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Archiv "Fortpflanzungsmedizin: Eine stille Revolution" (20.06.2014)

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A 1122 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 25

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20. Juni 2014

FORTPFLANZUNGSMEDIZIN

Eine stille Revolution

Seit der Etablierung der In-vitro-Fertilisation hat sich in der Reproduk- tionsmedizin viel verändert. Der Deutsche Ethikrat hält eine neue gesellschaftliche Debatte über Chancen und Risiken für notwendig.

E

s galt als Schicksal, wenn frü- her eine Frau keine Kinder gebären konnte. Aber bereits in der Bibel wird ein „Wunder“ beschrie- ben: Durch Eingreifen Gottes be- kam Sarah, die Frau Abrahams, noch in hohem Alter ein Kind. Heu- te ist Kinderlosigkeit längst kein Schicksal mehr, und Paare sind auch nicht allein auf Gebete ange- wiesen: Zahlreiche Kinderwunsch- Zentren bieten in Deutschland künstliche Befruchtungen an. Das erste „Retortenbaby“ wurde 1978 gezeugt. Mittlerweile kommen hierzulande jährlich etwa 10 000 Kinder durch assistierte Reproduk- tion zur Welt − ein Segen für viele Paare. Es häufen sich aber auch die Anfragen von Frauen, die das „Kin- der kriegen“ auf ein höheres Le- bensalter verschieben möchten – ohne auf ihre Fruchtbarkeit zu ver- zichten. Auch dies ist heutzutage möglich. Denn die Entwicklung in der Fortpflanzungsmedizin geht (still) Jahr für Jahr weiter und wirft dabei neue ethische und rechtliche Fragen auf. Der Deutsche Ethikrat stellte diese Ende Mai in Berlin in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Jahrestagung.

Gesellschaftliche Relevanz

„Wie ändert sich unser Verständnis von Selbstbestimmung, Familie und Gesellschaft? Welche Chancen und welche Probleme können Ei- zellspende, Leihmutterschaft und das langfristige Einfrieren eigener Eizellen, das sogenannte Social Freezing, mit sich bringen? Und welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus?“, fragte Prof. Dr. med.

Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Dabei betonte sie, dass es bei der Fort- pflanzungsmedizin nicht nur um die Selbstbestimmung des Einzelnen

gehe, sondern auch um gesell- schaftliche Verantwortung.

Fertige Antworten gab es an die- sem Tag jedoch weder von den Mit- gliedern des Ethikrates noch von den anwesenden Politikern. Deut- lich wurde allerdings, dass ange- sichts der Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin eine erneu- te breite gesellschaftliche Diskussi- on notwendig ist. Zudem existiert nach Ansicht vieler Experten ge- setzlicher Handlungsbedarf, da das geltende Embryonenschutzgesetz einige der neuen Möglichkeiten gar nicht oder nur unzureichend regelt.

Was sich innerhalb der Fort- pflanzungsmedizin allein in den letzten Jahren getan hat, erläuterte der Lübecker Reproduktionsmedi- ziner Prof. Dr. med. Georg Griesin-

ger: So sei die bei einer Eizellspen- de unvermeidbare vorherige Hor- monbehandlung optimiert worden.

„Gefährliche hormonelle Übersti- mulationen können mittlerweile na- hezu völlig vermieden werden“, er- läuterte er. Auch neue Methoden der Selektion von entwicklungsfä- higen Embryonen seien inzwischen teilweise auch in der Routine einge- führt worden.

Griesinger wies zudem auf einen neuen „Trend“ hin: auf das „Social Freezing“, das vorsorgliche Einfrie- ren unbefruchteter Eizellen für eine spätere Schwangerschaft. Möglich machten es neue hocheffiziente Schockgefriermethoden, erklärte der Fortpflanzungsmediziner. Frau- en können so unbefruchtete Eizel- len in jüngeren Jahren einfrieren und den Kinderwunsch erst jenseits des 40. Lebensjahres umsetzen, wenn beispielsweise der passende Partner gefunden oder ein Karriere- schritt abgeschlossen ist.

Neu: „Sozial Freezing“

Die Teilnehmer der Ethikrat-Jahres- tagung bewerteten das „Social Freezing“ ganz unterschiedlich.

Während sich die Befürworter, wie die Medizinethikerin Prof. Dr.

med. Claudia Wiesemann, wehr- ten, dieses als „Lifestyle-Angebot“

zu stigmatisieren, befürchteten an- dere neue soziale Zwänge für Frau- en. Woopen stellte die Frage, ob die Methode ein Segen sei oder der Versuch, eine schlechte Vereinbar- keit von Familie und Beruf in einer Leistungsgesellschaft auf Kosten der Mütter und ihrer Kinder zu lösen.

Dass das „Social Freezing“

rechtlich nicht geregelt sei, gab Prof. Dr. jur. Dagmar Coester-Walt- jen von der Universität Göttingen zu bedenken. Sie forderte eine Re- form des Fortpflanzungsmedizinge- setzes. Neu geregelt werden müss- ten nach ihrer Ansicht auch die Ei- zellspende, die Leihmutterschaft sowie die zeitliche Begrenzung für die Kryokonservierung von Zellen, wobei sie sich für eine Liberalisie- rung aussprach. Zudem plädierte sie für ein bundesweites Register, damit Kinder ihre Abstammung er-

fahren können.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Deutlich ausge-

weitet hat sich die Gefrierlagerung von Keimzellen und Em- bryonen − bis hin zum „Sozial Free- zing“.

Foto: picture alliance

P O L I T I K

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