• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gerechte Bewertung für die ärztliche Leistung" (26.03.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gerechte Bewertung für die ärztliche Leistung" (26.03.1987)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der neue Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist fertig. Nach langer umfangreicher Vor- arbeit hat ihn der Bewertungsausschuß am 13. März 1987 verabschiedet. Er wird für die Kas- senärzte in diesem Heft bekanntgegeben. Nach dem EBM kann freilich nicht abgerechnet werden. Er ist vielmehr die Basis für die Gebührenordnungen der RVO- und Ersatzkassen (BMÄ und E-GO). Letztere enthalten vertragliche Zusätze wie Bestimmungen über die Ab- rechnungsfähigkeit von Leistungen zueinander, Kostenerstattungen, Wegegeld oder beleg- ärztliche Tätigkeit. Die neuen Vertragsgebührenordnungen - BMÄ und E-GO werden in Kür- ze fertiggestellt sein und Anfang Juli an die Kassen-/Vertragsärzte zur Verteilung kommen.

Nach ihnen ist dann ab 1. Oktober dieses Jahres abzurechnen. Wenn dennoch der EBM jetzt veröffentlicht wird, so deshalb, um jeden Kassenarzt frühzeitig zu informieren und ihm ge- nügend Zeit zu lassen, sich in die neuen Strukturen einzulesen. Dabei dürften sich auch man- che Spekulationen und Befürchtungen als gegenstandslos oder übertrieben herausstellen.

it dem Einheitlichen Bewertungsmaß- stab, der jetzt veröf- fentlicht wird, lei- sten Kassenärzte und Krankenkassen einen wesent- lichen Beitrag zur Strukturreform im Gesundheitswesen. Er ist gemein- sam in harten aber stets fairen Ver- handlungen erarbeitet und schließ- lich im Bewertungsausschuß, einem paritätisch von Kassenärzten und Kassen besetzten Gremium, ein- stimmig beschlossen worden. Es wird nun Sache jedes Kassenarztes sein, die Reform in die Tat umzuset- zen.

Reform bedeutet, daß tatsäch- lich strukturelle Änderungen eintre- ten. Der Grundgedanke dieser EBM-Reform ist seit langem be- kannt. Um es noch einmal mit dem Ersten Vorsitzenden der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Prof.

Dr. Siegfried Häußler kurz zu sagen:

„Ziel der Reform ist eine gerechte Bewertung für die einzelnen ärzt- lichen Leistungen in ihrem Verhält- nis zueinander. Das bedeutet vor al- lem die Besserstellung der jahrzehn- telang vernachlässigten ‚sprechen- den' Medizin, wie aber auch eine Aufwertung der übrigen ,zuwen- dungsbezogenen' ärztlichen Leistun- gen." Insoweit ist die Kritik, mit der Reform sollten bestimmte Ärzte- gruppen finanziell bevorzugt, ande- re benachteiligt werden, energisch zurückzuweisen. Es geht vielmehr um Gerechtigkeit und um den Aus- gleich alter Benachteiligungen.

Neben diesem Grundgedanken werden mit der Reform weitere Zie-

Gerechte Bewertun für die

ärztliche Leistung

le verwirklicht. Der Vorsitzende des Reformausschusses des KBV-Vor- standes , Dr. Ulrich Oesingmann — Oesingmann hatte diese Aufgabe von Dr. Klaus Dehler übernommen, der aus Gesundheitsgründen von diesem Amt zurücktreten muß — faßt die Reformschwerpunkte insgesamt so zusammen:

• Angemessenheit der Hono- rierung von Leistungen mit hohem persönlichen Einsatz

• Ausgewogenheit bei Bewer- tungen von Leistungen und Lei- stungsgruppen untereinander durch Korrektur bestehender Ungleichge- wichte

• Erhaltung moderner Medi- zintechnik in der ambulanten Praxis

• Aufnahme neuer Leistungen

• Änderungen der Leistungsle- genden zwecks Vermeidung von

Fehlinterpretationen und Mißdeu- tungen. Beim Studium des neuen EBM wird der unvoreingenommene Leser feststellen, daß diese Zielset- zungen verwirklicht wurden, so weit es eben ging. Im einzelnen:

O Die zuwendungsintensiven ärztlichen Leistungen wurden durch Auffächerung der Grundleistungen und leistungsgerechtere Bewertung der persönlich-ärztlichen Gesprächs- und Untersuchungsleistungen ge- zielt gefördert.

