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Archiv "3 Fragen an . . . Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes" (25.06.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 25

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25. Juni 2010 A 1241 TARIFPOLITIK

Konzertierte Aktion gegen Spartengewerkschaften

Der Arbeitgeberverband und der Deutsche Gewerkschaftsbund wollen den Grundsatz der Tarifeinheit im Betrieb gesetzlich fixieren.

Der Marburger Bund dürfte dann nicht mehr zu Streiks aufrufen.

E

in Betrieb, ein Tarifvertrag – jahrzehntelang hielt das Bun- desarbeitsgericht (BAG) in seiner Rechtsprechung an diesem Grund- satz fest. Die Richter begründeten das Festhalten an der Tarifeinheit damit, dass nur so Abgrenzungspro- bleme zwischen unterschiedlichen betrieblichen Tarifnormen vermie- den werden könnten.

Am 27. Januar 2010 dann die Kehrtwende: Der 4. Senat des BAG kündigte an, seine Rechtsprechung zum Grundsatz der Tarifeinheit än- dern zu wollen. Auslöser dafür war eine Rechtsfrage, die sich aus dem Ausstieg des Marburger Bundes aus der Tarifkooperation mit Verdi im Jahr 2005 ergeben hatte. Die Rich- ter des 4. Senats vertraten die Auf- fassung, dass der nach der Abspal- tung geschlossene neue Verdi-Tarif- vertrag für den öffentlichen Dienst für Mitglieder des Marburger Bun- des von Beginn an nicht bindend war. Weil die Richter damit von der bisherigen Rechtsprechung des 10. Senats abwichen, stellten sie an diesen eine Divergenzanfrage, um zu einer einheitlichen Linie zu ge- langen. Die Antwort des 10. Senats wird am 23. Juni erwartet (nach Re- daktionsschluss dieser Ausgabe).

Alles spricht jedoch dafür, dass der 10. Senat der Argumentation des 4. Senats folgen wird, wonach es keine gesetzliche Regelung für eine Verdrängung nachrangiger Tarif- verträge gibt.

Die erwartete Kehrtwende in der Rechtsprechung zur Tarifeinheit stärkt die Position von Spartenge- werkschaften wie der Pilotenvereini- gung Cockpit oder auch der Klinik- ärztegewerkschaft Marburger Bund – und verärgert die Arbeitgeber so-

wie die etablierten großen Gewerk- schaften. „Wenn das Bundesarbeits- gericht den bisherigen Grundsatz der Tarifeinheit aufhebt, so ist un- sere Sorge, dass es zunehmend Be- rufsgruppen-Gewerkschaften geben wird“, sagte Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deut- schen Arbeitgeberverbände (BDA), Anfang Juni vor der Presse in Berlin.

Bemerkenswert einig warnten Hundt und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Mi- chael Sommer, vor „englischen Ver-

hältnissen“ in Deutschland. In Groß- britannien hatten in den 70er Jahren gewerkschaftliche Konkurrenzkämp- fe zu nahezu permanenten Streiks in weiten Teilen der Wirtschaft geführt, bis die damalige Premierministerin Margret Thatcher die Macht der Ge- werkschaften brach.

„Die Tarifautonomie ist eine we- sentliche Grundlage der sozialen Marktwirtschaft und hat sich in den letzten Jahrzehnten nachhaltig be- währt“, schreiben BDA und DGB in einer gemeinsamen Erklärung.

Eine unverzichtbare Säule dieser Tarifautonomie sei die Tarifeinheit.

Sie verhindere eine Zersplitterung des Tarifvertragssystems, eine Spal- tung der Belegschaften und eine Vervielfachung kollektiver Kon- flikte. Die Interessen der Gesamt- belegschaften dürften nicht von Einzelinteressen verdrängt werden.

Die sonst so zerstrittenen Organisa- tionen schlagen deshalb vor, „den Grundsatz der Tarifeinheit gesetz- lich zu regeln, um ihn auch in Zu- kunft zu gewährleisten“.

