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Archiv "Pro & Kontra: Gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen" (30.01.2009)

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A166 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 5⏐⏐30. Januar 2009

P O L I T I K

M

illionen Menschen haben be- reits eine Patientenverfü- gung. Sie wollen bestimmen, was mit ihnen geschieht, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Dieser Wunsch ist nachvoll- ziehbar und zu respektieren. Eine ge- setzliche Regelung von Patienten- verfügungen gibt diesen Menschen Sicherheit und ist deshalb zu be- grüßen. Auch Ärztinnen und Ärzten kann ein Gesetz eine Orientierung für ihr Handeln an der Grenze zwi- schen Leben und Tod bieten.

Ein solches Gesetz zu formulie- ren, ist jedoch nicht einfach. Es kann unter der Überschrift der „Selbstbe- stimmung“ für weniger gut infor- mierte Patienten zu einer gefährli- chen Falle werden. Deshalb muss es neben der Glaubens- und Meinungs- vielfalt der Menschen auch die fach- kundige Beratung und die aktuelle Situation des Patienten berücksich- tigen. Ärzte und Betreuer müssen verpflichtet werden, sich mit jeder Patientenverfügung individuell aus- einanderzusetzen. Denn Sterben ist nicht normierbar. Das Vorliegen ei- ner Patientenverfügung darf keinen starren Automatismus in Gang set- zen, bei dem die einst vom Patienten

(möglicherweise uninformiert) ge- troffenen Anweisungen lediglich eins zu eins umgesetzt werden. Die ein- getretene Behandlungssituation, die persönlichen Begleitumstände und der Stand der medizinischen Entwick- lung müssen einbezogen werden.

Ein künftiges Gesetz sollte ferner der Vorsorgevollmacht eine große Bedeutung zuschreiben. Durch sie ist eine Person an der Entscheidungs- findung beteiligt, die das besondere Vertrauen des Patienten genießt. Um Missbrauch zu vermeiden, darf aber auch die Verantwortung von Ärzten nicht eingeschränkt werden. Sie müssen die Möglichkeit haben, nach den Grundsätzen der Bundesärzte- kammer zur Sterbebegleitung den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und ihren Patienten beizustehen – ohne an einer Selbsttötung mitzu- wirken. Dazu müssen das Hospiz- wesen und die Palliativmedizin aus- gebaut werden.

Um dem Wunsch der Bevölkerung nach einer gesetzlichen Regelung von Patientenverfügungen gerecht zu werden, haben Politiker über Par- teigrenzen hinweg mittlerweile drei ganz unterschiedliche Gesetzent- würfe formuliert. Der durch Joachim Stünker (SPD) eingebrachte Entwurf wird zwar bereits von mehr als 200 Abgeordneten unterstützt, setzt je- doch gefährlich einseitig auf die

Autonomie des Patientenwillens.

Verfügungen sollen ihm zufolge in jeder Krankheitsphase gültig sein.

Vertretbare Alternativen stellen dagegen die Gruppenanträge von Wolfgang Bosbach (CDU) einerseits und Wolfgang Zöller (CSU) anderer- seits dar. Dem Entwurf von Bosbach zufolge sind alle schriftlichen Verfü- gungen gültig, wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit vor- liegt. Möchte ein Patient lebenserhal- tende Maßnahmen unabhängig vom Krankheitsstadium anordnen, muss er sich ärztlich beraten und dies nota- riell beurkunden lassen. Einen guten Ansatz bietet ebenfalls der Entwurf von Zöller. Er setzt auf die grundsätz- liche Verbindlichkeit von Patienten- verfügungen, ist jedoch gleichzeitig stark von der Verantwortung und Fürsorge des Arztes sowie der aktu- ellen Situation geprägt.

Ein tragfähiges Gesetz zu Patien- tenverfügungen ist positiv zu sehen.

Bei der Verabschiedung wird es je- doch darauf ankommen, die Waage zwischen dem Selbstbestimmungs- recht des Patienten und der Ermitt- lung des aktuellen Patientenwillens zu halten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Vorausverfügungen niemals einen Königsweg darstellen können. Sie werden immer auf Auf- klärung und Interpretation angewie-

sen sein. n

Gesetzliche Regelung von Patienten

Dr. med.

Eva Richter- Kuhlmann, DÄ-Redaktion

Berlin

Ärztinnen und Ärzte müssen den Willen ihrer Patieten berücksichtigen – auch wenn sich diese nicht mehr äußern können.

Doch nicht immer ist es eindeutig, unter welchen Umständen eine Willens- erklärung gilt. Sollte ein Gesetz zu Patien- tenverfügungen verabschiedet werden?

P R O

PRO &

KONTRA

Foto:Keystone

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 5⏐⏐30. Januar 2009 A167

P O L I T I K

Mai 2008 formulierte, „hochkom- plex und individuell“. Kritiker des Gesetzes befürchten wohl nicht zu Unrecht eine zunehmende Verrecht- lichung des Arzt-Patienten-Verhält- nisses und einen „Automatismus“ bei der Umsetzung von Patientenverfü- gungen (dazu auch DÄ, Heft 3/2009).

Die juristisch geforderte Beachtung des vorausverfügten Patientenwil- lens kann schlimmstenfalls sogar dazu führen, dass Ärzte unter Um- ständen ihre Fürsorgepflicht ver- nachlässigen. Es sollte nicht so weit kommen, dass Entscheidungen al- lein aus Angst vor juristischen Kon- sequenzen getroffen werden.

