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Archiv "Ärztliche Tätigkeit in Großbritannien: Steuerliche Auswirkungen" (12.05.2006)

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ine immer größer werden- de Gruppe in Deutschland niedergelassener Allge- meinmediziner und prakti- scher Ärzte zieht es aus fi- nanziellen Erwägungen nach Großbritannien – sei es nur über das Wochenende oder für längerfristige Einsätze. Ein Aspekt, der dabei häufig ver- nachlässigt wird, ist die Frage, wie das dort verdiente Geld zu versteuern ist. Ob es nun „Der Nächste, bitte!“ oder „Who’s next?“ heißt, ist dabei aus steuerlicher Sicht zunächst einmal unerheblich: Wer in Deutschland ansässig ist (un- beschränkte Einkommensteu- erpflicht), der hat dort auch sein Welteinkommen zu ver- steuern. Da das deutsche Steu- errecht aber sehr komplex ist, sollen die nachfolgenden Aus- führungen einen Überblick über die steuerlichen Auswir- kungen der Arzttätigkeit in Großbritannien geben und die Sensibilität für steuerliche Problemfelder wecken.

Zuweisung des Besteuerungsrechts

Im Laufe der steuerrechtsge- schichtlichen Entwicklung ha- ben sich zwei wesentliche An- knüpfungspunkte herausge- bildet, an denen Staaten ihr Recht zur Besteuerung fest- machen: der Wohnsitz und der Tätigkeitsort. Die Wahl der Anknüpfung kann dazu füh- ren,dass,wie hier,Deutschland als Wohnsitzstaat und Groß- britannien als Tätigkeitsstaat Anspruch auf Besteuerung er- heben und es zur Doppelbe- steuerung kommt. Um diese zu vermeiden, haben Staaten Doppelbesteuerungsabkom- men (DBA) geschlossen. Um die ärztliche Tätigkeit unter die Begrifflichkeiten des DBA Großbritannien (GB) zu sub- sumieren, sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Folgen- de Ausgangssituation sei ange- nommen: „Ein in Deutschland angestellt oder selbstständig tätiger Arzt wird in GB tätig, der Wohnsitz (Lebensmittel- punkt) befindet sich weiterhin in Deutschland.“ Dabei sind grundsätzlich folgende Ausge- staltungsformen der Arzttätig-

keit zu unterscheiden: Frei- berufler (selbstständiger Arzt) mit fester Einrichtung in GB, Freiberufler ohne feste Ein- richtung in GB und nicht- selbstständige Tätigkeit (An- gestellter) in GB.

Freiberufliche Tätigkeit.

Steht dem freiberuflich täti- gen Arzt in GB „gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung“, so greift nicht mehr der Grundsatz der Be- steuerung im Wohnsitzstaat.

Das „DBA GB“ weist das Be- steuerungsrecht in diesem Fall dem Tätigkeitsstaat (GB) zu.

Es ist somit britische „Income Tax“ zu entrichten.Wann liegt eine feste Einrichtung in GB vor? Aus steuerlicher Sicht ist eine feste Einrichtung gege- ben, wenn man über einen be- stimmten Punkt der Erdober- fläche eigenständig verfügen kann und diese Verfügungs- möglichkeit auf längere Dau- er (in der Regel länger als sechs Monate) angelegt ist.

Dies ist etwa der Fall,

> wenn nicht nur für eine einmalige Nutzung ein Praxis- raum angemietet wurde (Bei- spiel: der Praxisraum eines britischen Kollegen wird ein- mal wöchentlich genutzt),

> wenn eine längerfristige Nutzung der Praxis eines briti-

schen Kollegen vertraglich vereinbart wurde oder

> wenn längerfristig ein bestimmtes Zimmer zu Unter- suchungszwecken durch ein Krankenhaus oder eine Ge- meinde zur Verfügung gestellt wird.

Problematisch ist die Rechts- lage, wenn der Arzt wechseln- de Zimmer benutzt.

Liegt keine feste Einrich- tung in GB vor, so ist der Aus- übungsort der Tätigkeit ohne Auswirkung auf die Besteue- rung. Deutschland als dem Wohnsitzstaat steht weiterhin das Besteuerungsrecht zu. Das in GB erzielte Einkommen un- terliegt in diesen Fällen der deutschen Einkommensteuer.

Nichtselbstständige Tätig- keit. Ist der Arzt nichtselbst- ständig in GB tätig, weist das

„DBA GB“ das Besteuerungs- recht dem Tätigkeitsstaat (GB) zu, das heißt die Versteuerung des in GB zugeflossenen Lohns/Gehalts unterliegt im Regelfall immer der britischen

„Income Tax“.