Wie beurteilen Sie den Vor- stoß von BDA und DGB?

Henke: Der Vorstoß bringt BDA und DGB in Konflikt mit dem Grundrecht der Koalitionsfrei- heit nach Art. 9 Abs. 3 Grund- gesetz. Wir dagegen haben für unsere Position Recht und Ver- fassung auf unserer Seite. Dar- auf hat der 4. Senat des Bun- desarbeitsgerichts ausdrücklich hingewiesen. Wir rechnen mit einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung. BDA und DGB wollen das nicht und wünschen sich die Welt der alten Tarifkar- telle zurück. Wir wissen, wie wir uns zur Wehr setzen können.

Wie wollen Sie sich denn zur Wehr setzen?

Henke: Wer einen Arbeitneh- mer zwingt, einen Tarifvertrag zu akzeptieren, der nicht von

seiner eigenen Gewerkschaft stammt, der schafft eine Form der Bevormundung. Damit ver- teidigt er keine Tarifautonomie, er zerstört sie. Ein Gesetz, das die verfassungsrechtlich garan- tierte Koalitionsfreiheit zerstört, wird keinen Bestand haben. Au- ßerdem: Wir haben bewiesen, dass wir es besser können als andere. Unsere Tarifverträge sind passgenau und tragen da- zu bei, dass die Arbeitsbedin- gungen an den Krankenhäusern besser werden. Ohne uns wäre der Ärztemangel viel schlimmer, und die Versorgungssicherheit wäre akut gefährdet. Im Übri- gen steht doch gar nicht fest, wer sich auf Dauer als mitglie- derstärkste Gewerkschaft in der Klinik durchsetzt. In vielen Krankenhäusern haben wir schon jetzt die Nase vorn.

Bei der Bundeskanzlerin soll die BDA/DGB-Initiative auf

„sehr positive Resonanz“ ge- stoßen sein . . .

Henke: Bisher gibt es keinen solchen Gesetzentwurf, uns sind auch keine entsprechenden Ab- sichten der Kanzlerin bekannt- geworden. Schon während der Lokführer-Streiks bei der Bahn gab es allerdings entsprechende Forderungen, etwa vom damali- gen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Ich glaube aber nicht, dass jemand einen guten Grund dafür finden wird, den Marburger Bund gesetzlich unter das Kommando von Verdi zu zwingen, wenn wir das nicht wollen. Das würde ja bedeuten, dass man den Ärzten das Recht nähme, sich eigen- ständig gewerkschaftlich zu en- gagieren. Damit wäre die Koali- tionsfreiheit praktisch wertlos.

3 FRAGEN AN . . .

Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes

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A 1242 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 25

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25. Juni 2010

PATIENTENINFORMATION

Interaktiv und keines

Der mündige Patient als Herausforderung für die der Gesundheitsbranche

B

ilder auf der Krankenhaus- Website sind zwar ein Muss, aber wenn der Chefarzt auf blutigen Bildern „live und in Farbe“ direkt aus dem Operationssaal besteht, sollte man ihm dies unbedingt aus- reden. Das empfahl Uwe Dolderer vom Vivantes-Netzwerk für Ge- sundheit beim Medinform-Kom- munikationskongress in Frankfurt am Main. Der Leiter der Konzern- kommunikation setzt auf eine po - sitive Bildersprache. „Bilder sollen Vertrauen erzeugen, nicht Angst“, erläuterte Dolderer. Aufnahmen von blutverschmierten Patienten oder „Blicke in die Werkstatt“ eines Krankenhauses sind daher für kon- zerneigene Print- und Online-Me- dien tabu. Stattdessen werden au- thentische Darstellungen ohne Mo- dels und optisch ansprechende (nicht: beschönigende) Bilder ge- nutzt, um sich von den Mitbewer- bern abzuheben. Darüber hinaus verwendet der Berliner Kranken- hauskonzern zur Patientenanspra- che beispielsweise auch Radiospots und Gesundheitssendungen, wie et- wa die mehrteilige Sendung „Die Gesundmacher – (m)ein Fall für die Spezialisten“ bei TV-Berlin.

