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Archiv "Patientenverfügungen: Gesetzliche Regelung – pro und kontra" (17.08.2007)

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A2234 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 33⏐⏐17. August 2007

P O L I T I K

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ie Debatte um Patientenver- fügungen reißt auch in der Sommerpause nicht ab. Mitte Juli hat sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Wort gemeldet. Er sandte den Bun- destagsabgeordneten Eckpunkte zu, in denen er für eine gesetzliche Re- gelung von Patientenverfügungen plädierte. Die Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin der Universitäten Aachen, Bonn, Göttingen und

Köln* dagegen halten in einer Stel- lungnahme, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, eine Gesetzge- bung zur Patientenverfügung für verfrüht und nur bedingt geeignet.

Zurzeit liegen mehrere Gesetzent- würfe zur Patientenverfügung vor.

Die Bundestagsabgeordneten Wolf- gang Bosbach (CDU), René Röspel (SPD), Josef Winkler (Die Grünen) und Otto Fricke (FDP) vertreten die Ansicht, dass der Abbruch einer le- benserhaltenden Behandlung auch künftig nur bei tödlichen Erkrankun- gen möglich sein solle, wenn der Be- troffene selbst es so gewollt habe oder hätte. Der Entwurf, der von den Ab- geordneten Joachim Stünker (SPD), Michael Kauch (FDP), Luc Jochimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Die Grünen) ausgearbeitet wurde, fordert dagegen eine uneingeschränkte Gül- tigkeit von schriftlichen Patienten- verfügungen, auch wenn die Krank- heit nicht tödlich verläuft. Die Abge- ordneten Wolfgang Zöller (CSU) und Hans Georg Faust (CDU) haben ei- nen Entwurf vorgelegt, der davon ausgeht, dass „Leben und Sterben in ihrer Komplexität nicht normierbar sind und sich pauschalen Kategorien

entziehen. Deshalb lässt der Gesetz- entwurf Raum für die Betrachtung des Einzelfalls und vermeidet sche- matische Lösungen“. Eine Begren- zung auf irreversibel tödliche Krank- heiten sieht dieser Entwurf nicht vor.

Aus der Ärzteschaft erhielten Faust und Zöller Zustimmung. „Wir unter- stützen diesen Vorschlag, weil er im Wesentlichen Verfahrensfragen re- gelt und sich in die Arzt-Patient-Be- ziehung nicht einmischt“, sagte der

Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe.

Die vier Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin sind allerdings grundsätzlich der Ansicht, dass in der Diskussion eine durch Regelungen zu erreichende Sicherheit für Patien- ten und Betreuer vorgetäuscht wer- de, die in der Praxis nicht gegeben sei. Wenn die Reichweite gar nicht begrenzt werde, bedeute „freie Ent- faltung der Persönlichkeit“ eine Selbstbestimmung, die sich bis hin zur Selbstverfügung über das eigene Leben erstrecke, befürchten die Pal- liativmediziner. Bei einer Reichwei- tenbegrenzung, zum Beispiel auf die Sterbephase, halten sie es dagegen für unmöglich, eine „sauber hergelei- tete ethische und rechtliche Begrün- dung für die Reichweitenausdeh- nung auf an Demenz Erkrankte oder Wachkomapatienten zu finden“.

Die EKD plädiert dafür, dass auch bei Wachkomapatienten die Möglichkeit bestehen sollte, eine Patientenverfügung, die eine Be- grenzung der lebenserhaltenden Maßnahmen auf einen bestimmten Zeitraum vorsieht, als bindend an- zusehen. In ihren Eckpunkten emp-

fiehlt die EKD, die Patientenverfü- gung mit einer Vorsorgevollmacht zu verknüpfen, in der ein Bevollmäch- tigter benannt wird. Nach dem Ent- wurf von Zöller und Faust gilt die Pa- tientenverfügung auch nach dem Ver- lust der Einwilligungsfähigkeit. Al- lerdings bedürfe die Willensbekun- dung des Patienten der Auslegung.

Fälle, in denen der Betreuer eine Be- handlung ablehnt, obwohl der Arzt diese unter Berücksichtigung der Pa- tientenverfügung ausdrücklich befür- wortet, müssten in einem gerichtli- chen Verfahren überprüft werden.

