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Archiv "Frage der Woche an . . . Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes" (29.11.2013)

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Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat das Kir- chengesetz zum Arbeitsrecht neu geregelt. Damit reagiert die EKD auf Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. November 2012. Da- mals hatte das BAG den Kirchen unter anderem die Beschneidung ge- werkschaftlicher Rechte in ihren Einrichtungen nur weiter zugestanden, wenn die Gewerkschaften in deren Arbeitsrechtlichen Kommissionen eingebunden werden und wenn das Verhandlungsergebnis als Minimal- standard verbindlich ist (Aktenzeichen: 1 AZR 179/11). Seien diese Vor- gaben erfüllt, dürften die Gewerkschaften nicht zum Streik aufrufen.

Die Diakonie hat ihr Arbeitsrecht nachgebessert. Ist die Beteili- gung der Gewerkschaften am Zustandekommen arbeitsrechtlicher Regelungen nun adäquat?

Henke: Nein. Der Marburger Bund beansprucht auch gegenüber kirchli- chen Arbeitgebern das Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Wir wünschen uns Tarifverträge mit der Diakonie und der Caritas als Instrumente eines fairen Ausgleiches, können uns aber nicht das Recht nehmen lassen, Forderun- gen notfalls mit den Mitteln des Streiks gegen den Arbeitgeber durchzuset- zen. Ein derart grundsätzlicher Ausschluss des Streikrechts verstößt auch bei einer Berufung auf das Kirchenprivileg und auch bei Schaffung eines kirchlich modifizierten Tarifvertragsrechtes gegen die im Grundgesetz ver- bürgten Rechte der Arbeitnehmer (Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz).

Aus unserer Sicht ist das neue kirchliche Arbeitsrecht der EKD des- halb leider kein Weg, die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Einrichtun- gen zukunftsfähig und unter angemessener Berücksichtigung der Rech- te der Beschäftigten zu regeln. Die vorgesehene Einbindung der Ge-

werkschaften ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, die Kirche beharrt aber für ihre Einrichtungen bei den Ar- beitsbeziehungen auf einer Sonderstel- lung. Angesichts der Annäherung an profanes wirtschaftliches Verhalten be- zweifeln wir die Rechtfertigung dieses kirchlichen Sonderwegs.

Die im neuen Arbeitsrechtsrege-

lungsgrundsätzegesetz vorgesehene Möglichkeit, Tarifverträge mit Ge- werkschaften zu schließen, krankt am zwingenden Verzicht auf Arbeits- kampfmaßnahmen. Ein Ausgleich der widerstreitenden sozialen Interes- sen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist auf diese Weise nicht ge- währleistet, da das bewährte Instrumentarium zur Lösung kollektivrecht- licher Konflikte fehlt. Die stattdessen vorgesehene Zwangsschlichtung führt lediglich zur Sicherstellung des Letztentscheidungsrechtes der kirchlichen Arbeitgeber.

Gerade dieses Ungleichgewicht ist aber kein Ausdruck des vielfach bemühten Begriffes der kirchlichen Dienstgemeinschaft, sondern der Versuch, ein überkommenes Rechtsverständnis in die Zukunft zu retten und sich auf diese Weise gegenüber anderen Marktteilnehmern unter Abwertung der Grundrechte der Beschäftigten und der Gewerkschaften einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Der Marburger Bund sieht ein solches kirchliches Tarifvertragsrecht ohne Streikmöglichkeit weiterhin kritisch und wird diese grundsätzlichen Vorbehalte auch weiterhin in sei- ner Verfassungsbeschwerde aufrechterhalten. JF

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes hende Rechtslage für die Position

der Ärzte: Denn die meisten Arbeits- zeitmodelle in deutschen Kliniken sind – so wie sie praktiziert werden – rechtswidrig. Regelungen in Ar- beitsverträgen, mit denen eine Über- stundenvergütung abgegolten oder ausgeschlossen werden soll, sind oftmals unwirksam. Von Notfällen abgesehen hat der Arbeitgeber ohne eine besondere Regelung im Ar- beitsvertrag nicht einmal das Recht, Überstunden anzuordnen. Erst im letzten Jahr hat außerdem das Bun- desarbeitsgericht mit zwei Entschei- dungen die Rechte des Arbeitneh- mers auf Geltendmachung und Durchsetzung eines Überstunden- ausgleichs gestärkt (Urteil vom 18.

April 2012, Az.: 5 AZR 248/11; Ur- teil vom 16. Mai 2012, Az.: 5 AZR 347/11): Während der Arbeitnehmer früher darlegen musste, an welchen Tagen, zu welchen Zeiten, welche

Arbeitsleistung erbracht wurde und dass dies vom Arbeitgeber angeord- net, gebilligt beziehungsweise ge- duldet wurde oder zur Erledigung der übertragenen Aufgaben erforder- lich gewesen ist, genügt heute für die Darlegung von Überstunden durch den Arbeitnehmer, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung be- reitgehalten hat. Dann begründet die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb eine Vermutung dafür, dass die Überstunden zur Aufgabenerle- digung auch erforderlich waren.

Gute Verhandlungsposition wegen Ärztemangels

Steht ein Rechtsverstoß des Arbeit- gebers im Raum, übernimmt eine Rechtschutzversicherung auch die Kosten eines anwaltlichen Beistan- des von der Prüfung der bestehen-

den Rechtslage über die außerge- richtliche Verhandlung mit dem Ar- beitgeber bis hin zur gerichtlichen Durchsetzung bestehender Ansprü- che. Die Begleitung von Verhand- lungen mit dem Arbeitgeber durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht bietet sich ebenso dann an, wenn dieser gegenüber dem Arbeitgeber selbst nicht in Erscheinung tritt.

Auch die Erfahrung aus ande- ren Branchen zeigt: Nur durch ei- ne konsequente und abgestimmte Wahrnehmung bestehender Rechte wird es zu einer veränderten Streit- kultur in Kliniken und zu spürbaren Verbesserungen bei der Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes kommen. Die Chancen hierfür ste- hen vor dem Hintergrund des akuten Ärztemangels besser denn je.

Sven Galla Fachanwalt für Arbeitsrecht, Geschäftsführer der

Flisek + Galla Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Foto: Marburger Bund

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 48 I 29. November 2013

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