O Die psychiatrischen, psy- chotherapeutischen und psychoso- matischen Leistungen — insbesonde- re auch der Kinder- und Jugend- psychiatrie — wurden gründlich über- arbeitet.

• Der Katalog der operativen Leistungen wurde neu gestaltet, vie- le Leistungen wurden besser bewer- tet.

• Die Strahlentherapie wurde den Erfordernissen einer modernen Versorgung angepaßt.

O Die Sonderleistungskapitel wurden um aktuelle, wissenschaft- lich erprobte und praktisch bewähr- te medizinische Untersuchungs- und Therapieverfahren ergänzt.

• Über 600 überholte oder kaum abgerechnete Leistungsposi- tionen wurden gestrichen, viele Lei- stungslegenden sind gestrafft und eindeutiger formuliert worden.

f)

Schließlich — und darum ha- ben sich die eingangs zitierten Spe- kulationen vor allem gerankt — wur- den rationalisierungsfähige techni- sche Leistungen, insbesondere La- borleistungen, in der Bewertung ge- senkt. Die Absenkungsbeträge — Dt. Ärztebi. 84 , Heft 13, 26. März 1987 (19) A-787

(2)

dies ist ein besonders wichtiger Aspekt der Reform — bleiben den Kassenärzten erhalten. Sie dienen dazu, die unterbewerteten ärztlichen Grundleistungen angemessener zu honorieren. Insgesamt werden 900 Millionen DM im Labor und bei den Radionukleid-in-vitro-Untersuchun- gen eingespart und voll auf die ärzt- lichen Beratungs- und Untersu- chungsleistungen umgeschichtet.

Den Erfolg dieser Umschichtung ha- ben die Ergebnisse des Modellver- suchs „Grundleistungen" sowie um- fangreiche Berechnungen bestätigt.

Ob dieser Betrag ausreicht, das neue, breit gefächerte und wesent- lich besser bewertete Grundlei- stungsangebot ausreichend zu hono- rieren, hängt entscheidend von der zukünftigen Abrechnungsfrequenz ab. Nach einer Entscheidung von Vorstand und Länderausschuß der KBV stehen bei Bedarf für das Grundleistungskapitel weitere Fi- nanzmittel von bis zu 600 Millionen DM zur Verfügung, die aus dem Zu- wachs der Honorarzahlungen der Krankenkassen fließen sollen. Be- kanntlich steigen die Zahlungen der Krankenkassen an die Kassenärzte um den Grundlohnzuwachs; im vor uns liegenden Vertragsjahr werden dies schätzungsweise 800 Millionen DM sein.

Die EBM-Reform ist nicht tech- nikfeindlich. Dies zeigt sich auch an Aufwertungen bei vielen ärztlichen Leistungen mit hohem technischen Aufwand. So werden beispielsweise für Computer- und Kernspintomo- graphie nicht nur neue Leistungs- beschreibungen eingeführt, sondern bestehende Positionen auch besser bewertet. Gleiches gilt für das Kapi- tel Strahlentherapie. Diese Verbes- serungen waren dringend geboten, um eine kostendeckende Erbrin- gung dieser Leistungen und damit deren Verbleib im Leistungsspek- trum der ambulanten kassenärzt- lichen Versorgung zu sichern.

Bei den notwendigen Struktur- und Bewertungsveränderungen wa- ren die Bearbeiter des neuen EBM bemüht gewesen, einseitige Bela- stung bestimmter Fachgruppen zu vermeiden. Dennoch wird mancher Arzt überlegen müssen, wie er Struktur und Führung seiner Praxis

ändern sollte, um sie den durch den neuen EBM geschaffenen Bedin- gungen anzupassen. Umsatzminde- rungen sind vor allem in Praxen zu erwarten, in denen ein unverhältnis- mäßig großer Teil von Leistungen erbracht werden, die bisher ver- gleichsweise großzügig honoriert werden — man denke an Wiederho- lungsrezepte oder Laboruntersu- chungen —, und die künftig deutlich geringer bewertet werden. Aber ei- ne Reform, die sich im Rahmen ei- nes vorgegebenen Honorarvolu- mens halten muß, kann nicht unter- bewertete Leistungen höher einstu- fen, ohne überbewertete Leistungen herunterzustufen.

