P O L I T I K
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A1856 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 26⏐⏐1. Juli 2005
Die Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB) wird den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) dann ableh-
nen, wenn sie ihre Forderun- gen unerfüllt sieht und die ärztlichen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dabei sind sich alle darüber im Klaren, dass ein Verhandlungsergebnis im- mer ein Kompromiss ist und sich nicht jeder Forderungs- punkt 1 : 1 im Vertrag wie- der findet. Eins steht jedoch für den MB fest und wird bei Nichterfüllung zu einer Ab- lehnung des TVöD führen:
Es darf keine Schlechterstellung der heu- te Beschäftigten geben, und auch die neu eingestellten Ärzte müssen von Anfang an eine ihrer Belastung und Verantwor- tung entsprechende Vergütung erhalten.
Bei der derzeitigen Ausarbeitung der tariflichen Regelungen im Detail ist vor allem darauf zu achten, dass finanzielle Einbußen beim Wechsel des Arbeits- platzes oder bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages unterblei- ben. Der MB wird nicht akzeptieren, dass die Ärzte als Leistungsträger im Krankenhaus überproportional die La- sten des neuen Tarifvertrags tragen sollen. In Anbetracht einer im europäischen Vergleich schlechten Vergütungssitua- tion der deutschen Ärztin- nen und Ärzte in den Kran- kenhäusern und einer not- wendigen Tarifreform im öf- fentlichen Dienst hat der MB deshalb auf der letzten Hauptversammlung unter anderem gefordert: die Aner- kennung des Praktischen Jahres als Berufserfahrung (Einstieg in Stufe 2), die Ein- gruppierung in die Entgelt- gruppe 14/4, dass Stufe sechs immer er- reichbar ist, einen Ausgleich für wegfal- lende Alterseinkommenszuwächse für Ärzte (Strukturausgleichsbeträge), die Mitnahme der Strukturausgleichsbeträ-
ge bei Vertrags- und Stellenwechsel, die Schaffung mindestens einer weiteren Entgeltgruppe oberhalb von 15 und ei- ne berufsgruppenneutrale Zuordnung der leistungsabhängigen Vergütung.
Die Ablehnung des TVöD durch den MB würde notwendigerweise das Ende der Tarifkooperation mit ver.di zur Fol- ge haben. Dies würde bedeuten, dass der MB den Prozess der Einführung des neuen Tarifvertrages für den öffentli- chen Dienst verlässt und eine Unter- schrift von ver.di den MB rechtlich nicht bindet.
Die bisher redaktionell gefassten Ver- tragsbestandteile sind nur paraphiert.
Der Tarifvertrag zur Überleitung soll erst zusammen mit dem TVöD „abgeschlos- sen“ werden. Das entscheidende Mo- ment für das Wirksamwerden des TVöD ist also die Unterschrift unter beiden Ver- trägen. Diese steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien bei ver.di, namentlich der Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst.
Scheidet der MB vorher aus dem Neugestaltungsprozess aus, würde der TVöD für die Mitglieder, die zu diesem Zeitpunkt unter dem Bundesangestell- tentarifvertrag (BAT) arbeiten, nicht zur Geltung gelangen. Vielmehr würde der BAT zunächst weiter gelten. Erst der Abschluss eines neuen Vertrages würde den BAT ersetzen. Auch die allseits dis- kutierte Anwendungsvereinbarung des BAT „in seiner jeweiligen Fassung“ in einzelnen Arbeitsverträgen widerspricht nach MB-Ansicht der Weitergeltung nicht, weil der TVöD eben nicht eine an- dere Bezeichnung für den BAT ist.
Entscheidend ist eine leistungsgerech- te Vergütung für die Leistungsgaranten in den Kliniken – das heißt eine Vergü- tung auf europäisch vergleichbarem Ni- veau, damit der Exodus deutscher Kli- nikärzte ins Ausland gestoppt wird. In Großbritannien, Frankreich und den USA verdienen Ärzte das Doppelte bis Dreifache. Die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes sollte eine Selbstver- ständlichkeit sein. Die Klinikärzte weh- ren sich gegen zu kurz befristete Arbeits- verträge und fordern die vollständige Vergütung aller Überstunden. Bereit- schaftsdienst ist Arbeitszeit und muss als solche vergütet werden. Der Ab- bau arztfremder, bürokratischer Tätigkeiten ist überfällig.
Die TVöD-Entgelttabelle (Tarifbereich Ost entsprechend jeweiligem Anpassungssatz, zurzeit 92,5 vH) Entgeltgruppe Grundentgelt Entwicklungsstufen
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6
nach 1 Jahr nach 3 Jahren nach 6 Jahren nach 10 Jahren nach 15 Jahren
15 3 384 3 760 3 900 4 400 4 780 5 030
14 3 060 3 400 3600 3 900 4 360 4 610
13 2 817 3 130 3 300 3 630 4 090 4 280
12 2 520 2 800 3 200 3 550 4 000 4 200
11 2 430 2 700 2 900 3 200 3 635 3 835
10 2 340 2 600 2 800 3 000 3 380 3 470
9 2 061 2 290 2 410 2 730 2 980 3 180
8 1 926 2 140 2 240 2 330 2 430 2 493
7 1 800 2 000 2 130 2 230 2 305 2 375
6 1 764 1 960 2 060 2 155 2 220 2 285
5 1 688 1 875 1 970 2 065 2 135 2 185
4 1 602 1 780 1 900 1 970 2 040 2 081
3 1 575 1 750 1 800 1 880 1 940 1 995
2 1 449 1 610 1 660 1 710 1 820 1 935
1 je 4 Jahre 1 286 1 310 1 340 1 368 1 440
Marburger Bund
Leistung gerecht vergüten
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Lutz Hammerschlag Marburger Bund Bundes- verband, Leiter Tarifreferat
Foto:Marburger Bund
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Die neue Matrix aus 15 Entgeltgruppen und sechs Entwicklungsstufen reduziert die 17 000 theo- retischen Eingruppierungsmöglichkeiten im Bundesangestelltentarifvertrag auf 90 Felder.