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Archiv "Gesundheitsund Sozialpolitik 1977-1978" (26.01.1978)

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Um Nah- und Fernwirkun- gen der Gesetzgebung des Jahres 1977 voll zu erken- nen, muß man ihren Inhalt gründlich analysieren und sie dann in Synthese mit Programmen, Forderungen und Thesen des gleichen Jahres zusammenführen.

Nur so ist eine Prognose möglich.

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Gesundheits- und

Sozialpolitik 1977-1978

Hans J. Sewering

Das Jahr 1977 war inhaltsreich, aber keineswegs erfreulich. Man kann diese Feststellung uneingeschränkt auch auf die Gesundheits- und Sozialpolitik übertragen. Neue Gesetze und neue Programme reihen sich wie eine Kette aneinander. Der interessierte Leser des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES ist über alles, was vom Deutschen Bundestag beschlossen oder von Verbänden und Parteien verlaut- bart wurde, bestens unterrichtet. Was wird sich aus diesem Jahr für 1978 und später ergeben?

Erinnern Sie sich: Am 1. Januar 1977 trat das Krankenversicherungs- weiterentwicklungsgesetz in Kraft. Mit ihm wurden die psychiatri- schen Krankenhäuser, ohne daß es einer Bedürfnisprüfung bedarf,

in die ambulante Versorgung eingeschaltet. Die Bedarfsplanung, ursprünglich nur zur Behebung von Unterversorgungen gedacht, wurde den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Krankenkassen zur gesetzlichen Auflage gemacht. Die kassen- ärztliche Fortbildung mit Teilnahmeverpflichtung wurde im Gesetz verankert und so ganz nebenbei den Ärzten die Möglichkeit genom- men, nur für die Ersatzkassen tätig zu sein. Mancher glaubte damals, es sei lediglich den „Rosinenpickern" unter den Ärzten eins ausge- wischt worden. In Wirklichkeit zeigt sich heute, daß es der Beginn einer Reglementierung und Einbeziehung der Ersatzkassen in das allgemeine Recht der RVO gewesen ist.

Im Juni veranstaltete der Bundesverband der Ortskrankenkassen in Hamburg seine große Heerschau, den „Ortskrankenkassentag". im Mittelpunkt seiner Beratungen und Beschlüsse standen die „Thesen und Forderungen zum Ortskrankenkassentag 1977". In seinem Schlußreferat, einen Tag vor der dritten Lesung des Kostendämp- fungsgesetzes im Deutschen Bundestag, erklärte der stellvertre- tende Vorstandsvorsitzende, DGB-Vertreter Alfred Schmidt:

„Kommt es zu einer definitiven Verabschiedung des Krankenversi- cherungs-Kostendämpfungsgesetzes, so sind wichtige Elemente der zukunftsweiten Überlegungen, die in den Arbeitskreisen angestellt wurden, schon Wirklichkeit und damit die Thesen, Forderungen usw., die erarbeitet und akzeptiert wurden, entsprechend realitäts-

Heft 4 vom 26. Januar 1978 153

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Gesundheits- und Sozialpolitik

nah: scheitert dagegen das Ko- stendämpfungsgesetz, dann sind die Verwirklichungschancen der zur Steuerung der Kostenentwick- lung zu entwerfenden Projekte wesentlich geringer."

Die Wünsche des Bundesverban- des der Ortskrankenkassen gin- gen in Erfüllung. Der Deutsche Bundestag verabschiedete mit sei- ner Koalitionsmehrheit das soge- nannte Kostendämpfungs- und Strukturverbesserungsgesetz. We- nige Tage später kapitulierten Saarland und Niedersachsen im Deutschen Bundesrat, so daß das Gesetz am 1. Juli in Kraft treten konnte. Sein Inhalt ist bekannt, seine Auswirkungen werden noch zu erörtern sein. Mit Befriedigung konnte jedenfalls der Bundesar- beitsminister, Dr. Ehrenberg, im

"Vorwärts" erklären, es seien we- sentliche Ziele des Mannheimer Parteitages (der SPD) erreicht worden.

DGB, ÖTV, SPD und BdO:

"Weitgehende Übereinstimmung"

Ende September veröffentlichte die Gewerkschaft ÖTV ihr "arbeitneh- merorientiertes" Gesundheitspoliti- sches Programm. Gegenüber den schon seit 1972 bekannten Plänen des Deutschen Gewerkschaftsbun- des (DGB) brachte es nicht viel Neu- es. Manches wurde aber noch präzi- siert. Wenige Wochen später verab- schiedete der Parteitag der Sozial- demokratischen Partei Deutsch- lands in Harnburg das gesundheits- politische Programm der SPD. Daß es, wie berichtet wurde, in vierzig Sekunden verabschiedet worden ist, spricht keineswegs gegen seine Bedeutung.

Dieser Verabschiedung gingen jah- relange detaillierte Vorarbeiten und u. a. zuletzt auch ein gesundheitspo- litischer Kongreß in Wiestladen vor- aus. Die dem Hamburger Parteitag zugegangenen Änderungsanträge zu diesem gesundheitspolitischen Programm forderten allesamt eine Verschärfung im Sinne sozialisti- scher Vorstellungen. Inhaltlich

brachte das Programm keine Über- raschungen. Es vertieft noch einmal die schon bekannten DGB-Vorstel- lungen von der Einführung eines

"integrierten Systems medizinischer

Versorgung". Kennzeichnend sind die Forderungen nach dem Medizi- nisch-Technischen Zentrum, dem Zentralinformationssystem, den me- dizinischen Gemeindezentren und schließlich der beachtliche Hinweis, daß selbstverständlich die ambulan- te Tätigkeit auch noch freiberuflich ausgeübt werden könne ...