Nach dem Bosbach-Entwurf soll ein beratendes Konsilium aus Arzt, Be- treuer, Pflegepersonen und Angehöri- gen klären, ob ein Behandlungsab- bruch in der gegebenen Situation wirklich dem Willen des Betroffenen entsprochen hätte. Falls nach einer Beratung im Konsilium zwischen Arzt und Betreuer verschiedene An- sichten bestehen, soll das Vormund- schaftsgericht entscheiden.

Der Stellungnahme der Palliativ- mediziner zufolge werden alle Lö- sungen, die für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines Patien- ten vorgeschlagen werden, keine endgültige Sicherheit geben können.

„Der ermittelte Wille wird – auch im besten aller Fälle – ein mutmaßli- cher Wille sein.“ Begriffe wie „Hei- lung ausgeschlossen“, „unmittelbare Sterbephase“ oder „lebensverlän- gernde Behandlung“ seien nicht ein- deutig definiert und würden auch unter medizinischen Experten unter- schiedlich ausgelegt. Der Umgang mit Patientenverfügungen kann nach Auffassung der Palliativmedi- ziner nur unter bestimmten Voraus- setzungen gelingen:

Die Grundsätze der Bundesärzte- kammer zur Sterbebegleitung müs- sen allen Ärzten bekannt sein. Die Er- fahrungen zeigten jedoch, dass dies PATIENTENVERFÜGUNGEN

Gesetzliche Regelung – pro und kontra

Die Evangelische Kirche und vier Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin beteiligen sich an der Diskussion über Patientenverfügungen. Bieten diese tatsächlich Rechtssicherheit, oder ist die Sicherheit nur vorgetäuscht? Die Meinungen gehen auseinander.

*Prof. Dr. med. Eber- hard Klaschik, Zentrum für Palliativmedizin, Rheinische Friedrich- Wilhelms-Universität Bonn Prof. Dr. med. Friede- mann Nauck, Abteilung Palliativmedizin, Zentrum Anästhesio- logie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August- Universität Göttingen Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Aachen Prof. Dr. med. Ray- mond Voltz, Klinik und Poliklinik für Palliativ- medizin, Klinikum der Universität zu Köln

Die Grundsätze der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung

müssen allen Ärzten bekannt sein.

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A2236 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 33⏐⏐17. August 2007

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aben Sie schon einmal jeman- dem beim Warten zugesehen, der wahnsinnige Schmerzen auf- grund einer eben erlittenen offenen Unterarmfraktur hat? So sitze ich also neben dem jungen Patienten, der schreit und weint, weil er die Schmer- zen nicht mehr aushält, höre im Funk, dass mir ein etwa 15 Minuten entfern- ter Notarzt zugewiesen wird, und ma- che mir nun Gedanken darüber, wie ich die Zeit bis zu dessen Eintreffen am Notfallort verbringe [. . .].“ Die- ser Kommentar eines Rettungsassis- tenten (RA)* unterstreicht das Di- lemma vieler Rettungsassistenten:

Sie wollen ihre Fähigkeiten am Ein- satzort anbringen, ihnen fehlt aber eine eindeutig zugewiesene Kompe- tenz. „Im Vordergrund der Überle- gungen der Fachkräfte im Einsatz steht dann nicht die Frage, was dem Patienten hilft, sondern welche Maß- nahmen ihnen erlaubt sind“, sagt Jens Ackermann.

Ackermann war selbst jahrelang als Rettungsassistent tätig, bevor er als Abgeordneter für die FDP in den Bundestag einzog. Letztes Jahr stell- te er federführend für seine Fraktion einen Antrag zur „Novellierung des Rettungsassistentengesetzes“, der vor Kurzem im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur An- hörung stand. Das Ziel Ackermanns:

Assistenten sollen ihre Fähigkeiten am Notfallort zum Einsatz bringen können, wofür ihre Kompetenzen ausgeweitet werden müssen. Bislang sei das Berufsfeld des Rettungsassis- tenten unzureichend definiert und die Berufsbezeichnung missver- ständlich. Der Deutsche Bundestag, heißt es in dem Antrag, fordere des- halb die Bundesregierung auf, das Rettungsassistentengesetz von 1989 zu überarbeiten. Dabei seien die Vor- schläge der Ständigen Konferenz für den Rettungsdienst aufzugreifen (siehe Kasten).