Und kann der mutmaßliche Wille von Patienten überhaupt ermittelt werden? Ein zuvor verfügter Wille kann schließlich nicht den aktuellen Willen ersetzen. Mehrere Lehrstuhl- inhaber für Palliativmedizin sehen das offenbar ähnlich. In der Regel sei es unklar, ob beziehungsweise inwieweit die Patienten zum Zeit- punkt der Formulierung der Patien- tenverfügung über alle notwendigen Informationen verfügt haben, um die Tragweite der festgehaltenen Willensäußerung zu überblicken. Es ist also nicht sicher, ob die Pa- tientenverfügung auch tatsächlich dem mutmaßlichen Patientenwillen entspricht. Auch Begriffe wie „Hei- lung ausgeschlossen“, „unmittelba-

re Sterbephase“ oder „lebensverlän- gernde Maßnahmen“ könnten nicht eindeutig definiert werden und wür- den von medizinischen Experten unterschiedlich definiert (DÄ, Heft 33/2007).

Besser als eine gesetzliche Re- gelung der Patientenverfügungen wäre eine Stärkung der Palliativme- dizin und des Hospizwesens. Ärzte sollten so ausgebildet werden, dass sie in der Lage sind, ohne gesetzli- che Vorgaben Patientenverfügungen verantwortungsbewusst umzuset- zen. Die von der Bundesärztekam- mer herausgegebenen „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung“

können ihnen dabei helfen. Die BÄK rät auch dazu, eine Vertrau- ensperson zu benennen, mit der die Patientenverfügung und der darin erklärte Wille besprochen werden können. Besondere Bedeutung ist der Vorsorgevollmacht einzuräu- men, mit der ein Patient eine Person des Vertrauens zum Bevollmächtig- ten in Gesundheitsfragen erklären kann. Damit hat der Arzt einen An- sprechpartner, der ihm bei der Er- mittlung des mutmaßlichen Willens hilft. Außerdem können auch die

„Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patien- tenverfügungen in der ärztlichen Praxis“ Ärzten und Patienten eine Hilfestellung geben. n

verfügungen

Gisela Klinkhammer,

DÄ-Redaktion Köln

Zum Thema:Trotz einiger Urteile des Bundesgerichtshofs ist es für Patientin- nen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte, Betreuer und Angehörige nicht im- mer eindeutig, ob und wann eine Patientenverfügung verbindlich ist. Der Deutsche Bundestag will das ändern und die Patientenverfügung noch in die- sem Jahr mit mehr Rechtssicherheit ausstatten. Für ein Gesetz zu Patienten- verfügungen liegen bereits drei unterschiedliche, parteiübergreifende Entwür- fe vor. Am 21. Januar dieses Jahres debattierte das Parlament in erster Le- sung den Entwurf von Abgeordneten um Wolfgang Bosbach (CDU), René Rös- pel (SPD) und Karin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Ebenfalls zur Diskussion stand der Antrag von Parlamentariern um Wolfgang Zöller (CSU).

Den dritten Gesetzentwurf, der von Joachim Stünker (SPD) eingereicht wurde, hatte der Bundestag bereits im Juni 2008 in erster Lesung beraten.

Anlässlich der jüngsten Bundestagsdebatte warnte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, erneut davor, die bestehende Rechtslage mit komplizierten Formulierungen zu überfrachten.

Dadurch werde mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen. „Patien- tenverfügungen sind verbindlich, wenn sie eindeutig formuliert sind. Der Arzt ist daran gebunden, auch wenn er anderer Meinung ist. Das gilt schon heute, auch ohne Gesetz“, erklärte er.

Darüber, welche Gesetzesinitiative sich durchsetzen wird, kann momen- tan nur spekuliert werden. Als denkbar gilt auch ein Kompromiss zwischen den Entwürfen von Stünker und Zöller, während die Bosbach-Initiative von vielen Parlamentariern als zu „bürokratisch“ kritisiert wurde. Eine Entschei-

dung soll noch in diesem Frühjahr fallen. ER

J

eder Patient kann, sofern er einwilligungsfähig ist, dem Arzt seinen Willen erklären. Der Arzt hat den Willen des aufgeklär- ten Patienten zu respektieren. Für den Fall, dass dieser nicht mehr ein- willigungsfähig ist, kann er eine Patientenverfügung verfassen. Die meisten Ärzten begrüßen sicherlich eine solche Vorausverfügung. Auch in den „Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung“ der Bundesärzte- kammer (BÄK) wird die Bedeutung von Patientenverfügungen betont.

Eine gesetzliche Regelung von Pati- entenverfügungen ist jedoch nicht erforderlich. Sie sind nämlich be- reits jetzt verbindlich und von Ärz- ten zu beachten, sofern sie keine Gesetzesverstöße wie beispielswei- se aktive Sterbehilfe verlangen.

Darauf wies auch der Präsident der Bundesärztekammer beim letzt- jährigen Deutschen Ärztetag hin.

„Die Rechtslage ist klar, sie ist nur nicht bekannt genug“, sagte der BÄK-Präsident.

Es ist sogar zu befürchten, dass eine gesetzliche Regelung zu mehr Rechtsunsicherheit führen könnte.

Situationen am Lebensende sind, wie es der 110. Deutsche Ärztetag im

KONTRA

Referenzen

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