Anfang Dezember veranstaltete dann der Bundesverband der Orts-

krankenkassen in Maria Laach sein schon traditionelles Presse- seminar. Die dort von Ruegenberg, Schmidt und Töns gehaltenen Re- ferate sind wertvolle Kommentare zu den SPD-Beschlüssen von Hamburg: sie erleichtern zugleich die Beurteilung der Auswirkungen des Kostendämpfungsgesetzes.

Schließlich trat dann kurz vor Weihnachten noch die in diesem Gesetz geforderte "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen" zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen.

..,. Eine wenig beachtete, aber um so bemerkenswertere Aussage ei- nes gesundheitspolitischen Spre- chers der SPD kennzeichnet die Tendenz des Jahres 1977: Er er- klärte, es bestehe weitgehende Übereinstimmung in den gesund- heitspolitischen Vorstellungen der SPD, des DGB und des Bundes- verbandes der Ortskrankenkas- sen. Sie würden sich nur in Details unterscheiden.

Analysen, Synthesen und Prognosen

Um Nah- und Fernwirkungen der Gesetzgebung des Jahres 1977 voll zu erkennen, muß man ihren Inhalt gründlich analysieren und sie dann in Synthese mit Program- men, Forderungen und Thesen des gleichen Jahres zusammen- führen. Nur so ist eine Prognose

möglich. Zwei wesentliche Fragen seien an dieser Stelle erörtert.

154 Heft 4 vom 26. Januar 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

1. Die Krankenversicherung und ihre Finanzen

Das Gesetz zur "Kostendämpfung und Strukturverbesserung" zeigt schon in der Überschrift seine bei- den Ziele. Wie steht es nun mit der Kostendämpfung? Während der parlamentarischen Beratungen im ersten Halbjahr 1977 wurden die Kostenentwicklung und die finan- zielle Lage der gesetzlichen Kran- kenversicherung in den schwärze- sten Farben gemalt. Das Kasten- dämpfungsgesetz wurde wie ein

Rettungsring dargestellt, der allein geeignet sei, dem Ertrinkenden die letzten Lebenschancen zu ge- ben. Der Gesetzgeber war dann auch entsprechend gründlich: Die Grundsätze, nach denen sich die kassenärztliche Honorierung in Zukunft entwickeln soll, wurden bis ins einzelne festgelegt, und es wurde mit restringierenden Be- stimmungen nicht gespart. Man beschränkte sich dabei nicht nur auf harte Vorschriften zur Begren- zung des Honorarwachstums, sondern bezog auch die Arznei- verordnungskasten mit ein, indem man im Gesetz vorschrieb, daß jährlich ein Arzneimittelhöchstbe- trag zu vereinbaren sei. Den ur- sprünglichen Gedanken, eine Überschreitung dieses Höchstbe- trages automatisch von der Ge- samtvergütung der Ärzte abzuzie- hen, ließ man schließlich fallen, weil man offenbar noch rechtzeitig bemerkt hat, daß man sich in den offenkundigen Bereich der Verfas- sungswidrigkeit begeben hätte.

Die von der Opposition vorge-

schlagene Alternative einer "Kon-

zertierten Aktion" wurde schließ- lich in der Endphase -zwar nicht anstatt der vorgesehenen Rege- lungen, dafür aber noch zusätzlich -in das Gesetz aufgenommen. Er-

gänzt wurden die Vorschriften über das Honorarwachstum durch die Einführung eines bundesein- heitlichen Bewertungsmaßstabes nach Punkten, auf den sich sämtli- che Krankenkassenarten mit der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung zu einigen haben.

• Fortsetzung auf Seite 158

(3)

Krankenhaus- finanzierung:

Die

Schlüsselrolle des Staates

Der noch unverbindliche Diskus- sionsentwurf des Bundesministe- riums für Arbeit und Sozialord- nung zur Novaliierung des Kran- kenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) umreißt, in welcher Weise das für die Novaliierung federfüh- rende Ministerium auch die Kran- kenhäuser in das gesetzliche Pro- gramm zur Kostenbegrenzung einzubinden versucht. Obgleich der Entwurf nicht bis ins einzelne ausformuliert ist und noch zahlrei- che Leerparagraphen enthält, läßt er zwei Ansatzpunkte erkennen, wie durch wirkungsvolle Bedarfs- planung und kostenbegrenzende Maßnahmen auf mittlere und lan- ge Sicht bei den Krankenhäusern für den "notwendigen" Kosten- schliff gesorgt werden soll: ..,.. Stärkere Planungsbeteiligung für die Krankenhausträger und Krankenkassen bei Beibehaltung der Planungsentscheidungen bei den Ländern;

..,.. stärkere inhaltliche und forma- le Vergleichbarkeit zwischen den Bedarfsplänen der Länder durch bessere gesetzliche Vorgaben so- wie laufende, intensive Abstim- mung zwischen Bund und Län- dern.

Alles deutet darauf hin, daß auf absehbare Zeit keine "großen Lö- sungen" zu verwirklichen sind. So soll es bei den bisher geltenden Grundsätzen der Krankenhausfi- nanzierung bleiben. Dies bedeu- tet: Die Investitionskosten werden wie bisher durch die öffentliche Hand finanziert, die Betriebsko- sten über die Pflegesätze getra- gen. Allerdings werden "flexiblere Lösungen" angestrebt, die das In- teresse der Krankenhausträger

und Verwaltungen an wirtschaftli- chem Verhalten stärken sollen.