Wer soll was dürfen?

Dass Ackermann das Thema wieder aufgenommen und eine Novellie- rung des Gesetzes gefordert hat, stößt bei allen betroffenen Berufs- gruppen und bei den politischen Parteien auf Zustimmung. Der Teu- fel steckt jedoch im Detail. Schließ- lich geht es bei der gesamten Thematik auch um die Frage, ob und wenn ja welche Kompetenzen Notärzte an Rettungsassistenten ab- geben sollten. Und es geht um die Frage, ob die jetzige Notkompetenz in eine Regelkompetenz umgewan- delt werden soll.

Derzeit können Rettungsassisten- ten – ist der Notarzt in adäquater Zeit nicht greifbar – ärztliche Maßnahmen ergreifen, die den Gesundheitszu- stand des Patienten verbessern. Vor- aussetzung dafür ist, dass der Assis- REFORM DES RETTUNGSASSISTENTENGESETZES

Schwierige Gratwanderung

Das Paragrafenwerk von 1989 hat sich überholt, befand ein FDP-Abgeordneter – und stellte einen Antrag auf Novellierung.

Darin geht es auch um die brisante Frage, wie weit die Kompe- tenzen von Rettungsassistenten reichen sollen.

*entnommen dem Online- Forum des Deutschen Ärzteblattes, Kategorie

„Vermischtes“

vom 7. Juli 2007

Fotos:dpa

nur bei einer Minderheit der Ärzte der Fall sei. Die Begriffe passive und in- direkte Sterbehilfe müssten in juristi- schen und medizinischen Texten ge- strichen werden. In der Stellungnah- me wird empfohlen, an die Stelle von passiver Sterbehilfe den Begriff

„Sterben lassen“ oder besser noch

„Sterben zulassen“ zu verwenden.

Anstelle des Begriffs indirekte Ster- behilfe sollte von „Therapien am Le- bensende“ gesprochen werden. Der Begriff aktive Sterbehilfe sollte durch Euthanasie ersetzt werden.

Für den Umgang mit Patienten seien Fähigkeiten und Kompeten- zen erforderlich, die sich nicht ein- fach durch gesetzliche Vorgaben zum Umgang mit dem geäußerten Patientenwillen einstellen werden.

Der Erwerb dieser Kompetenzen könne mittel- und langfristig nur durch eine Änderung der Approbati- onsordnung erreicht werden, indem das Fach Palliativmedizin zum prü- fungsrelevanten Pflichtfach im Me- dizinstudium werde.

Bei Patientenverfügungen han- delt es sich um ein Instrument, das für Entscheidungen am Lebensende herangezogen werden soll. Bisher liegen jedoch nach Ansicht der Pal- liativmediziner nur wenige For- schungsergebnisse vor, inwieweit die Wünsche und Einstellungen der Patienten in den Formulierungen der Patientenverfügungen dargestellt werden. Aus ersten Studien in den USA ging hervor, dass etwa ein Drit- tel der Patienten, die eine klare Pati- entenverfügung ausgefüllt hatten, die Frage, ob sie ihrem Arzt doch Entscheidungsfreiheit einräumten, mit Ja beantwortete. In der Regel sei es unklar, ob beziehungsweise in- wieweit die Patienten zum Zeitpunkt der Formulierung der Patientenver- fügung über alle notwendigen Infor- mationen verfügt haben, um die Tragweite der festgehaltenen Verfü- gung zu überblicken. Letztendlich sei es also nicht sicher, inwieweit die Patientenverfügung tatsächlich dem mutmaßlichen Patientenwillen ent-

sprechen könne. I

Gisela Klinkhammer

Die Stellungnahmen, Gesetzentwürfe und die Grundsätze der BÄK im Inter- net: www.aerzteblatt.de/plus3307

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