Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006 A3371
P O L I T I K
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ass der Marburger Bund (MB) als Gewerkschaft der Krankenhausärzte deren Tarifverträ- ge abschließt, ist inzwischen selbst- verständlich. Dabei ist es gerade ein- mal 15 Monate her, dass die MB- Hauptversammlung entschied, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abzulehnen und die Kooperation mit Verdi zu beenden.In der Folgezeit hatten sich die öf- fentlichen Klinikarbeitgeber zu- nächst hartnäckig geweigert, den MB als Tarifpartner anzuerkennen.
Noch am 12. Dezember 2005 unter- sagte dazu passend das Landesar- beitsgericht Köln dem Marburger Bund, seine Mitglieder in den Städti- schen Kliniken Köln zu Arbeits- kampfmaßnahmen aufzurufen.
„2006 ist für die Klinikärzte und den Marburger Bund ein eminent wichtiges Jahr gewesen“, zog Dr.
med. Frank Ulrich Montgomery am 6. Dezember in Berlin ein positives Fazit des ersten Kalenderjahres als originäre Gewerkschaft. Besonders hervor hob der MB-Vorsitzende da- bei die Einsatzbereitschaft der Ärz- tinnen und Ärzte, die mit fantasievol- len Protestaktionen und wochenlan- gen Arbeitskämpfen die Arbeitgeber zum Abschluss der ersten arztspezifi- schen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gedrängt hätten. „Das wa- ren Leistungen, die kamen nicht aus Berlin“, betonte der frisch gewählte Präsident der Ärztekammer Ham- burg. Dass die Arbeitgeber den Frust und die Tatkraft der Ärzte unter- schätzt hätten, sei deren Fehler im Tarifkonflikt gewesen. Montgome- ry: „Bis zum Ende konsequent zu bleiben und nicht nachzugeben, das war unser entscheidender Trumpf.“
Die jetzt für die Ärzte an kommu- nalen Krankenhäusern und an Uni- kliniken abgeschlossenen Tarifver- träge seien ein solides Fundament,
um in nächsten Verhandlungsrunden weitere Verbesserungen zu erzielen, zeigte sich Montgomery überzeugt:
„Mit der Begrenzung der Arbeitszei- ten, der Bewertung der Bereit- schaftsdienste als Arbeitszeit und der Dokumentation der tatsächlichen Ar- beitsleistung schaffen wir Vorausset- zungen für bessere Arbeitsbedingun- gen und mehr Patientenschutz.“
Insbesondere bei der Vergütung konnten die geforderten Erhöhungen aber nicht erreicht werden. Im Kern habe man vor allem drohende Ein- kommenseinbußen vermieden und bereits vollzogene Kürzungen ausge-
glichen, betonte der MB-Vorsitzende.
Unter dem Strich ergäben sich für die Arbeitgeber Mehrausgaben zwischen drei und vier Prozent: „Dass die Ärz- te mitunter Schwierigkeiten haben, sich über diese Lohnsteigerungen zu freuen, liegt vor allem daran, dass sie die Kürzungen, die der TVöD gebracht hätte, nie erleben mussten.“
Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt benennt Montgomery drei weitere Punkte, bei denen der MB in den Verhandlungen gerne mehr erreicht hätte. Diese betreffen überwiegend in der Forschung täti- ge Ärzte an den Unikliniken, einen Teil der Oberärzte und die Uniklinik- ärzte in den neuen Bundesländern.
Der arztspezifische Tarifvertrag für die Unikliniken gilt nur für jene Ärzte, „die überwiegend Aufgaben in der Patientenversorgung wahr- nehmen“. Ärzte, die zu mehr als 50 Prozent forschend tätig sind, wer- den auf Basis des für sie ungünstige- ren TVöD vergütet. Jede temporäre
Freistellung für Forschungsprojekte kann somit Einkommensverluste nach sich ziehen. Betroffen sind auch Ärzte, die ihr Gehalt über ein Forschungsprojekt eines Drittmit- telgebers beziehen. Sämtliche Ver- suche des MB, den Geltungsbereich des Tarifvertrages auf alle Ärzte an den Unikliniken auszuweiten, seien gescheitert, räumt Montgomery ein.
Ein weiteres Problem ist, dass nur diejenigen Oberärzte als solche ver- gütet werden, denen die medizini- sche Verantwortung für Bereiche ei- ner Klinik oder Abteilung explizit vom Arbeitgeber übertragen wurde.
Bislang war die Höhe der Vergütung unabhängig vom Oberarztstatus. Da sich dies nun geändert hat, prüfen die Verwaltungen derzeit aus Kosten- gründen, ob die heutigen Oberärzte ihrer Tätigkeitsbeschreibung ent- sprechend tätig sind. Anderenfalls droht die niedrigere Vergütung als Facharzt. Der MB empfiehlt den Oberärzten, Unterlagen zu sammeln, in denen die Klinikleitung sie als sol- che bezeichnet oder in denen mit ihrem Oberarzttitel geworben wurde.
Sehr schwer gefallen sei es dem MB, sagt Montgomery, für die Uni- kliniken einem Tarifvertrag zuzu- stimmen, der die Ost-West-Schere nicht schließt: „Die totale Abwehr- haltung der ostdeutschen Finanzmi- nister ließ aber leider keine bessere Regelung zu.“ Auf kommunaler Ebe- ne erfolge die Anpassung der Gehäl- ter in Ost und West hingegen für Ärz- te schneller als für die übrigen Ange- stellten des öffentlichen Dienstes. I Jens Flintrop
MARBURGER BUND
Emanzipiert und selbstkritisch
Das erste Jahr als unabhängiger Partner in Tarifverhandlungen:
Die Klinikärztegewerkschaft ist stolz auf das Erreichte, räumt aber ein, dass längst nicht alle Ziele erreicht wurden.
Im Kern habe wir vor allem drohende Einkommenseinbußen vermieden und bereits vollzogene Kürzungen ausgeglichen.
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Frank Ulrich Montgomery