Auch ist die Krankenhausbedarfs- planung (§§ 6, 7 KHG) jetzt vor den Vorschriften über die öffentliche Förderung aufgenommen und weiter ausgelastet worden.

Sosehr der Bund auch darauf be- dacht ist, den Gesetzesdruck auf die Krankenhäuser zu verstär- ken, so realistisch werden doch die Einflußmöglichkeiten einge- schätzt. Die Kompetenz des Bun- desgesetzgebers erstreckt sich gemäß Artikel 74 Nr. 19 a des Grundgesetzes bekanntlich nur auf "die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Rege- lung der Krankenhauspflegesät-

ze". Demnach respektiert der Ent-

wurf des Bundesarbeitsministe- riums, daß die Länder letzthin doch auf dem Gebiet der Kranken- hausbedarfsplanung autark blei- ben sollen, während bei der Fest- setzung der Pflegesätze den Kran- kenhäusern und Krankenkassen ein Verhandlungsrecht einge- räumt werden soll. Gleichzeitig soll auf eine Beteiligung der Kran- kenhäuser an den Investitionsko- sten verzichtet werden. Diese Ab- sichtserklärung zeigt, daß der

Bundesgesetzgeber offenbar aus den negativen Erfahrungen so- wohl mit dem Vermittlungsverfah- ren anläßlich der Verabschiedung des Krankenhausfinanzierungsge- setzes vom 29. Juni 1972 als auch aus dem Gerangel um das "Kran-

kenversicherungs-Kostendämp- fungsgesetz" gelernt hat, d~sen

Krankenhausteil auf Einspruch vor allem der Länder abgekoppelt worden ist.

Demnach bleibt auch bei der No- vellierung der Bundesgesetzgeber gehindert, Strukturfragen der Krankenhäuser zu regeln und be- stimmend in den Planungs-, Fi- nanzierungs- und Gesetzgebungs- bereich der Länder einzugreifen.

Deshalb kann das neue Gesetz wie bisher nur ein Rahmengesetz blei- ben, das keine Strukturfragen re- gelt. Notwendig ist es vielmehr, die Reformen der inneren Strukturen zu erleichtern und diese nicht et-

DER KOMMENTAR

wa durch finanztechnische Vor- schriften zu erschweren oder sie.

gar auszuschließen (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 1/1978, Seite 1 ff.). Durch die systematische Umstellung und die beabsichtigte Neuabgrenzung der Investitions- von den Benutzerkosten soll die Bedeutung der Krankenhauspla- nung mehr als bisher herausgeho- ben werden. Neu ist auch, daß die Länder zu "enger Zusammenar- beit" mit den Krankenhausgesell- schaften und den Spitzenverbän- den der gesetzlichen Krankenver- sicherung verpflichtet werden sol- len. Bisher besteht hier gemäß § 6 Absatz 1 KHG nur ein "Anhörungs- recht". Andererseits wird aber auch künftig mit dem nicht rechts- verbindlichen Wort "Zusammen- arbeit" kein "Einvernehmen" ge- fordert, wie das die Krankenkas- sen und Krankenhausträger für sich verlangen.

ln das bisherige Anhörungsverfah- ren sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Vertreter der privaten Krankenversicherung (PKV) und die kommunalen Spit- zenverbände neu aufgenommen werden. Für die KVen soll dies wohl im Hinblick auf die notwendi- ge Abstimmung mit der Kranken- hausbedarfsplanung für den am- bulanten Bereich geschehen. Die PKV wurde im Diskussionspapier deutlich gegenüber der gesetzli- chen Krankenversicherung abge- stuft. Die kommunalen Spitzenver- bände wären hingegen - wie bis- her- bei der Bedarfsplanung dop- pelt vertreten: einmal in der Kran- kenhausgesellschaft als Kranken- hausträger und zum anderen als Gebietskörperschaften. Wie be- reits im geltenden KHG sind im Novellierungsentwurf die Ärzte- kammern als "wesentliche Betei- ligte" nicht erwähnt worden. Aller- dings können die Landesregierun- gen im einzelnen bestimmen, wer als sonstiger wesentlicher Betei- ligter anzusehen ist und bei der Bedarfsplanung beteiligt werden soll. Eine ausdrückliche Veranke- rung im Gesetzestext wäre um so mehr gerechtfertigt, als dann auf jeden Fall gewährleistet wäre, daß

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 4 vom 26. Januar 1978 155

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Krankenhausfinanzierung

das umfangreiche Erfahrungspo- tential der Krankenhausärzte mit in die Planung und in die Aufstel- lung der Investitionsprogramme eingebracht werden kann.

Beibehalten werden soll der Bund- Länder-Ausschuß, und zwar mit ähnlich formulierten Aufgaben wie der kürzlich erst installierte § 7 KHG-Ausschuß. Allerdings soll der Vorsitz nicht mehr zwischen Bund und Ländern wechseln, sondern allein beim Bund liegen. Dies un- terstreicht die Absichten, die Bun- deskompetenzen künftig noch mehr zu stärken. Dem Bund-Län- der-Ausschuß soll ein Beirat oder Bundesausschuß zugeordnet wer- den, der mit ihm eng zusammenar- beiten soll und dessen Beratungs- ergebnisse „angemessen zu be- rücksichtigen" sind. Allerdings ist noch nicht erkennbar, wie dieser Beirat arbeiten und wer ihm ange- hören soll. Möglicherweise wird die in § 7 Absatz 4 KHG installierte Regelung unverändert übernom- men (diesem Ausschuß gehören zur Zeit u. a. zwei Vertreter der Ärzteschaft an).

