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Archiv "123. Hauptversammlung des Marburger Bundes: „Das Streikrecht ist unabdingbar“" (31.05.2013)

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A 1074 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 22

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31. Mai 2013

P O L I T I K

Alle Arbeitszeiten erfassen: Die De- legierten fordern ein transparentes und manipulations-

freies Arbeitszeit - erfassungssystem

in allen Kliniken.

Fotos: Jürgen Gebhardt

D

er Marburger Bund (MB) hat die kirchlichen Arbeit- geber aufgefordert, gemeinsam mit ihm ein Tarifsystem zu entwickeln, das die grundrechtlich geschützten Positionen von Arbeitnehmern und Gewerkschaften besser anerkennt:

„Der MB beansprucht auch ge - genüber Arbeitgebern von Caritas und Diakonie das Grundrecht als Gewerkschaft, Arbeitsbedingungen nicht nur durch Tarifverträge zu re- geln, sondern diese im Wege eines fairen Ausgleichs gegebenenfalls auch gegen den Willen des Arbeit- gebers kampfweise durchzuset- zen“, heißt es in einem am 25. Mai in Hannover gefassten Beschluss der 123. MB-Hauptversammlung.

„Wir wollen keine Einbindung in den Dritten Weg der Arbeitsrechts- setzung, sondern wir wollen über den Zweiten Weg mit den kirch - lichen Arbeitgebern Tarifverträge aushandeln – Streikrecht inklusi- ve“, sagte der Zweite MB-Vorsit- zende, Dr. med. Andreas Botzlar.

Ein kirchlich modifiziertes Tarif- vertragsrecht ohne Streikrecht sei

mit dem MB nicht zu vereinbaren:

„Das ist das Signal, das von dieser Hauptversammlung ausgeht.“

Im November 2012 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) ent- schieden, dass Caritas und Diako- nie zwar weiterhin selbst bestim- men dürfen, wie sie in ihren Ein- richtungen die Arbeitsbedingungen regeln, zugleich aber eine stärke- re Beteiligung der Gewerkschaften angemahnt. Grundsätzlich könne der Ausschluss von Arbeitskampf- maßnahmen als Voraussetzung für die Aufnahme von Tarifverhandlun- gen jedoch vertretbar sein.

Die Rechtsmittel ausschöpfen Der MB hat wegen dieses in das Ur- teil eingeflossenen Grundsatzes in- zwischen Beschwerde beim Bun- desverfassungsgericht eingelegt. Für das Recht, auch konfessionelle Kli- niken bestreiken zu dürfen, werde die Ärztegewerkschaft alle Rechts- mittel ausschöpfen, kündigte der MB-Vorsitzende, Rudolf Henke, an:

„Wenn wir mit unserer Verfas- sungsbeschwerde scheitern, werden

wir den europäischen Rechtsweg beschreiten.“ In anderen europä - ischen Ländern gebe es kein geson- dertes Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen.

Vor allem im Bereich der Dia - konie ist derzeit zu beobachten, dass die „Dienstgeberseite“ sich auf ein kirchengemäß modifizier- tes Tarifvertragsrecht nach der Maßgabe der BAG-Entscheidung vorbereitet. Vorreiter ist hier die Diakonie Niedersachsen, die aktu- ell ein Schlichtungsverfahren zu etablieren versucht, das Arbeits- kampfmaßnahmen ausschließt. Ge- wünscht wird hier auch ein „Tarif- bündnis“ zwischen dem MB und Verdi. Das geht aus einer „Prozess- vereinbarung“ hervor, die die nie- dersächsische Diakonie mit dem MB-Landesverband Niedersachsen und Verdi schließen will, deren Ziel der Abschluss eines Tarifver- trages „Soziales“ bis zum 1. April 2014 ist. „Wir gehen davon aus, dass der Dienstgeber eine Ein- schränkung oder gar einen Verzicht auf das Streikrecht beziehungswei- 123. HAUPTVERSAMMLUNG DES MARBURGER BUNDES

„Das Streikrecht ist unabdingbar“

Auf Druck des Bundesarbeitsgerichts zeigen sich die ersten konfessionellen Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen bereit. Der Marburger Bund pocht darauf, die Ärztinnen und Ärzte dann auch zum Arbeitskampf aufrufen zu dürfen.

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31. Mai 2013 A 1075 tierung an Kompetenzen und be-

kräftigte das in einem Beschluss.

Für Diskussionen sorgte der ge- plante Ausbau der ambulanten Wei- terbildung. Henke distanzierte sich von der Forderung der Kassenärzt - lichen Bundesvereinigung (KBV) nach einer Pflichtweiterbildung in den Praxen niedergelassener Ärzte.

„Wir sagen Ja zu einer Förderung der ambulanten Weiterbildung, aber wir sagen Nein zu einem Flaschenhals“, betonte Henke und sprach damit für die Mehrheit der Delegierten. Man könne nicht eine Pflichtweiterbil- dung in den Praxen niedergelassener Ärzte einführen, ohne dass die Fi- nanzierung geregelt sei. „Wer zahlt?