Umstellung im Denken und Handeln

Die notwendigen Umstellungen im Denken und in den Gewohn- heiten hat Dr. Oesingmann vor der letzten Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung im Dezember 1986 klipp und klar beschrieben:

• Auch für die zukünftige Ein- kommenssituation des einzelnen Kassenarztes sind die Struktur sei- ner Praxis und sein Leistungsspek- trum maßgebend. Deshalb erlaubt eine gruppenbezogene Hochrech- nung keine unmittelbaren Rück- schlüsse auf die Einkommensent- wicklung des einzelnen Arztes.

• Die gewollte neue Struktur der Gebührenordnung wird demje- nigen Einkommensverbesserungen bringen, der Neigung entwickelt, seinen Praxisablauf auf eine mehr patientenorientierte Versorgungs- struktur auszurichten.

• Wer weiterhin im wesent- lichen Laborleistungen abrechnet und weitgehend Wiederholungsre- zepte ausstellt, wird die dafür vorge- sehenen Bewertungsminderungen auch in der Minderung seines Hono- rars wiederfinden.

• Wer hingegen die Chancen nutzt, die aus den angemesseneren Bewertungen für Leistungen mit ho- hem persönlichen Einsatz erwach- sen, wird mit einer Honorarsteige- rung rechnen dürfen.

• Auch der Arzt, der seine Tä- tigkeit unter Zuhilfenahme moder- ner medizintechnischer Mittel aus- übt, wird ein leistungsgerechtes Ho- norar erhalten, wenn die Auslastung der von ihm benutzten Geräte ange- messen ist.

Soweit Oesingmann. Hinzuzu- fügen wäre: Die Krankenkassen und die KBV werden nach Inkrafttreten der neuen Vertragsgebührenord- nungen, also ab dem 1. Oktober 1987, sorgfältig beobachten, was sich bewährt und was nicht. KBV- Vorsitzender Prof. Häußler: „Allein die direkte Anwendung einer neuen Gebührenordnung bietet die Basis, um mit letzter Sicherheit die Kor- rekturen vorzunehmen, die zur Er- reichung der gesteckten Ziele not- wendig sind." Die Reform ist also noch nicht zu Ende. Vielmehr be- ginnt am 1. Oktober ihre Erpro- bungsphase.

Reformen fordern, wenn sie wirklich den Namen wert sind, Kri- tik heraus. Konstruktive Kritik ist willkommen. Kritiker sollten sich aber auch ehrlichen Herzens fragen, ob die neue Struktur, die vielleicht teilweise zu ihren Lasten geht, nicht nur zum Wohle der Mehrheit son- dern auch zur Verbesserung des An- sehens aller Kassenärzte zwingend notwendig ist. Sie dient letztlich der Stärkung der Solidarität, nach der die gesetzliche Krankenversicherung funktioniert und die auch für ein ge- ordnetes Verhältnis der Kassenärzte zueinander unerläßlich ist. Die Soli- dargemeinschaft der Krankenkassen wird in der nächsten Zeit erheb- lichen Belastungsproben ausgesetzt sein. Die harschen Kommentare der letzten Tage zu der Anhebung des Beitragssatzes einer großen Ersatz- kasse stimmen nachdenklich. Wenn die angekündigte Strukturreform im Gesundheitswesen — die allmählich auf eine Strukturreform der gesetzli- chen Krankenversicherung zu schrumpfen scheint — nicht auf Bud- getierung mit Bonus-Malus-Rege- lung und endgültiger Pauschalierung hinauslaufen soll, dann ist es die Pflicht derer, die das nicht wollen — und das sind die Kassenärzte — von sich aus mit konstruktiven Vorhaben gegenzusteuern. Das ist mit dem EBM jetzt geschehen. DÄ A-788 (20) Dt. Ärztebl. 84, Heft 13, 26. März 1987

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE