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Archiv "Chefarztverträge: Einfach mal Nein sagen" (02.11.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 44

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2. November 2012 A 2153

E

s hat relativ lange gedauert, bis die möglichen ge- fährlichen Folgen der neuen Motivationshilfen für Chefärzte so richtig zutage getreten sind. Bereits 2002 empfahl die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) den Krankenhausleitungen mit der Neufassung ihres Chefarzt-Mustervertrages erstmals, mit den Chef- ärzten erfolgsabhängige Boni zu vereinbaren. Diese sollten unter anderem ausgezahlt werden, wenn deren Abteilungen definierte Mengenziele erreichten. Doch erst mit dem jüngst bekanntgewordenen Transplanta - tionsskandal in Göttingen (der Chefarzt erhielt für jede transplantierte Leber einen Bonus) ist vielen Menschen bewusst geworden, welche unmoralischen Anreize die- se Klauseln setzen und was sich daraus ergibt.

Die Bundesärztekammer (BÄK), der Verband der Leitenden Krankenhausärzte (VLK) und der Marburger Bund hatten schon damals gemahnt: „Insbesondere die Bindung der dem Chefarzt eingeräumten möglichen Boni an die Einhaltung von vorrangig ökonomisch aus- gerichteten Zielgrößen ist höchst bedenklich und daher abzulehnen“, schrieben die drei Organisationen in einer Stellungnahme. Aufhalten konnten sie den Trend zu den neuen Chefarztverträgen damit nicht. Die DKG hat erst jetzt, ausgelöst durch die kritische Berichterstat- tung in den Medien, angekündigt, ihre Formulierungs- hilfe für Chefarztverträge zu überarbeiten: „Es sollte insgesamt überprüft werden, ob es notwendig ist, finan- zielle Anreize für einzelne Operationen oder Leistun- gen zu vereinbaren, oder nicht vielmehr auf eine bud- getäre Gesamtverantwortung umzustellen ist“, heißt es in einem DKG-Rundschreiben an die Krankenhäuser.

Um kritische Vorgaben in Chefarztverträgen „brei- testmöglich“ zu identifizieren, haben die BÄK und der VLK soeben eine Kontaktstelle „Zielvereinbarung (Chef-)Arztverträge“ eingerichtet. Fragwürdige Passa- gen aus Arbeitsverträgen werden hier gesammelt und auf rechtlich oder ethisch-moralisch zweifelhafte Inhal- te geprüft. Besonders kritische Inhalte sollen zudem veröffentlicht werden, um dem Abschluss solcher Ver- einbarungen möglichst frühzeitig entgegenzuwirken.

Im Gespräch mit Personalberatern erfährt man schnell, dass inzwischen fast jeder neue Chefarztver- trag fallzahlabhängige Boni vorsieht. Aber diese Ent- wicklung ist nicht unumkehrbar. Es darf daran erinnert werden, dass ein Vertrag eine gegenseitige Selbstver- pflichtung darstellt, die freiwillig zwischen zwei Partei- en geschlossen wird. Anders gesagt: Niemand zwingt den Arzt, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, der bedenkliche Anreize setzt. Gerade in einer Zeit, in der topqualifizierte Ärzte knapp sind, sollte der ange- hende Chefarzt vielmehr selbstbewusst auftreten und auf Änderungen pochen. Als alternative Parameter für erfolgsabhängige Bonuszahlungen bieten sich etwa die Senkung der Komplikations- und Infektionsraten in der Abteilung, schnellere Wechselzeiten im OP, eine aus - gezeichnete Mitarbeiterführung, die Einhaltung der Weiterbildungszeiten oder auch die Verringerung des Krankenstands in der Abteilung an.

Dass die Gefahren fallzahlabhängiger Boni für Chef- ärzte erst zehn Jahre nach ihrer Einführung so ausführ- lich diskutiert werden, zeigt vielleicht aber auch, wie verantwortungsbewusst die meisten Chefärzte mit die- ser Klausel leben. Sie lassen sich eben nicht für ein paar Tausend Euro korrumpieren, sondern sind sich be- wusst, dass das Patientenwohl über allem steht. Denn jede unnötige Operation ist eine Körperverletzung.

CHEFARZTVERTRÄGE

Einfach mal Nein sagen

Jens Flintrop

Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik

S E I T E E I N S

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