Begrenzte öffentliche Mittel Trotz der grundsätzlichen Beibe- haltung der „dualen" Finanzie- rung sind Absichten' klar erkenn- bar, den bisherigen „Finanzie- rungsplafond" niedriger als bisher festzulegen. 20 Prozent der Bun- desmittel sind nach § 23 des Dis- kussionsentwurfs für Modell- und Schwerpunktmaßnahmen ohne ähnliches vorgesehen. Öffentlich gefördert werden sollen wie bisher nur Krankenhäuser, die in den Krankenhausbedarfsplan aufge- nommen worden sind. Erhalten bleiben soll auch die 100-Betten- Grenze aus § 8 Absatz 1 Satz 2 KHG. Neu ist die Vorschrift, daß bestimmte Krankenhäuser ge- zwungen werden sollen, Aufgaben als Lehrkrankenhaus zu überneh-

men. Dies stellt einen weiteren Eingriff in die Eigenständigkeit und Selbstverwaltung der Kran- kenhäuser dar.

Direkte Pflegesatzverhandlungen Trotz direkter Pflegesatzverei n- baru ngen sollen die zuständigen Landesbehörden die ausgehan- delten Sätze „genehmigen". Da-

mit soll offenbar dem bereits 1973 verankerten Prinzip der vollen Ko- stendeckung formal Rechnung getragen werden.

Die Anpassung der Pflegesätze an volkswirtschaftliche Determinan- ten oder an die Grundlohnsumme der Krankenkassen ist entgegen den Wünschen der Kassenvertre- ter nicht im Entwurf verankert.

Dennoch ist nicht daran zu zwei- feln, daß das Krankenhaus eben- falls die „Orientierungsdaten" der Konzertierten Aktion beachten soll. Allerdings hat der Diskus- sionsentwurf konkrete Regelun- gen hier noch ausgespart. Sicher- lich bestehen hier noch erhebliche Schwierigkeiten.

Krankenhausträger wie Länder wollen vermeiden, daß die Orien- tierungsdaten das Selbstkosten- deckungsprinzip unterhöhlen. Die Krankenhäuser müßten bei defizi- tärer Betriebsführung sonst ge- schlossen werden, oder die öffent- liche Hand müßte erneut einsprin- gen. Andererseits pochen die Krankenkassen darauf, als we- sentliches Orientierungsmerkmal für die Entwicklung der Pflegesät- ze die Einkommensentwicklung ihrer Versicherten zu berücksichti- gen. Durch Normensetzung soll das wirtschaftliche Gebaren und die Personalausstattung der Kran- kenhäuser unmittelbar beeinflußt werden. In der Tat bergen unaus- gegorene Orientierungsdaten eine Menge Zündstoff: Sie können so- wohl das Leistungsniveau des Krankenhauses als auch die Ar- beitsplätze im Krankenhaus un- mittelbar tangieren. Vorsorglich hat deshalb die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft darauf hinge- wiesen, daß gesetzlich dekretierte Orientierungsdaten keine akzepta- blen Maßstäbe für die Entwicklung der Personal- und Sachkosten sein können, da diese vom Kran- kenhaus nur schwer beeinflußt werden könnten. GV/HC

NACHRICHTEN

Bundeseinheitliche Notfalldienst-

Telefonnummer gefordert

Für die Einrichtung einer eigenen, bundeseinheitlichen Telefonnum- mer für den ärztlichen Notfall- dienst hat sich die Bundesärzte- kammer eingesetzt.

In einem Schreiben an das Bun- despostministerium betonte die Bundesärztekammer, der ärztliche Notfalldienst werde von der ge- samten Ärzteschaft neben den ei- gentlichen Aufgaben meist außer- halb der Sprechstunden unter gro- ßem personellen, sachlichen und wirtschaftlichen Einsatz versehen.

Es wäre deshalb eine große Er- leichterung für die Ärzte und die betroffenen Patienten, betonte die Bundesärztekammer, wenn den Trägern des Notfalldienstes eine bundeseinheitliche Sonderdienst- Telefonnummer zugeteilt würde — unter Beibehaltung des heutigen Telefongefüges bei Ortsgesprä- chen, das heißt mit nur einem Zeit- takt. WZ

Wissenschaftler diskutieren

über Gruppenpraxen

Bei einem interdisziplinären Fo- rum, veranstaltet vom Institut für Sozialrecht der Ruhr-Universität Bochum, steht das Thema „Ge- meinschaftspraxis und Praxisge- meinschaft" im Mittelpunkt. Vier Hauptreferate von Wissenschaft- lern und Praktikern sowie die dar- an anschließende Podiumsdiskus- sion sollen die mit der ärztli- chen Gruppenpraxis verbundenen rechtlichen, medizinischen und praktischen Probleme darstellen kmd erörtern. Das elfte Praktiker-

seminar findet am 10. Februar 1978 ganztägig im Auditorium Ma- ximum der Verwaltungs- und Wirt- schaftsakademie Bochum, Witte- ner Straße 61, statt. DÄ

156 Heft 4 vom 26. Januar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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AUS DEN BUNDESLÄNDERN

HESSEN

Mehr als 5000 Kassenärzte

Zu Beginn des Jahres 1978 stan- den nach Angaben der Kassen- ärztlichen Vereinigung Hessen der hessischen Bevölkerung insge- samt 5086 niedergelassene Kas- senärzte sowie 285 an der ambu- lanten Krankenversorgung betei- ligte Krankenhausärzte zur Verfü- gung. Damit hat sich im Laufe des Jahres 1977 die Anzahl der Kas- senärzte um 160, die der beteilig- ten Krankenhausärzte um 22 er- höht. Außerdem gibt es zur Zeit noch 111 niedergelassene Ärzte in Hessen, die nur Verträge mit den Ersatzkassen haben, sowie mehr als 450 für bestimmte kassenärztli- che Leistungen ermächtigte Ärzte.

