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Archiv "Marburger Bund: Voller Einsatz für das Streikrecht" (14.11.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 46

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14. November 2014 A 1991 MARBURGER BUND

Voller Einsatz für das Streikrecht

Die Hauptversammlung der Ärztegewerkschaft fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit zurückzuziehen. Sonst wird der Marburger Bund vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob Grundrechte verletzt werden.

S

toppen Sie die Entwicklung dieses Gesetzes“, appellierte Rudolf Henke zum Auftakt der 126.

Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB) am 7. November in Berlin direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – lang an- haltender Applaus der knapp 200 Delegierten. Man werde sich mit al- len zur Verfügung stehenden Mit- teln gegen diesen „offenen Verfas- sungsbruch“ zur Wehr setzen, be- tonte der MB-Vorsitzende, der selbst CDU-Abgeordneter im Deut- schen Bundestag ist: „Durch den gesetzlichen Zwang zur Tarifeinheit werden die Mitglieder des Marbur- ger Bundes ihrer Tarifautonomie und ihres Streikrechts beraubt.“

Der Referentenentwurf des Bun- desarbeitsministeriums sei ein fun- damentaler Angriff auf die freie ge- werkschaftliche Betätigung der Ar- beitnehmer, wie sie in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes „für jedermann und für alle Berufe“ garantiert sei, heißt es in einem Beschluss der MB-Hauptversammlung. Mit dem Gesetz würde mehr als 150 000 an- gestellten Ärztinnen und Ärzten in 2 000 Krankenhäusern das grund- gesetzlich verbürgte Recht genom-

men, unabhängig und eigenständig mit den Arbeitgebern über Gehälter und Arbeitsbedingungen zu verhan- deln und notfalls auch zu streiken.

Die Delegierten appellierten wie- derholt an die Bundestagsabgeord- neten, das Grundgesetz zu achten:

„Ich fordere jeden Bundestagsabge- ordneten auf, den verfassungswidri- gen Gesetzentwurf abzulehnen und das in der Verfassung verankerte Grundrecht, Gewerkschaften zu bil- den, zu schützen“, sagte Gönül Özcan vom Landesverband Nord- rhein-Westfalen/Rheinland stellver- tretend für alle Delegierten.

Solidarität mit den Lokführern Den während der Hauptversamm- lung noch streikenden Lokführern sprach die Ärztegewerkschaft aus- drücklich ihre Solidarität aus: „Sie üben ihre verfassungsmäßig garan- tierten Rechte zur Durchsetzung ih- rer gewerkschaftlichen Interessen aus“, heißt es in einem Beschluss.

Die zurzeit in einigen Medien statt- findende öffentliche Diffamierung der Mitglieder der GDL und insbe- sondere ihres Vorsitzenden sei per- sönlichkeitsverletzend und würde- los. „Ein Streik, den man nicht

spürt, ist Folklore“, ergänzte der MB-Vorsitzende Henke.

Derweil laufen die Vorbereitun- gen des MB für eine Normenkon- trollklage gegen das Tarifeinheits- gesetz vor dem Bundesverfassungs- gericht auf Hochtouren. Prof. Dr.

Dr. Udo di Fabio bescheinigte der Ärztegewerkschaft dabei gute Aus- sichten auf einen Erfolg in Karlsru- he: „Das scheint mir ein verhältnis- mäßig klarer Rechtsfall zu sein“, sagte der langjährige Richter am Bundesverfassungsgericht. Aus ar- beitsrechtlicher Sicht gehe es bei der Frage der Koalitionsfreiheit um die Tarifmächtigkeit einer Gewerk- schaft, führte er aus. Man könne ja nicht jede noch so kleine Gruppe mit der Tarifmacht, also dem eigen- ständigen Streikrecht, ausstatten.

Die Tarifmacht müsse vielmehr er- stritten und erkämpft werden. Die Fabio: „Dafür ist der Marburger Bund ein gutes Beispiel.“ Eine Ge- werkschaft, die sich aber wie der MB einmal die Tarifmächtigkeit durch bundesweite Streiks er- kämpft habe, genieße dann auch den vollen Schutz der Koalitions- freiheit nach Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes.

P O L I T I K

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A 1992 Deutsches Ärzteblatt

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14. November 2014 Juristisch vertreten werden soll

der MB beim Bundesverfassungs- gericht von Prof. Dr. Frank Schor- kopf, Lehrstuhlinhaber für Öffentli- ches Recht und Europarecht an der Georg-August-Universität in Göt- tingen: „Es geht um mehr als um die Frage, ob der MB oder andere Gewerkschaften in ihrem Grund- recht auf Koalitionsfreiheit verletzt sind“, sagte Schorkopf: „Es geht auch um die Selbstbestimmung der Arbeitsbeziehung zwischen den un- mittelbar Beteiligten, also den Ar- beitgebern und den Arbeitnehmern, aber auch deren Verhältnis zum Ge- setz.“ Seit einigen Jahren kündige sich in dieser Frage eine Neuord- nung der Wirtschafts- und Sozial- ordnung in Deutschland an. Ent- scheidend für die Verfassungsrich- ter müsse die Frage sein: „Fügt sich der Gesetzgeber mit diesem geplan- ten Tarifeinheitsgesetz in die Ord- nung der Freiheit ein, die die Grundrechte errichtet haben und gewährleisten?“ Er meine: „Nein“, betonte Schorkopf.

