• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Standpunkt: Jede Leistung vergüten" (12.05.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Standpunkt: Jede Leistung vergüten" (12.05.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S T A T U S

M

ärz 2006. Schauplatz:

eine Klinik in Lan- desträgerschaft. In Kür- ze wird die Klinik von der kommunalen Gesundheits- GmbH geführt. Telefonische Terminvergabe in Outlook:

Der neue Geschäftsführer Z.

will nacheinander mit allen Oberärzten sprechen. Es ist 10:55 Uhr. Ein Auto hält im Parkverbot direkt vor dem Klinikeingang. 120 Kilogramm steigen aus. Dunkler Anzug.

Mittelalt. Selbstbewusst. Ich gehe die Teppichetage entlang.

Gespannte Erwartung. Ich bin vorbereitet. Mein Lebenslauf ist lückenlos: bestes Abitur, Einserexamen, 38 Jahre alt, Oberärztin, promoviert. Seit 14 Jahren im Beruf.Bestes Ver- hältnis in der Abteilung.Netter Chef. Motivierte Assistenzärz- te. Die Arbeit macht Spaß. Das Leben ist schön.

Die Tür geht auf: Herr Z.

Er grinst. Demonstriert Stär- ke. Neben ihm die (Noch-) Verwaltungsleiterin.Keine Spur von Rückstufung. Wir nehmen Platz.„Sie setzen sich bitte zwi- schen uns.“ Es gibt Kaffee und Tee. „Gesundheitstee – haha, wie passend.“ „Ja, bitte. Legen Sie los.“

Ich beginne mit Angaben zu meiner Person. Und wie ich meinen Beruf verstehe. Ge- langweilte Blicke. „So, also wenn es nach Ihnen geht,müss- te jeder von klein auf neurolo- gisch behandelt werden!“ – Herr Z. ist aufgewacht. Und weiter: „Für mich gehören Neurologie und Psychiatrie zusammen.“ Ich weiche aus.

Unverbindlich bleiben. Die Arztsituation im Hause? Wir haben zurzeit gute und moti- vierte Assistenzärzte. Mein Anteil daran ist nicht gering.

Ich bin stolz. Langfristige Per- sonalbindung ist wichtig in Zeiten von Ärztemangel. Ärz-

temangel ist das Stichwort für Herrn Z.: „Kein Wunder, dass die Ärzte unzufrieden sind.

Die brauchen ja nur Radio zu hören. Der Marburger Bund, der redet doch alles schlecht.

Macht den Ärzten alles ma- dig.“ Er verdreht die Au- gen. „Sind Sie im Marbur- ger Bund?“ Keine Antwort.

„1 600 Euro monatlich für ei- nen Assistenzarzt sind doch genug. Viele Angestellte ver- dienen weniger und können ihre Familien auch ernähren.“

Zustimmendes Nicken der (Noch-)Verwaltungsleiterin.

Neuer Anlauf. Meine Frage nach Entwicklungsmöglich- keiten im Klinikkonzern. Ich sei flexibel. „Jaja. Ein Reha- Bereich ist in Planung. Even- tuell auch die Übernahme eines medizinischen Versor- gungszentrums.“ Aber: „An- gestellte Ärzte leisten einfach nicht dasselbe wie niederge- lassene Ärzte. Der Arzt an sich fängt erst an, wirtschaftlich zu denken, wenn er eine eige- ne Praxis hat!“ Zustimmung der (Noch-)Verwaltungsleite- rin. Selbstgefälligkeit. Zufrie- denes Schweigen.

Themenwechsel. Der neue Schichtdienst. Herr Z.: „Ich spare mit dem neuen System im Monat 25 000 Euro. Das hat Ihnen der Marburger Bund eingebrockt.“ Überlegener Blick. „Aber das Geld behalte ich nicht. Ich lasse die Dienste besser bezahlen. 50 Euro brut- to pro Nacht.“ Allgemeine Anerkennung. Großherzig- keit. Und dann: „Und meinen Sie, auch nur ein Arzt hat sich dafür bei mir bedankt?!“ De- monstrative Empörung der (Noch-)Verwaltungsleiterin. Ei- gentlich habe ich genug ge- hört. Ich frage trotzdem: „Und was wird aus den Nebentätig- keiten?“ Konsildienst im All- gemeinkrankenhaus. Gehört jetzt zum Konzern. Ich nenne meinen Verdienst dafür. „So viel?! Das wird natürlich in- tern verrechnet.“

Ich denke an den letzten Konsildienst. Lyse bei Schlag- anfall. Zwei Uhr morgens.

