Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 5⏐⏐30. Januar 2009 A163
A K T U E L L
Die Bundesregierung will Kinder und Jugendliche in Deutschland besser vor Misshandlung und Ver- nachlässigung schützen. Das Bun- deskabinett beschloss Mitte Januar den Entwurf eines Kinderschutzge- setzes, das bei Anhaltspunkten für
eine Kindeswohlgefährdung die ärztliche Schweigepflicht lockert.
Darüber hinaus sollen Jugendämter stärker in die Pflicht genommen werden. Nach Angaben des Bundes- familienministeriums sollen Ärzte künftig bei Hinweisen auf eine aku- te Gefährdung des Kindeswohls auch ohne Zustimmung der Eltern das Jugendamt informieren können.
Dieser Bruch der Schweigepflicht
werde dann weder verfolgt noch be- straft, sagte ein Ministeriumsspre- cher. „Wer Kinderschutz im ärztli- chen Alltag realisieren will, darf nicht von der Schweigepflicht aus- gebremst werden“, betonte auch Dr.
med. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
„Kinderrecht geht vor Datenschutz.
Das neue Gesetz bringt dafür die nötige Klarheit.“
Jugendämter sind dem Gesetz- entwurf zufolge verpflichtet, mögli- cherweise gefährdete Kinder in Au- genschein zu nehmen. So sollen die Amtsmitarbeiter sich in jedem Fall einen unmittelbaren Eindruck vom Kind und dessen Umfeld verschaf- fen, statt sich zum Beispiel durch Ausreden fortschicken zu lassen oder sich aus anderen Gründen al- lein auf die Aktenlage zu stützen.
Bei einem Umzug eventuell ge- fährdeter Familien soll das bisher zuständige Amt neben den Akten auch mündlich Informationen an das Jugendamt am neuen Wohnort weitergeben. So soll verhindert wer- den, dass sich Familien durch soge- nannte Jugendamts-Hopping einer Kontrolle entziehen. sun
Striktes Rauchverbot in Bayerns Gaststätten – das ist nun Ge- schichte. Zunächst sah sich das Land mit seinen strengen Regeln in Bezug auf das Rauchen als Vorrei- ter – ja sogar als gutes Beispiel – für andere Bundesländer. Schließ- lich seien die Gesetze verfassungs- konform, verkündete man noch stolz. Nun, nach der Wahl, macht die bayerische Regierung einen Rückzieher. Dabei hatten die Bay-
ern sich mit der strengsten Raucher- regelung in Deutschland bereits ganz gut arrangiert – indem sie diese umgingen. Zahlreiche Rau- cherklubs wurden gegründet. Oder eher: Die Gastronomie nannte sich selbst einfach so – und in nicht öffentlichen Räumen ist das Rau- chen ja erlaubt. Hier trafen sich die Freunde der Zigarette und die resi- gnierten Nichtraucher und konnten in gewohnter Atmosphäre gemein- sam trinken und gleichzeitig Rauch einatmen.
Dennoch einigte sich die neue bayerische Regierung kürzlich auf eine Lockerung der Gesetze. Bisher war das Rauchen in allen Gast- stätten und Diskotheken verboten, künftig wird es dort in Nebenräu- men wieder erlaubt sein. Kleinere Kneipen mit nur einem Raum dürfen sich zur Raucherkneipe erklären.
Allerdings haben Jugendliche dann keinen Zutritt.
Jeder Wiesn-Fan kann nun auch wieder aufatmen – aber eben nicht durchatmen: In allen Bierzelten wird das Rauchen uneingeschränkt ge- stattet. Da dürfen dann auch die Jugendlichen die Luft der großen weiten Raucherwelt einatmen.
Und größere Kneipen ohne Ne- benraum? Die können sich dann ei- gentlich weiterhin Raucherklub nen- nen, und dann darf dort auch wei- terhin geraucht werden. Das war’s wohl mit dem Nichtraucherschutz.
RANDNOTIZ
Sunna Gieseke
Mal ja, mal nein
Die vor dem finanziellen Aus ste- hende Privatuniversität Witten/Her- decke ist gerettet. Im Innovati- onsministerium des Landes Nord- rhein-Westfalen (NRW) wurde nach Angaben eines Sprechers ein Finan- zierungskonzept für die Hochschule verbindlich vereinbart.
Nach einem Bericht von „Welt Online“ wird die Universität mehre- re Gesellschafter erhalten, die den Finanzbedarf in den nächsten Jahren decken. Zum Kreis der Retter gehör- ten die Software AG Stiftung aus Darmstadt, die katholischen Diöze- sen Essen, Paderborn und Stuttgart, die Unternehmensberatung Droege International aus Düsseldorf, eine Initiative ehemaliger Hochschul-
absolventen sowie das Kuratorium und die Stiftung der Privatuniversi- tät, berichtete „Welt Online“ unter Berufung auf Verhandlungskreise.
Die Hochschule benötigt nach ei- nem eigenen Restrukturierungsplan rund 15 bis 17 Millionen Euro bis 2013/14. Im Dezember 2008 hatte NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) der Hochschule wegen angeblicher Mängel bei der Geschäftsführung Landeszuschüsse in Millionenhöhe gestrichen. Um eine drohende Pleite abzuwenden, stimmte die Hochschule daraufhin dem Einstieg neuer Partner zu. Die alte Leitung der Universität trat zurück, um den Weg für einen Neu- anfang frei zu machen. ddp UNIVERSITÄT WITTEN/HERDECKE
Neues Finanzierungskonzept vorgelegt
KINDERSCHUTZ
Lockerung der Schweigepflicht für Ärzte
Kinderschutz vor Daten- schutz:Ärzte haben mehr Handlungsspiel- raum, wenn der Verdacht auf Missbrauch besteht.
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