Wer bildet weiter? Wer sorgt für die Weiterbildungsplätze?“, fragte der MB-Vorsitzende. Diese Fragen müss- ten geklärt sein, bevor Entscheidun- gen getroffen würden. „Wir brau-

chen eine gesetzliche Grundlage, die die Finanzierung regelt.“

Der MB-Vorsitzende forderte so- gar Tarifverträge für Ärzte, die als Angestellte in den Arztpraxen ar- beiten. „Wir brauchen eine Arbeit- geberorganisation der niedergelas- senen Ärzte, die mit dem MB Tarif- verträge abschließt“, erklärte Hen- ke. Bis zu 20 000 Ärzte arbeiteten inzwischen als Angestellte in den Praxen, ohne dass sichergestellt sei, dass sie ein angemessenes Gehalt erhielten. Rückendeckung für diese Forderung erhielt Henke von der Hauptversammlung. Grundvoraus- setzung für eine Weiterbildung im

ambulanten Bereich sei die Zahlung eines tariflichen Entgelts, heißt es in einem Beschluss. Ärzte, die ei- nen Teil ihrer Weiterbildung in der Praxis absolvierten, müssten unter Anleitung eines weiterbildungsbe- fugten Facharztes an der Versor- gung teilnehmen. Zudem müsse die Praxis die Leistungen der Weiterzu- bildenden abrechnen können – ge- nauso wie im Krankenhaus.

Doch ist die Situation dort so viel besser? Wegen des enormem wirt- schaftlichen Drucks werde die Fi- nanzierung der Weiterbildung in den Kliniken ausgedörrt, sagte der Vorsitzende der Weiterbildungsgre- mien des MB, Dr. med. Hans Albert Gehle. Die ärztliche Weiterbildung müsse gesondert vergütet werden, und zwar in beiden Sektoren: „We- der die DRGs im Krankenhaus noch der Einheitliche Bewertungsmaßstab in den Praxen bilden die Weiterbil- dung angemessen ab.“ Die Mehr- heit der Delegierten war hier jedoch skeptisch. Für sie sprach Prof. Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery:

„Denken Sie an die Risiken“, warn- te der Präsident der Bundesärzte- kammer. Wer die Weiterbildung mit- finanziere, seien es nun die Kran- kenkassen oder der Staat über Steu- ern, wolle am Ende mitbestimmen.

Kein Beschluss zum System Auch ein Vorschlag der KBV zur gesonderten Honorierung konnte den MB nicht überzeugen. Sie hatte angeregt, jedem Arzt in Weiterbil- dung einen „Rucksack“ finanzieller Förderung mitzugeben, der für die Weiterbildungsdauer die Förderung unabhängig von der Weiterbildungs- stätte garantiert. Dr. med. Heidrun Gitter, Präsidentin der Ärztekam- mer Bremen, warnte: „Der Ruck- sack ist der Einstieg in budgetierte Weiterbildungsstellen.“

Nicht abgestimmt haben die De- legierten über einen Antrag des Bundesvorstands, der den Erhalt des dualen Krankenversicherungs- systems in Deutschland fordert.

Nach kontroverser Diskussion dar - über, ob es überhaupt Aufgabe der Ärzteschaft ist, sich in die Finanzie- rungsdebatte einzubringen, zog der Vorstand den Antrag zurück.

Jens Flintrop, Heike Korzilius Nein zu einem

Flaschenhals – Rudolf Henke ist gegen eine Pflicht zur ambulanten Weiterbildung, wie sie die KBV fordert.

se eine Zwangsschlichtung tarifie- ren will. Dem werden wir eine Ab- sage erteilen“, sagte Sven De Noni, Geschäftsführer des MB-Landes- verbandes Niedersachsen, auf DÄ- Nachfrage.

Wer bildet weiter? Wer zahlt?

Dass die Diakonie sich bewegt und Bereitschaft zeigt, die Gewerk- schaften mehr als bisher in die Ge- staltung der Arbeits- und Vergü- tungsbedingungen einzubinden, ist auch auf die angespannte Personal- situation in den Kliniken zurück - zuführen. Denn im Wettbewerb um die knappe „Ressource Arzt“ ver - lieren die konfessionellen Kran - kenhäuser zunehmend an Boden.

„Niemand hat mehr für die Ver- gleichbarkeit von Klinikarbeitge- bern getan als der MB“, hatte Hen- ke bereits zum Auftakt des Treffens in der Niedersachsenhalle gesagt.

Um den Einfluss der Ärzte in den Krankenhäusern weiter auszubauen, appellierte der MB-Vorsitzende an die etwa 200 Delegierten, sich im Frühjahr 2014 in die Betriebsräte ihrer Arbeitgeber wählen zu lassen.

„Es geht darum, vor Ort umzusetzen, was wir mit den Tarifverträgen an guten Rahmenbedingungen gesetzt haben“, ergänzte Carsten Mohrhardt, MB-Landesverband Baden-Würt- temberg. Ein gutes Beispiel dafür, dass vor Ort längst nicht alles umge- setzt ist, was die Tarifverträge vorge- ben, ist die Arbeitszeiterfassung. So fordert die 123. Hauptversammlung die Arbeitgeber einmal mehr auf, die vereinbarten praktikablen und zeit- gemäßen Verfahren der Zeiterfas- sung für alle Arbeitsformen endlich vollständig umzusetzen.

Kontrovers diskutierten die De- legierten über die vorgeschlagenen Änderungen bei der fachärztlichen Weiterbildung, die der 116. Deut- sche Ärztetag beraten sollte. Das Konzept der Weiterbildungsgre- mien der Bundesärztekammer sieht vor, dass die Weiterbildungsord- nung künftig anhand von Kompe- tenzen strukturiert und vorrangig über Inhalte definiert wird, statt wie bisher über Zeiten und Richtzahlen.

Die Mehrheit der Delegierten unter- stützte die grundsätzliche Linie der geplanten Reform mit ihrer Orien-

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