Entsprechend dem bundesweiten Trend hat sich auch in Hessen die Zahl der praktischen Ärzte bezie- hungsweise Ärzte für Allgemein- medizin seit Anfang 1977 nur ge- ringfügig auf jetzt 2357 erhöht, während die Zahl der Gebietsärzte um 151 auf 2729 zugenommen hat.

Gebietsärzte lassen sich in zuneh- mendem Maße auch in ländlichen Bereichen nieder.

Die Kassenarztdichte in Hessen ist

— so stellt die KV fest — als über- durchschnittlich gut zu bezeich- nen. Dies gilt insbesondere für die

Fachgebiete innere Medizin, Gy- näkologie, Orthopädie, Radiologie und Urologie, in welchen die Arzt- dichte zwischen zehn und 25 Pro- zent besser ist als im Bundes- durchschnitt. Obwohl nach Auf- fassung der KV die Anzahl der All- gemeinärzte noch nicht allen Wünschen gerecht wird, liegt sie dennoch in Hessen, gemessen an der Einwohnerzahl pro Allgemein- arzt, über dem Bundesdurch- schnitt.

Zur künftigen Versorgung der Be- völkerung mit praktischen Ärzten beziehungsweise Ärzten für Allge- meinmedizin haben gerade im ver- gangenen Jahr die Kassenärztli- che Vereinigung und die Landes- ärztekammer Hessen mit der Stif- tung eines Lehrstuhles für Allge- meinmedizin an der Universität Frankfurt einen wesentlichen Bei- trag geleistet, der sich allerdings nur dann entscheidend auswirken werde, wenn auch der Staat — der für die Medizinerausbildung ei- gentlich zuständig ist — derartige Einrichtungen weiter ausbaue.

Das gleiche gelte für den beste- henden erheblichen Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten für Allgemeinärzte. Die KV befürchtet, daß dadurch selbst bei einer „Ärz- teschwemme" nicht ausreichend ausgebildete Ärzte für die wichtige Basisversorgung zur Verfügung stehen werden. KV-H

NIEDERSACHSEN

Gesundheitsämter jetzt kommunalisiert

Im Zuge der Verwaltungsreform sind am 1. Januar 1978 die 54 bis-

her staatlichen Gesundheitsämter in die Trägerschaft der Landkreise und kreisfreien Städte übergegan- gen. Die Fachaufsicht, ausgeübt von den Bezirksregierungen, bleibt weiterhin beim Land. In ei- ner Grußadresse an die Ärzte und die anderen Mitarbeiter äußerte Sozialminister Hermann Schnip- koweit die Hoffnung, daß die Auf- gaben des öffentlichen Gesund- heitsdienstes unter der neuen Trä- gerschaft in den Kreisen besser aufgehoben sein würden als bis- her im Landesdienst. Für das Land sei es schwierig gewesen, die Ge- sundheitsämter gleichmäßig mit Ärzten, Personal und Geräten aus- zustatten; er sei überzeugt davon, daß die neuen Träger der Gesund- heitsämter „die Chance nutzen"

würden, genügend Personal für ei- ne optimale Erfüllung der Aufga- ben der Ämter zu finden.

Mit dem Übergang sind die mehr als tausend Bediensteten der bis- herigen staatlichen Gesundheits- ämter, darunter 132 Ärzte, aus dem Landesdienst ausgeschieden und bei den Kommunen angestellt worden. EB

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MARTINA kEßßEL-HELD

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 4 vom 26. Januar 1978 157

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LEITARTIKEL

Gesundheits- und Sozialpolitik 1977-1978

• Fortsetzung von Seite 154

Völlig unverständlich für den Le- ser muß es zunächst erscheinen, wenn das Gesetz auch vor- schreibt, daß bei der Bemessung der Gesamtvergütung neben den erbrachten Leistungen auch die Praxisunkosten und die Arbeits- zeit des Kassenarztes zu berück- sichtigen seien. Es leuchtet für je- den ein, daß eine Vergütung ärztli- cher Leistungen nach einer Ge- bührenordnung oder einem Be- wertungsmaßstab und anderer- seits nach Arbeitszeit sich gegen- seitig ausschließen müssen. War- um also diese Bestimmungen im Gesetz?

Erkennbares Ziel:

„Absenken, nivellieren"

Die Frage erscheint um so berech- tigter, wenn man liest, daß laut Schmidt (DGB/BdO) die Kosten für ambulante ärztliche Behand-

lung in den ersten drei Quartalen 1977 nur noch 17,73 vom Hundert der Leistungsausgaben der Orts- krankenkassen auscemacht ha- ben. Alle Äußerungen dazu lassen erkennen, daß das Ziel in erster Linie eine rapide Absenkung und Nivellierung der freiberuflich täti- gen Ärzte sein soll. Dazu Schmidt:

„Zur Vergütung der ärztlichen Lei- stungen fordert der Arbeitskreis (des Ortskrankenkassentages), die Einzelgebühren des Bewertungs- maßstabes so festzusetzen, daß je- der Arzt bei durchschnittlicher Leistungserbringung im Vergleich der einzelnen Fachgruppen zuein- ander nach Abzug der disziplinty- pischen Kosten ein etwa gleichho- hes Einkommen erzielen kann."

Nicht weniger deutlich äußerte sich der Stellvertretende DGB-

Vorsitzende Muhr in einem schon 1975 gehaltenen, aber offenbar nicht öffentlich bekanntgeworde- nen Vortrag: „Angesichts der der- zeitigen Höhe der Arzteinkommen ist es gerechtfertigt, im Rahmen eines Sofortprogramms für die nächsten Jahre den Zuwachs der durchschnittlichen Arzteinkom- men auf das Ausmaß des Kauf- kraftverlustes zu reduzieren."

Bemerkenswert ist ein weiterer Vorgang: Die für das Kostendämp- fungsgesetz ins Feld geführten Ar- gumente trafen nämlich bereits während seiner Beratung nicht mehr zu. Die sicherlich steile Ko- stenentwicklung in den Jahren 1965 bis 1975 hat sich bereits 1976 erheblich abgeflacht.

Die Ursachen sowohl für den stei- len Anstieg wie für die Abflachung sind vielfältig. Im ambulanten Sek- tor zeigte sich in diesen Jahren eine erhebliche Intensivierung und Vertiefung der ärztlichen Versor- gung. Dies zeigte sich natürlich ganz besonders im Bereich der Leistungen, die unter dem Begriff der „Medizintechnik" zusammen- gefaßt werden. Gerade ihr Einsatz wurde aber in den vergangenen Jahren von allen Seiten für not- wendig und unverzichtbar gehal- ten. Die Kritik an der Kassenpraxis unter dem Schlagwort „Opas Pra- xis" rankte sich gerade an dem mangelnden Einsatz medizinisch- technischer Untersuchungsme- thoden hoch.

Man scheint im übrigen die Medi- zintechnik auch weiterhin für un- verzichtbar zu halten, sonst wären die Forderungen nach medizi- nisch-technischen Zentren nicht verständlich zu machen. Sie ist al- so offenbar nur deshalb „schäd- lich", weil sie sich derzeit noch weitgehend in den Händen freibe-

ruflich niedergelassener Ärzte befindet.

Im übrigen haben die Kassenärzte aufgrund einer Empfehlungsver- einbarung ihrerseits das Honorar- wachstum für die Jahre 1976 und 1977 im Hinblick auf die schwieri-

ger gewordene wirtschaftliche La- ge erheblich begrenzt. Sie leiste- ten damit einen wesentlichen Bei- trag zur Kostendämpfung insge- samt.

Kostenanstieg im

Krankenhaussektor noch unbewältigt Der Hauptanteil der steilen Ko- stenentwicklung in den Jahren seit etwa 1965 entfällt aber auf den Krankenhaussektor. Für 1977 (drei Quartale) flossen 33,45 v. H. der Leistungsausgaben der Ortskran- kenkassen in die Krankenhäuser.

Auch dafür gibt es einsichtige Gründe.

In Stichworten sei nur erinnert an die Umstellung der Pflegesätze nach dem Krankenhausfinanzie- rungsgesetz und der Pflegesatz- verordnung, die Einführung der In- tensivmedizin, die Verbesserung der Stellenschlüssel und die Ver- kürzung der Arbeitszeit. Vor allem die Personalkosten und die Ar- beitszeitverkürzung lagen außer- halb der Einwirkungsmöglichkeit der Krankenhausträger.

Es würde der Sache nicht gerecht, wenn in dieser Situation die frei- beruflich tätige Ärzteschaft versu- chen würde, den „Schwarzen Pe- ter" nun allein den Krankenhäu- sern zuzuschieben. Erinnert wer- den muß aber daran, daß nach ei- ner allgemeinen Regel in der am- bulanten ärztlichen Versorgung 9() v. H. der Gesamtmorbidität bewäl- tigt wird, im Krankenhaus 10 Pro- zent. Die Kosten verteilen sich da- gegen etwa 50:50, wenn man zum ambulanten Sektor noch die Ko- sten für verordnete Arzneien hinzu nimmt. Das Tauziehen um ein neu- es, „kostendämpfendes" Kranken- hausfinanzierungsgesetz wird die Gesundheits- und Sozialpolitik der nächsten Monate bestimmen. Wie sehr im übrigen auch die Inan- spruchnahme ärztlicher Leistun- gen von konjunkturellen Entwick- lungen abhängt, zeigt die Feststel- lung von Schmidt, wonach im Jahr 1967 das Krankengeld nur um 0,8 v. H. angestiegen ist, 1977 aber um 2,6 v. H. Er stellt dazu fest, daß das

158 Heft 4 vom 26. Januar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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zugrundeliegende Arbeitsentgelt mehr als doppelt so hoch gestie- gen sei, die Zahl der Krankengeld- tage also wiederum etwas zurück- gegangen sein müsse .

..". Zusammenfassend läßt sich al- so feststellen, daß aus der Sicht der Kostenentwicklung das Kostendämpfungsgesetz weder notwendig war noch zu rechtferti- gen ist.