Die Judikative soll es richten Neben dem MB bereiten auch die Pilotenvereinigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbund (dbb) Kla- gen vor dem Bundesverfassungs - gericht gegen das Tarifeinheitsge- setz vor. Dem Beamtenbund gehört auch die Lokführergewerkschaft GDL an. „Die Politik drückt sich vor der Regelung der wirklich span- nenden Fragen und will den Streit dann lieber über die Judikative aus- tragen“, analysierte der dbb-Bun- desvorsitzende Klaus Dauderstädt vor den Delegierten in Berlin die Tatsache, dass der vorliegende Ge-

setzentwurf von Bundesarbeitsmi- nisterin Andrea Nahles kein expli - zites Streikverbot für Spartenge- werkschaften enthält. An der Sa- che ändere das aber nichts. Durch die ausdrückliche Eliminierung von Tarifverträgen der Minderheitsge- werkschaften erhielten die Ein- heitsgewerkschaften de facto und de jure ein staatlich sanktioniertes Alleinvertretungsrecht für alle Be- schäftigten eines Betriebes, stellte die Hauptversammlung später per Beschluss klar: „Deshalb spielt es keine Rolle, dass das Streikverbot als Konsequenz einer verordneten Tarifeinheit nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird.“ Ein Streik ohne tariflich regelbares Ziel sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unver- hältnismäßig und damit unzulässig.

„Es ist daher eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit, wenn nicht gar eine bewusste Lüge, fortgesetzt zu behaupten, das Tarifeinheitsgesetz sehe keine Einschränkung des Streikrechts vor.“

Auch Bundesgesundheitsminis- ter Hermann Gröhe (CDU) war zur Hauptversammlung gekommen – allerdings nicht, um über das Tarif- einheitsgesetz zu diskutieren. Die Ressortabstimmung dazu sei im Gange, so sein knapper Kommen- tar. Die Bedenken werde er ins Ka- binett tragen. Gröhes Thema war die Krankenhausreform, die derzeit von einer Bund-Länder-Arbeits- gruppe vorbereitet wird und Anfang 2016 in Kraft treten soll: „Das Ge- setz wird am Ende eine erhebliche finanzielle Relevanz für die Kran- kenhäuser haben“, kündigte der Mi- nister an, auch der Bund werde sich zu seiner Verantwortung für eine nachhaltige Finanzierung der Kran- kenhäuser bekennen. An der grund- sätzlichen Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern bei der Investiti- onsfinanzierung werde sich aber nichts ändern: „Dem Planungsrecht der Länder entspricht eine Investiti- onsverpflichtung.“ Er halte nichts von einer Politik, die planerische und investive Entscheidungen aus- einanderreiße, betonte Gröhe. Ei- nen aus Versichertenbeitragsgel- dern gespeisten Umstrukturierungs- fonds für die Krankenhäuser, wie ihn die Länder fordern, kann sich der Minister nur vorstellen, „wenn man dadurch reale Verbesserungen der Versorgung schafft“. Struktur- wandel und Arbeitsplatzsicherheit zu finanzieren, sei hingegen Aufga- be der Steuerzahler.

Die Hauptversammlung forderte Bund und Länder auf, sicherzustel- len, dass der tatsächliche Investiti- onskostenbedarf der Krankenhäu- ser zukünftig verbindlich gedeckt wird: „Erforderlich ist eine gesetz- lich verankerte Mindestförderung für den Substanzerhalt und die In- vestition in bedarfsgerechte Struk- turen“, heißt es in einem Beschluss.

Die zunehmend eigenmittelfinan- zierten Investitionen belasteten die Krankenhausbudgets zunehmend und gingen zu Lasten der für die Patientenversorgung notwendigen Personalausstattung. Darüber hi- naus spricht sich der MB erneut für die Refinanzierung der maßgeb - lichen Tariflohnsteigerungen des Krankenhauspersonals aus.

Jens Flintrop Ein Streik, den

man nicht spüre, sei Folklore, sagte Rudolf Henke zur öffentlichen Kritik am Lokführerstreik.

Zulasten der Per- sonalausstattung:

Die Delegierten for- derten eine aus- kömmliche Investi- tionsfinanzierung, damit die DRG-Erlö- se nicht fremdver- wendet werden.

Fotos: Frank Löhmer

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