Mit welchen Strategien und Kommunikationsmaßnahmen kann der „mündige Patient“ am besten erreicht werden? Vor dieser Frage stehen viele Organisationen, Insti- tutionen und Dienstleister der Ge- sundheitsbranche, Ärzte und Kran- kenhäuser ebenso wie Krankenkas- sen und Medizintechnikunterneh- men. Denn der Patient oder Versi- cherte wird zunehmend anspruchs- voller: „Er will bei verstärkter Ei- genbeteiligung besser über die me- dizinischen Möglichkeiten infor- miert sein“, erklärte Joachim M.

Schmitt, Geschäftsführer des Bun- desverbandes Medizintechnologie e.V. (BVMed).

Trend zu sozialen Netzwerken Das Internet spielt für Patienten in- zwischen eine der Hauptrollen bei der Informationsrecherche. Nach der Studie „Health Care Monitoring 2009“ (YouGovPsychonomics) in- formieren sich 79 Prozent der Inter- netnutzer über Gesundheitshinter- gründe im Web, davon 34 Prozent regelmäßig, wohingegen der Arzt lediglich mit 72 Prozent als Informationsquelle genannt wird.

Dar auf verwies Dr. Andreas L. G.

Die Aktion Meditech will verständlich über Medizintechnolo- gien informieren und bezieht dabei die Nutzer von vornherein mit ein.

Auf einen entsprechenden Ge- setzentwurf haben sich BDA und DGB bereits geeinigt: „Überschnei- den sich in einem Betrieb die Gel- tungsbereiche mehrerer Tarifverträ- ge, die von unterschiedlichen Ge- werkschaften geschlossen werden, so ist nur der Tarifvertrag anwend- bar, an den die Mehrzahl der Ge- werkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden ist“, heißt es darin. Für die Laufzeit dieses Tarifvertrages soll dabei die Friedenspflicht gel- ten. Dann der entscheidende Satz:

„Diese [die Friedenspflicht] wird durch die gesetzliche Regelung auch auf konkurrierende Tarifver- träge erstreckt, die nach der vorste- henden Regelung nicht zur Geltung kommen könnten.“ Einigte sich al- so zum Beispiel Verdi, die neben Pflegekräften auch Klinikärzte ver- tritt, mit der Vereinigung der kom- munalen Arbeitgeberverbände auf einen Tarifvertrag für den öffentli- chen Dienst, dann wäre auch der Marburger Bund in den kommuna- len Krankenhäusern in der Frie- denspflicht – was seine Schlagkraft erheblich schwächen würde.

„Völlig unberührt bleibt, dass einvernehmlich mit unterschiedli- chen Gewerkschaften für unter- schiedliche Arbeitnehmergruppen Tarifverträge vereinbart werden können“, stellte Hundt noch klar.

Wenn eine Gewerkschaft nur für Pi- loten einen Tarifvertrag abschließe und eine andere Gewerkschaft für andere Arbeitnehmer einen Tarif- vertrag vereinbare, bei dem die Pi- loten ausgenommen würden, sei das ein Fall vereinbarter Tarifplura- lität. Angesichts des Anspruchs von Verdi, auch Ärzte zu vertreten, und des angespannten Verhältnisses zwischen Verdi und Marburger Bund wäre eine solche vereinbarte Tarifpluralität in den Krankenhäu- sern derzeit aber wohl undenkbar.

Nach eigenen Angaben haben der Arbeitgeberpräsident und der DGB-Chef ihre gemeinsame Initia- tive für den Erhalt der Tarifeinheit bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel erörtert. Diese sei nicht ab- geneigt gewesen, den Vorschlag zu unterstützen, gaben Hundt und Sommer zu Protokoll. ■

Jens Flintrop

P O L I T I K

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