Wie hoch allerdings beim BdO das Verantwortungsbewußtsein der kassenärztlichen Vertragspartner eingeschätzt wird, brachte der von der Arbeitgeberseite kommende Vorstandsvorsitzende Auegen- berg zum Ausdruck, indem er jüngst in Maria Laach folgen- des ausführte: "Ohne ein günsti- ges Zusammentreffen mehrerer gleichsinnig wirkender Umstände und Ursachen wäre sie {die Ko- stendämpfung) nicht Wirklichkeit geworden. Das kann dann aber auch bedeuten, daß nach dem Wegfall dieser Umstände Kosten- dämpfung aus freien Stücken, bauend allein auf dem guten Wil- len der Beteiligten, kaum noch zu bewerkstelligen ist."

Einnahmeverluste allein

aus der Rentnerkrankenversicherung Im Dezember 1977 konnte man in allen Zeitungen lesen, daß die Krankenkassen am Ende dieses Jahres im Geld schwimmen. Sie haben aufgrund der Abflachung der Kostenentwicklung und einer im Jahre 1976 vorgenommenen Beitragserhöhung bereits Ende 1976 Überschüsse in Höhe von drei Milliarden DM erzielt, die sich bis zur Jahresmitte 1977 um etwa weitere 1,6 Milliarden erhöht ha- ben dürften.

C> Hauptgeschäftsführer Töns/

BdO erklärte vor der Presse, den Kassen sei diese günstige Ent- wicklung als Folge der Honorar- disziplin und Preisdiziplin ihrer Vertragspartner bereits während der Beratungen des Kostendämp- fungsgesetzes bekannt gewesen. Man habe es jedoch für taktisch klüger gehalten, die Zahlen nicht hinauszuposaunen. Man wollte al-

Krankheitskosten: Tendenzwende?

veränderten sieb (Bereich Allgemeine Ortskrankenkassen, in Prozent):

1976

Bundesverband der Ortskrankenkassen •) 1. 1.-30. 9. 1977 gegen 1. 1.-30. 9. 1976;

so bewußt, daß der Gesetzgeber die harten Vorschriften für die Ho- norargestaltung beschließt, ob- wohl man erkennen konnte, daß es dieser Regelungen nicht bedurft hätte!

Wie wenig die finanzielle Entla- stung der Krankenversicherung Motiv der Gesetzgebung war, wird besonders deutlich durch die Be- stimmungen über die drastische Reduzierung der Beiträge der Rentenversicherung zur Rentner- krankenversicherung. Rund drei Milliarden DM betrugen die Ein- nahmeverlusteder Krankenkassen im zweiten Halbjahr 1977: Mit sie- ben bis acht Milliarden DM Ein- nahmeausfall muß 1978 gerechnet werden.

Daß die Rentenversicherung damit nicht gesund zu machen ist, wird von niemand mehr bestritten. Die Krankenversicherung jedenfalls wird damit finanziell geschwächt, der Finanzausgleich zwischen den Kassenarten erzwungen. Darauf ist noch einmal einzugehen.

2. Strukturverbesserung oder Machtpolitik?

Neben der Kostendämpfung spricht die Überschrift des Geset- zes von der "Strukturverbesse- rung". Wo und in welcher Weise das Gesetz eine solche Struktur- verbesserung bewirken sollte oder gar bewirkt hätte, ist unerfindlich.

Eines ist aber unübersehbar: Das Versprechen, die Stellung der Krankenkassen gegenüber ihren Vertragspartnern, vor allem den Ärzten und Zahnärzten, zu stär- ken, wurde voll eingelöst.

Dies kann schwerwiegende Fol- gen haben. Niemand wird bestrei- ten können, daß die Gleichberech- tigung zwischen Kassenärzten und gesetzlicher Krankenversi- cherung durch das Gesetz von 1955 voll hergestellt worden ist.

Der Gesetzgeber übertrug den Kassenärzten die ambulante ärztli- che Versorgung der Versicherten in Zusammenarbeit mit den Kran- kenkassen. Es ist naheliegend, da- von auszugehen, daß in diesem Partnerschaftsverhältnis jede Sei- te die Beiträge leistet, zu denen sie befähigt ist Der Bundesverband der Ortskrankenkassen aber hat in seinen Thesen und Forderungen sehr deutlich gemacht, wie er sich in Zukunft diese "Partnerschaft"

denkt. Dabei scheinen sich DGB und Arbeitgeber völlig einig gewe- sen zu sein. Dies erscheint des- halb so besonders bemerkens- wert, weil gerade die Arbeitgeber es waren, die vor einigen Monaten eine Verfassungsklage gegen das

"Mitbestimmungsgesetz" einge- reicht haben.

"Mitbestimmung" -

wie DGB und BdO sie verstehen ..". Der schon zitierte Stellvertre- tende DGB-Vorsitzende Muhr schrieb im Tagungsheft der Orts- krankenkassen u. a.: "Alle Partei- en des Bundestages haben näm- lich deutlich gemacht, daß mit dem Gesetz zur Weiterentwick- lung des Kassenarztrechtes nicht nur Unterversorgungen ausgegli- chen werden sollen, sondern den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben wird, moderne Struktu- ren im Gesundheitswesen durch- zusetzen. Dies geht über das her-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 4 vom 26. Januar 1978 159

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Gesundheits- und Sozialpolitik

kämmliehe Vertragsrecht weit hin- aus. Muß die Krankenversicherung sich denn auch mit dem Problem der Auswahlmethode beim Nume- rus clausus befassen? Sicher!"

Und an anderer Stelle: "Fragen der Ausbildung der Zahnärzte, der Zahnmedizinischen Hilfsberufe, die den Zahnarzt entlasten kön- nen, der Bedarfsplanung, der Den- tal-Industrie bis hin zum Großhan- del müssen auf der Tagesordnung stehen, wenn die Krankenversi- cherung ihren Aufgaben gerecht werden will."