Steuerliche Auswirkungen in Deutschland

Besteuerungsrecht Deutsch- land.Steht das Besteuerungs- recht Deutschland zu, erge-

ben sich folgende steuerlichen Auswirkungen: volle Steuer- pflicht in Deutschland (also keine Steuerpflicht in GB), Versteuerung als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (Regelfall) im Rahmen der jährlichen (deutschen) Ein- kommensteuererklärung und Anwendung des individuellen Steuersatzes.

Besteuerungsrecht Groß- britannien.Steht das Besteue- rungsrecht Großbritannien zu, ergeben sich folgende steu- erliche Auswirkungen: volle Steuerpflicht in GB und keine Steuerpflicht in Deutschland (aber Anwendung des „Pro- gressionsvorbehalts“). Was ist unter dem Progressionsvorbe- halt zu verstehen? Wenn der deutsche Fiskus wegen des DBA schon von der steuerli- chen Erfassung der in GB er- zielten Einkünfte Abstand nehmen muss, so behält er sich allerdings das Recht vor, dass diese (ausländischen) Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes auf die übri- gen in Deutschland bezoge- nen Einkünfte steuersatzer- höhend herangezogen wer- den. Ein Beispiel: Das in Deutschland zu versteuernde Einkommen betrage 60 000 Euro, das in Großbritannien V A R I A

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A1312 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 19⏐⏐12. Mai 2006

Ärztliche Tätigkeit in Großbritannien

Steuerliche Auswirkungen

Damit aus einem medizinischen Notfall in Großbritannien kein steuerlicher Notfall in Deutschland wird

Wirtschaft

Foto:BilderBox [m]

Um ihr Einkom- men aufzubes- sern, fliegen deutsche Ärzte am Wochenende nach England.

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zu versteuernde Einkommen 50 000 Euro. Ohne Progressi- onsvorbehalt müsste der Arzt in Deutschland bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 28,8 Prozent 17 286 Euro Steuern abführen (28,8 Pro- zent von 60 000 Euro). Mit Progressionsvorbehalt erhöh- te sich die Steuerschuld um 3 594 Euro auf 20 880 Euro, weil nun ein Steuersatz von 34,8 Prozent (bezogen auf 60 000 Euro) zugrunde gelegt würde. Denn bei Gesamtein- künften des Arztes in Höhe von 110 000 Euro ergibt sich wegen der progressiven Ein- kommensteuer in Deutsch- land dieser höhere Steuersatz.

Steuerliche Auswirkungen in Großbritannien

Besteuerungsrecht Deutsch- land.Steht das Besteuerungs- recht Deutschland zu, ergeben sich folgende steuerliche Aus- wirkungen: keine Steuer- pflicht in GB (das heißt volle Steuerpflicht in Deutschland) und keine Notwendigkeit zur Abgabe von Steuererklärun- gen in GB.

Besteuerungsrecht Groß- britannien.Steht das Besteue- rungsrecht Großbritannien zu, ist zwischen freiberuflicher und nichtselbstständiger Tä- tigkeit zu unterscheiden.

Für den Fall der freiberufli- chen Tätigkeit in GB ergeben sich folgende Konsequenzen:

> Über die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ist zunächst das HM Revenue &

Customs (HMRC) zu infor- mieren.

> Das HMRC schickt dem Steuerpflichtigen dann die ent- sprechenden Steuererklä- rungsformulare zu.

> Nach Ende des Steuer- jahres (6. April bis 5. April des Folgejahres) besteht eine Ver- pflichtung zur Abgabe einer britischen Steuererklärung.

> Der britische Steuerbe- scheid dient in Deutschland als Nachweis über die Höhe der dem Progressionsvorbe- halt unterliegenden Einkünfte (Angabe in der deutschen Einkommensteuererklärung).

Für den Fall der nichtselbst- ständigen Tätigkeit in GB er-

folgt die Besteuerung nach den Regelungen des briti- schen Steuerrechts, das heißt:

> Zu Beginn der Tätigkeit in GB ist das Formular P46 auszufüllen und an das HMRC weiterzuleiten.

> Das HMRC teilt dem Steuerpflichtigen mit, ob er verpflichtet ist, jährliche Steu- ererklärungen einzureichen.

Soweit dies zu bejahen ist, werden die Steuererklärungs- formulare vom HMRC bereit- gestellt.