Meine Tochter weint. Alles muss schnell gehen. Privates Risiko. 3:30 Uhr bin ich zu- rück. Schlafe nicht mehr ein.

Macht dann 50 Euro netto. Ich sage nichts. Der nächste Ober- arzt steht vor der Tür. Ich erhe- be mich. Wünsche Erfolg für die kommenden Gespräche.

Draußen ist mir nach Cognac.

Die Patienten warten.

Deutschland 2006. Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Wür- de des Arztes . . .“ Vielleicht ist es anderswo noch nicht zu spät. Dr. med. Henriette Menn

Krankenhäuser im Wandel

Woher der Wind weht – ein Gesprächsprotokoll

A

A1328 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 19⏐⏐12. Mai 2006

Unaufhaltsam wird das gesamte Ausmaß deutlich: Unbe- zahlte ärztliche Tätigkeit – in Kliniken geleistet als unvergü- tete Mehrarbeit und unterbezahlte „Bereitschaftsdienste“, im ambulanten Bereich geleistet durch budgetbedingt nichtvergütete Leistungen – sind nicht

nur eine Subvention des Gesundheitssy- stems. Unvergütete ärztliche Leistungen sind eine tragende, von der Politik in der Kalkulation fest eingerechnete, Säule in

der Finanzierung des Systems. So wird im klinischen Bereich unvergütete ärztliche Mehrarbeit im Wert von einer Milliar- de Euro im Jahr geleistet. Durch die basisgetragenen Prote- ste gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen wird immer mehr Ärzten ihr Anteil an der Finanzierung des Gesund- heitssystems bewusst. Die Proteste haben daher nicht nur den Sinn, einen gesetzmäßigen Zustand der Arbeitsbedin- gungen überhaupt erst herzustellen, sondern auch dem Sy- stem die Säule der Finanzierung durch unvergütete ärztli-

che Arbeit zu entziehen. Ziel muss es sein, wirklich jede ärzt- liche Leistung finanziell abzubilden und nur bei adäquater Vergütung zu erbringen. Dies gilt für den ambulanten wie den stationären Bereich.Wie sehr die Politik und die Arbeit- geber Angst vor einem Wanken des Sy- stems haben, zeigt die Hysterie, mit der sie den Zusammenbruch der klinischen Versorgung bereits bei einigen Tagen Streik an Unikliniken propagieren. Lei- stungserbringung nur bei angemessener Vergütung ist nicht unärztlich. Bereits die Berufsordnung sieht eine ange- messene Honorierung ärztlicher Leistung vor. Damit soll si- chergestellt werden, dass der Arzt medizinisch gebotene Leistungen nicht zu billig erbringt und damit die Sicherung seines Lebensunterhaltes gefährdet, was ihn anfällig ma- chen kann für therapeutische Einflussnahme Dritter.

Johannes Kamp, Dr. med. Dieter Bimmel Interessengemeinschaft deutsche Klinikärzte e.V.

Jede Leistung vergüten

S T A N D P U N K T

Foto:

Eberhard Hahne

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Kassenärztlichen Vereinigungen können unter Berücksichtigung regiona- ler Besonderheiten im Benehmen mit dem zuständigen Landesausschuß des VdAK abweichende Regelungen

Der Schwangerschaftsabbruch ist nur mög- lich, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Be- einträchtigung des körperlichen oder

Wie in Baden-Württemberg und Bayern sieht auch der Re- ferentenentwurf für ein neues „Saarländisches Krankenhausgesetz" eine Beteiligung eines Vertre- ters der Ärztekammer des

Er ist vielmehr die Basis für die Gebührenordnungen der RVO- und Ersatzkassen (BMÄ und E-GO). Letztere enthalten vertragliche Zusätze wie Bestimmungen über die Ab-

Dies würde bedeuten, dass der MB den Prozess der Einführung des neuen Tarifvertrages für den öffentli- chen Dienst verlässt und eine Unter- schrift von ver.di den MB rechtlich

Eine private Unfallversiche- rung ist auch für angehende Ärzte eine sinnvolle Police.. Sie sorgt dafür, dass sowohl die be- rufliche als auch wirtschaftliche Zukunft weniger

Kurzfristig kann ein dramatischer Einbruch bei den stationären Versorgungsleistungen für gesetzlich Versicherte nur dadurch abgemildert werden, dass die öffentlichen Arbeit- geber

Im zweiten Fall ist zu fragen, ob die Eltern sich lediglich orientieren wollen, wel- che Maßnahmen bei Geburt eines be- hinderten Kindes für das Kind getrof- fen werden können, oder