~ ln den Thesen und Forderun- gen des Ortskrankenkassentages findet sich an vielen Stellen diese Forderung nach völliger Mitbe- stimmung in allen Fragen, die bis- her von den Ärzten zu regeln wa- ren. Sie können nur auszugsweise erwähnt werden:

...,. So Forderung 11: "Eigenabga- be oder Eigenbetriebe der Kran- kenkassen sind in erforderlichen Fällen zur Sicherstellung der me- dizinischen Versorgung, zur För- derung der Konkurrenz und als Modell-Einrichtung zuzulassen."

...,. ln dem Bereich gemeinsamer Bemühungen und Beschlüsse, al- so der vollen Mitbestimmung der Krankenkassen, werden auch ein- bezogen die Grundsätze für die Festsetzung der Sprechstunden- zeiten und die Begrenzung der Wartezeiten, die Entwicklung von Qualitätskontrollen für Laborlei- stungen, die Hinwendung zur hausärztlichen Behandlung, die Erarbeitung von Grundsätzen des Not- und Bereitschaftsdienstes, die Festsetzung des Honorarver- teilungsmaßstabes, und "natür- lich" die Überwachung der Wirt- schaftlichkeit der kassenärztli- chen Versorgung, wobei an die jetzt geltenden gesetzlichen Be- stimmungen erinnert sei.

ln die Thesen für die zahnärztliche Versorgung (damit aber automa- tisch auch für die ärztliche Versor- gung wirksam) wurden eingepackt die Forderungen über das Verbot der Niederlegung der Kassenzu- lassung oder der Nichtteilnahme

an der kassenzahnärztlichen Ver- sorgung zur Durchsatzung von Vertragszielen. Ein Verzicht auf die Zulassung solle nur mit Zu- stimmung des Zulassungsaus- schusses wirksam werden kön- nen; für den Fall der Unterversor- gung soll der Zulassungsausschuß

niedergelassene Zahnärzte prak- tisch zwingen können, an der kas- senzahnärztlichen Versorgung teil- zunehmen.

Arbeitgeber-Vertreter

befürwortet Milliardenausgaben für Superdatenbanken

ln seinem Referat in Maria Laach Ende 1977 behandelt der von der Arbeitgeberseite kommende Herr Auegenberg auch Fragen der Ef- fektivität und Effizienz der kassen- ärztlichen Versorgung. Er läßt da- bei auch keinen Zweifel mehr über die Pläne der Ortskrankenkassen hinsichtlich der Datenbanken: ...,. "Bessere Möglichkeiten sehen

wir jedoch in einer sowohl auf den

einzelnen Versicherten als auch auf den einzelnen Leistungsar- bringer bezogenen Zusammen- führung der Leistungsdaten. Ihr primärer Zweck ist es, zuverlässi- ge Grundlagen für die im Kassen- arztrecht vorgesehene und gebo- tene Überprüfung der Behand- lungs- und Verordnungstätigkeit des Arztes auf seine Übereinstim- mung mit den Geboten der Zweck- mäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu schaffen. Darüber hinaus kön- nen sie sehr wohl wichtige Auf- schlüsse zur Frage der Effektivität und Effizienz vermitteln. Vorhaben wie das der Allgemeinen Ortskran- kenkasse Lindau finden daher un- sere größte Aufmerksamkeit."

ln diesen Rahmen gehört auch die Forderung nach der "Offenle- gung" der Überweisungstätigkeit des Kassenarztes im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Man bedenke: Die kassenärztliche Gesamtvergütung soll nach dem KVKG und dem Grundsatz der

"einnahmeorientierten Ausgaben-

politik" nur noch in einer Größen-

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ordnung wachsen, welche maxi- mal der Grundlohnentwicklung entspricht. Das hindert die Kas- senpolitiker nicht daran, nun auch noch Milliardenbeträge in Super- Datenbanken zu investieren, nur um in Zukunft sowohl den einzel- nen Versicherten als auch den Kassenarzt mit Daten jagen zu können. Man wird dann jedenfalls statistisch feststellen können, wie hoch die "Jagdkosten" gewesen

sind, welche aufgewendet wurden,

um eine nach dem Bewertungs- maßstab honorierte Doppelunter- suchung aufzudecken.

Die Machtfrage- in eine juristische Frage transformiert

ln einem Vortrag vor Vertretern der Ortskrankenkassen führte der Berliner Soziologe Professor Dr.

Alexander Schuller u. a. aus: "Die gegenwärtig von den Krankenkas- sen betriebene Strategie, über ei- ne Veränderung des Kassenarzt- rechts - also über juristische Ver- änderungen- das Machtverhältnis zwischen Arzt und Krankenkasse zu ändern, ist im Grunde genom- men auch nur ein Ausdruck der veränderten Einschätzung und des machtpolitischen Selbstbe- wußtseins der Krankenkassen. Sie glauben, auf dem Feld des Kas- senarztrechts die Machtfrage stel- len zu können. Dabei wird die Machtfrage in eine juristische Fra- ge transformiert. Der weitere Ver- lauf der Auseinandersetzung wird zeigen, ob die Einschätzung der Kassen, daß sich die Machtverhält- nisse zu ihren Gunsten, vielleicht mit Unterstützung von Gewerk- schaft und SPD, geändert haben, realistisch ist."

Diesen Worten ist zu dem The-

ma "Strukturverbesserung oder

Machtpolitik?" nichts hinzuzu- fügen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Hans J. Sewering Präsident

der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Haedenkampstraße 1

5000 Köln 41

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