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Archiv "Fortpflanzungsmedizin: Gesetzliche Regelung gefordert" (05.09.2008)

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A1818 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 365. September 2008

P O L I T I K

I

n Deutschland sind etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Paare ungewollt kinderlos und benötigen ärztliche Hilfe, um ihren Kinderwunsch zu er- füllen. Im Jahr 2006 unterzogen sich nach Angaben des Deutschen IVF- Registers (DIR) 38 551 Frauen einer Behandlung durch In-vitro-Fertilisa- tion (IVF). Den gesetzlichen Rah- men, in dem Ärzte und Biologen in Deutschland arbeiten dürfen, bietet das Embryonenschutzgesetz. Doch dieses Gesetz ist inzwischen 17 Jah- re alt, „und der wissenschaftliche Sachstand in der Reproduktionsme- dizin hat große Fortschritte ge- macht“, schreibt Prof. Dr. med.

Klaus Diedrich, Lübeck, in der Ein- leitung zu einem im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erarbeite- ten Gutachten, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt und am 9. Sep- tember in Berlin vorgestellt wird. In diesem Gutachten fordern die Auto- ren ein Gesetz, das die Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin in den letzten Jahren berücksichtigt.

Zu den neuen regelungsbedürfti- gen Behandlungen gehört ihrer An- sicht nach der sogenannte elektive Single-Embryo-Transfer (eSET), bei dem lediglich ein Embryo (aus meh- reren durch IVF gezeugten Embryo- nen) nach Beurteilung mittels Licht- mikroskop ausgewählt und in die Gebärmutter der Patientin transfe- riert wird. „Durch dieses Vorgehen ist es möglich, die Kinderwunsch- behandlung zu optimieren, bei gleichzeitig größtmöglicher Reduk- tion des Risikos einer für Mutter und Kind gefährlichen Mehrlings- schwangerschaft“, erläuterte Died- rich. In Deutschland ist der eSET dagegen unzulässig, weil das Em- bryonenschutzgesetz festgelegt hat, dass bis zu drei Embryonen während eines Behandlungszyklus entstehen dürfen, alle entstandenen Embryonen aber transferiert werden

müssen. Eine Mehrlingsschwanger- schaft stelle grundsätzlich eine Risi- koschwangerschaft für Mutter und Kind dar: „Neben den Belastungen und Risiken für die Mutter in der Schwangerschaft und bei der Ge- burt steht im Zentrum der medizini- schen und ethischen Diskussion um den Problemkreis der Mehrlings- schwangerschaften nach IVF vor al- lem die Morbidität der Frühgebore- nen. Immerhin sind 30 Prozent der geborenen Drillinge mit leichten bis schweren Handicaps belastet.

Nur 70 Prozent der Drillingskinder werden nach zum Teil wochenlan- ger Intensivbetreuung den Eltern gesund übergeben“, stellen Priv.- Doz. Dr. med. Georg Griesinger et al. in dem Gutachten fest. Zur Ab- wehr der medizinischen, psychoso- zialen und ethischen Probleme für Mutter und Kind werde seit Beginn der 80er-Jahre das „therapeutische“

Prinzip der „Reduktion“ oder des Totalabbruchs höhergradiger Mehr- linge praktiziert. „Der Begriff Re- duktion kaschiert die Tatsache, dass es sich stets um die Tötung eines oder mehrerer Embryonen oder Fe- ten handelt“, so Griesinger et al.

Europäische Nachbarländer

In den europäischen Nachbarlän- dern hätten rechtliche Rahmenbe- dingungen, die eine Auswahl und gegebenenfalls Verwerfung von Embryonen ermöglichen, den Weg zu einer breiten Anwendung des eSET geebnet. Aktuelle Daten stün- den allerdings nur für Schweden und Belgien zur Verfügung. In Schweden sei ab Beginn des Einsat- zes des eSET im Jahr 2001 die Inzi- denz von Mehrlingsgeburten nach IVF von 19,4 Prozent (2002) auf 5,7 Prozent (2004) gesunken. In Belgi- en darf seit 2003 bei Frauen unter 36 Jahren im ersten Behandlungszy- klus nur ein Embryo transferiert

werden. Nur nach frustraner Be- handlung und bei älteren Patientin- nen dürfen zwei oder drei Embryo- nen transferiert werden. Auch dort habe nach 2003 die Inzidenz an IVF-Mehrlingen drastisch abge- nommen.

Psychosoziale Beratung

Die Autoren des Gutachtens for- dern, die Übertragung eines einzel- nen, ausgewählten Embryos auch in Deutschland anzustreben und weite- re Sachverhalte gesetzlich zu re- geln. Solche überzähligen Embryo- nen sollten nach Auffassung Die- drichs für weitere Behandlungen des Kinderwunschpaares kryokon- serviert werden „und müssen nach Abschluss der fortpflanzungsmedi- zinischen Behandlungsmöglichkeit dem Absterbenlassen zugeführt werden“.

Bevor ein Kinderwunschpaar ei- ne morphologische Beobachtung und den eSET durchführen lässt, sollte ihnen zusätzlich zur ärztli- chen Information und Aufklärung eine psychosoziale Beratung ange- boten werden. Es sollte eine auf- sichtsführende Behörde benannt werden, und die Behandlungszen- tren sollten dazu verpflichtet wer- den, das Verfahren in einem zentra- len Register zu dokumentieren. In Verbindung damit sei eine Langzeit- beobachtung der nach eSET gebore- nen Kinder anzustreben, schlägt Prof. Dr. theol. Hartmut Kreß, Bonn, vor. Schließlich müssten in dem Gesetz auch grundsätzliche Anwendungsbedingungen wie der Arztvorbehalt oder die Festlegung der medizinischen Voraussetzungen

geregelt werden. I

Gisela Klinkhammer

FORTPFLANZUNGSMEDIZIN

Gesetzliche Regelung gefordert

Experten fordern ein Fortpflanzungsmedizingesetz, da das vor 17 Jahren in Kraft getretene Embryonenschutzgesetz ihrer Ansicht nach revidiert werden muss.

Das Gutachten „Reproduktionsme- dizin im internationalen Vergleich“

ist ab 9. September im Internet unter www.aerzteblatt.de/plus3608.

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