.
MARBURGER BUND
Klares Signal der Mitglieder
Jens Flintrop
Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik