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Archiv "„Zwangsernährung“ muß neu geregelt werden" (08.01.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen KURZBERICHTE

Pharma-Industrie

verteidigt Tierversuche

Tierversuche sind für die for- schende pharmazeutische Indu- strie auch in Zukunft unverzicht- bar, sollen der medizinische Fort- schritt gefördert und das interna- tional hohe Niveau der Arzneimit- telversorgung gehalten werden.

Dies stellte dar Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) anläßlich eines Pressege- sprächs am 11. Dezember 1981 in

Frankfurt fest.

Trotz gestiegener Forschungsakti- vitäten sei es gelungen, den Ge- samtbedarf an Versuchstieren in der Arzneimittelforschung inner- halb von drei Jahren um 15 Pro- zent auf knapp 3,5 Millionen Tiere jährlich zu senken. 90 Prozent der bei experimentellen Versuchen eingesetzten Tiere sind Ratten und Mäuse, weitere sechs Prozent entfallen auf andere Nagetiere.

Der BPI ist zuversichtlich, daß sich der Einsatz von Versuchstieren weiter verringern werde, wenn ei- nerseits der Gesetzgeber und die Kontrollbehörden nicht zusätzli- che Tests forderten, andererseits die Versuchstierhaltung verbes- sert werde. Es müsse erreicht wer- den, „möglichst einheitlich reagie- rende Tiere" zu gewinnen, so daß die Zahl der Tiere pro Versuchsrei- he bei gleichbleibender statisti- scher Aussagekraft vermindert werden könne. Die Industrie weist darauf hin, daß „nichtschmerzfä- hige Materie" bereits bei der Pro- duktion und Forschung zuneh- mend eingesetzt werde. In größe- rem Umfange würden auch Gewe- bekulturen genutzt, um Impfstoffe zu erzeugen. Auch bei der Bear- beitung bestimmter Probleme in der Krebsforschung sowie bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen Infektionen durch Bakte- rien und Viren hätten sich In-vi- tro-Methoden wie Gewebekultu- ren bereits bewährt. Weitere Ein- satzmöglichkeiten böten Sicher- heitsuntersuchungen neuer Arz-

neistoffe auf Kanzerogenität und Mutagenität.

Die Bevölkerung ist Tierversuchen gegenüber weitaus aufgeschlos- sener, als bisher vermutet oder be- hauptet wurde. Nach einer reprä- sentativen Emnid-Untersuchung im Auftrag des BPI (vom Februar 1981) bejahen 80 Prozent der Be- völkerung Tierversuche in der Pharmaforschung, weitere 18 Pro- zent haben Einwendungen und zwei Prozent sind dazu ohne Mei- nung. Die Zahl der Gegner von Tierversuchen halbiert sich nach Kenntnis der Tatsache, daß in der Industrie zu 90 Prozent Ratten und Mäuse bei tierexperimentellen Ar- beiten verwandt werden.

Bemerkenswert allerdings ist, daß sich die kompromißlosen Gegner an Tierversuchen vor allem in der heranwachsenden Generation (14- bis 24jährige) häufen, die zu fast 20 Prozent Tierversuche ablehnen

— eine Altersgruppe also, deren Angehörige sich in der Regel be- ster Gesundheit erfreuen, kom- mentiert der Pharmaverband. Al- lerdings hielten sogar 33 Prozent dieser Bevölkerungsschicht auch das Töten von Tieren zur Gewin- nung von Lebensmitteln und Be- kleidung für nicht gerechtfertigt, während diese Nutzung der Tiere von lediglich 24 Prozent abgelehnt wird.

Prof. Dr. med. Martin Kramer, To- xikologe der Firma Hoechst AG, Frankfurt, schätzt, daß 20 Prozent der eingesetzten Tiere im Bereich der Verträglichkeitsprüfungen ein- gespart werden könnten, wenn künftig auf überaltete Versuchs- reihen verzichtet würde. Er mach- te sich für einen internationalen Konsens stark, denn die Anforde- rungen an die tierexperimentelle Erprobung von Arzneimitteln sei- en weltweit durch Gesetze gere- gelt. Zudem sei die deutsche phar- mazeutische Industrie exportab- hängig. Nach Darstellung des BPI ist es unrealistisch anzunehmen, daß „alternative Testmethoden"

die Tiere in der Arzneimittelfor- schungvöllig ersetzen könnten. HC

„Zwangsernährung"

muß neu geregelt werden

Die gesetzliche Regelung der Zwangsernährung von Gefange- nen hat in der Praxis zu erhebli- chen Schwierigkeiten geführt und muß geändert werden. Dabei ist die freie Willensentscheidung des Gefangenen grundsätzlich zu ak- zeptieren; Zwangsernährung ge- gen den körperlichen Widerstand des Gefangenen findet nicht statt;

die bisherige Abstufung der Vor- aussetzungen, unter denen der Staat zur Zwangsernährung zu- nächst berechtigt und dann auch verpflichtet ist, insbesondere die Unterscheidung zwischen Lebens- gefahr und akuter Lebensgefahr, wird aufgegeben. Andererseits soll der Staat zu medizinischer Er- nährung des bewußtlosen Gefan- genen weiterhin berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet sein.

Diese Feststellungen entsprechen der wohl einhelligen Auffassung der Teilnehmer des 6. Symposions für Ärzte und Juristen, das die Kai- serin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen in Berlin zum Thema „Zwangsernäh- rung und Zwangsbehandlung von Gefangenen" veranstaltete. Die Vorschläge decken sich in der Tendenz mit einem Gesetzentwurf des Bundesrates vom Februar 1978, der jedoch in der letzten Wahlperiode des Bundestages nicht mehr beraten wurde.

In der zweitägigen Veranstaltung berichteten aus verschiedenen Bundesländern mehrere im Justiz- vollzug tätige Ärzte und Juristen, ein Verteidiger sowie ein Intensiv- mediziner und ein Ernährungsspe- zialist. Übereinstimmend waren die Ärzte der Auffassung, daß Zwangsernährung gegen den kör- perlichen Widerstand des Gefan- genen wohl immer mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbunden ist.

Die geltende Regelung der Zwangsernährung in § 101 des Strafvollzugsgesetzes erläuterte Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 1 vom 8. Januar 1982 65

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen KURZBERICHTE

der Berliner Strafrechtler Prof. Dr.

Klaus Geppert. Aufgrund der Aus- sage der Ärzte über die Gefähr- lichkeit der Zwangsernährung ge- gen den körperlichen Widerstand des Gefangenen kam er zu dem Ergebnis, daß die jetzige gesetzli- che Regelung die Zwangsernäh- rung nur scheinbar in umfassen- dem Maße gestattet. Da schon nach geltendem Recht die Zwangsernährung nicht mit er- heblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gefangenen ver- bunden sein darf, läuft die gesetz- liche Regelung nach Ansicht Gep- perts weitgehend leer. Die Ärzte könnten daher, so meinte er, mit dieser Regelung durchaus leben.

Auch Geppert plädierte jedoch für eine Änderung, da die jetzige Re- gelung unehrlich sei.

Aufgrund der Erfahrungen bei frü- heren sogenannten Hungerstreiks wurden auch die Schweigepflicht von Anstaltsärzten, das Einsichts- recht der Gefangenen in die Kran- kenunterlagen sowie die Abord- nung von Ärzten in Haftanstalten diskutiert.

Regelungen und Erfahrungen im westlichen Ausland, insbesondere in Großbritannien, über die Dr.

Thomas Weigend vom Max- Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg (Breisgau) berichtete, bieten für die Lösung der deut- schen Probleme keine Hilfe.

Entgegen verbreiteter Auffassung gibt es auch keine einheitliche

„englische Lösung". Dort ist die Entscheidung bei unklarer rechtli- cher Regelung letztlich in die Hand des Anstaltsarztes gelegt.

Die Konferenz der Länderjustizmi- nister ist sich nach Mitteilung des Senatsdirektors in der Berliner Ju- stizverwaltung, Alexander von Stahl, darin einig, daß eine gesetz- liche Neuregelung im Einverneh- men mit den ärztlichen Organisa- tionen anzustreben ist. Ins einzel- ne gehende Überlegungen seien jedoch noch nicht akut. JK

Hessen: 25 Jahre Landesärztekammer

In einer Feierstunde gedachte die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen An- fang Dezember 1981 des 25jähri- gen Bestehens der Landesärzte- kammer als Körperschaft des öf- fentlichen Rechts.

In Anwesenheit von Sozialminister Armin Clauss erinnerte der Präsi- dent der Landesärztekammer, Dr.

Wolfgang Bechtoldt, an die schwierigen Anfänge in Hessen, wo sich zwar schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrie- ges in Frankfurt, Kassel, Marburg, Gießen, Darmstadt und Wiesba- den Ärztekammern gebildet hat- ten; die bereits Anfang 1946 ge- plante Gründung einer „Ärztekam- mer Großhessen" scheiterte aber an innerärztlichen Meinungsver- schiedenheiten über die Frage, ob das neue Gebilde hoheitliche Auf- gaben ausführen und den ganzen ärztlichen Berufsstand repräsen- tieren sollte oder nicht.

So kam es, daß sich – ebenfalls auf hessischem Boden – bereits An- fang 1947 die Bildung der „Ar- beitsgemeinschaft der westdeut- schen Ärztekammern" (der heuti- gen Bundesärztekammer) an- bahnte, während die sechs hessi- schen Ärztekammern erst im De- zember 1949 zur „Landesärzte- kammer Hessen e. V." zusammen- fanden. Körperschaft des öffentli- chen Rechts wurde sie dann erst 1956.

Kammerpräsident Dr. Bechtoldt zeichnete in seiner Festrede diese Geschichte nach und stellte dabei unter anderem auch die Leistun- gen seiner Amtsvorgänger sowie aller ärztlichen Kollegen heraus, die in den letzten 25 Jahren daran mitwirkten, daß die Landesärzte- kammer Hessen ihre Aufgaben für die hessische Ärzteschaft, aber auch ihre gesellschaftlichen und sozialen Verpflichtungen gegen- über dem Land und seinen Bür- gern erfüllen konnte. lnsbesonde-

re dankte Dr. Bechtoldt dem Hauptgeschäftsführer Dr. Horst Joachim Rheindorf, der seit mehr als 28 Jahren „dabei" ist und auf dessen Initiative weitgehend die Gründung der Akademie für ärztli- che Fortbildung und Weiterbil- dung der Landesärztekammer Hessen in Bad Nauheim zurückzu- führen sei.

Staatsminister Clauss erkannte in seiner Rede an, „daß trotz unter- schiedlicher Meinungen in einzel- nen gesundheitspolitischen Fra- gen bei den entscheidenden Pro- blemen der Volksgesundheit keine grundsätzlichen Differenzen in der Auffassung bestanden und be- stehen".

Die öffentlich-rechtlichen Körper- schaften hätten auch für die Zu- kunft, sagte Clauss, die ganz be- sondere Verpflichtung, sich bei al- lem Verständnis für legitime Stan- desinteressen auch der Gesamt- verantwortung im Staat bewußt zu sein. Dies werde sich auch in der nahen Zukunft zeigen, in der auch das Gesundheitswesen sich den veränderten Rahmenbedingungen durch den Strukturwandel der Volkswirtschaft werde anpassen müssen.

Zur Kostendiskussion meinte Clauss, man könne heute in eini- gen Bereichen bereits eine über das Notwendige hinausgehende Überversorgung feststellen. Daher gebe es keinen Anlaß, irgendeinen Bereich bei der Kostendiskussion auszunehmen. Man werde sich auch wieder daran erinnern müs- sen, erklärte Clauss, „daß gleiche Erfolge in der Medizin auch ohne überhöhten technischen Aufwand und ohne einen so hohen Arznei- mittelverbrauch möglich sind." EB

BLÜTENLESE

Tarifpolitik

„Ein Amt ohne guten Sold macht Diebe."

(Altes chinesisches Sprich- wort)

66 Heft 1 vom 8. Januar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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