> Zum Ende des Steuer- jahres wird vom Arbeitgeber das Formular P60 ausgestellt, welches, wie die deutsche Lohnsteuerbescheinigung, al- le Angaben zum Einkommen des betreffenden Jahres ent- hält. Diese Bescheinigung ist auch von Relevanz für die deutsche Besteuerung, da sie die Höhe der dem Progressi- onsvorbehalt unterliegenden Einkünfte enthält und gleich- zeitig als Nachweis dient, dass es zur Versteuerung in GB ge- kommen ist (wichtig für die deutsche Einkommensteuer- erklärung).

> Beim Wechsel des Ar- beitgebers oder bei Beendi- gung der Tätigkeit in GB ist das Formular P45 auszufüllen, welches alle gezahlten Steuern zusammenfasst. Auch soweit keine Steuererklärung einzu- reichen ist, sollte bei Beendi- gung der Tätigkeit in GB über- prüft werden, ob Steuererstat- tungen möglich sind.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

in Großbritannien

Im Unterschied zu Deutsch- land sind in GB sowohl Ärzte im Anstellungsverhältnis wie auch selbstständig tätige Ärz- te sozialversicherungspflichtig.

Es besteht jedoch die Mög- lichkeit, Sozialversicherungs- beitragszahlungen (SVB) in GB zu vermeiden, wenn SVB in Deutschland nachgewiesen werden.

Im Fall der freiberuflichen Tätigkeit dient die „Beschei- nigung über die anzuwenden- den Rechtsvorschriften“, so genannter Vordruck E 101, als Nachweis gegenüber den zu-

ständigen britischen Sozial- versicherungsstellen.

Im Fall des Angestelltenver- hältnisses in GB greift grund- sätzlich die Beitragspflicht in GB. In individuell begrün- deten Fällen kann jedoch ei- ne Ausnahmevereinbarung, sprich die Freistellung von bri- tischen SVB und Entrichtung derselbigen in Deutschland, beantragt werden. Hinsichtlich dieser Ermessensentscheidung ist auf der deutschen Seite die Deutsche Verbindungsstel- le Krankenversicherung – Aus- land (DVKA) und auf der bri- tischen Seite die Inland Re- venue zuständig, wobei die Anfrage möglichst drei Mona- te vor Aufnahme der Beschäf- tigung in GB gestellt werden sollte. Der Antrag auf Ausnah- mevereinbarung sollte insbe- sondere dann gestellt werden, wenn der Auslandseinsatz von vornherein einer zeitlichen Befristung unterliegt und nach dem Auslandsaufenthalt wie- der eine Beschäftigung in Deutschland angestrebt wird.

Abschließend bleibt fest- zustellen, dass die Optimie- rung der Besteuerung nur für jeden Einzelfall gesondert vorgenommen werden kann, da viele Faktoren Einfluss nehmen, deren weitere Erör- terung den Umfang der vor- herigen Ausführungen spren- gen würde. Aber ist erst ein- mal die Sensibilität für Pro- bleme geweckt, so dürfte de- ren Lösung möglich sein.

WP/StB Klaus Erkens Dr. rer. oec. Ariane Lucassen

McKinsey-Studie

600 Kliniken vor dem Aus

Die Reformen im Gesund- heitssystem bringen einer Stu- die zufolge jedes dritte deut- sche Krankenhaus in Bedräng- nis. Diese Kliniken könnten trotz teils massiven Bettenab- baus, Umstrukturierung und verbesserter Abläufe auf ab- sehbare Zeit nicht wirtschaft- lich arbeiten, heißt es in ei- ner Studie der Unterneh- mensberatung McKinsey &

Company. Die Berater pro- gnostizieren einen „weiteren drastischen Umbau der Kran- kenhauslandschaft“: Zu er- warten seien Klinik-Schlie- ßungen, Zusammenschlüsse und eine zunehmende Spezia- lisierung.

Hintergrund ist die laufen- de Einführung des neuen Ent- geltsystems, das auf Landes- ebene bis spätestens 2009 eta- bliert sein soll. Die Einführung der Fallpauschalen verlange von den Krankenhäusern wei- tere Kostenreduktionen von schätzungsweise fünf Milliar- den Euro, heißt es in der Stu- die. „Die Krankenhäuser ste- hen vor der größten Heraus- forderung der Nachkriegs- zeit“, sagte McKinsey-Direk- tor Rainer Salfeld. Knapp 600 Häusern drohten zu Verlie- rern des neuen Preissystems zu werden. Der McKinsey- Studie liegt den Angaben zu- folge eine Analyse von rund 1 600 Akutkrankenhäusern in Deutschland zugrunde. afp V A R I A

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 19⏐⏐12. Mai 2006 AA1313

Internet: www.egsz.de

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