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ie Leimruten, die von dubiosen Beteiligungs- firmen seit Ende der 80er Jahre ausgelegt werden, vermitteln nahezu immer die gleiche Botschaft: Nur bei ih- nen gäbe es die lukrative Geldanlage mit phantasti- schen Renditen und keinen Risiken.Speziell bei der Möglich- keit, vermögenswirksame Leistungen in GmbH-Beteili- gungen anzulegen, fühlen sich viele angestellte Ärzte vom vermeintlichen „Güte- siegel“ der staatlichen Spar- förderung angezogen, mit dem die Betreiber ungeniert werben und sich so einen se- riösen Touch geben.
Oft merken die Anleger viel zu spät, daß sie windigen Geschäftemachern aufgeses- sen sind. Die hohen Ab-
schlußprovisionen und Ver- waltungsvergütungen fressen die eingezahlten Gelder häu- fig genug wieder auf. Wie man aus solchen Verträgen wieder herauskommt, hat in der gut aufgemachten Bro- schüre „Dubiose GmbH-Be- teiligungen“ die Verbrau- cher-Zentrale NRW aufge- dröselt. Sie kann für 7 Mark per Post angefordert werden (Aderstr. 78, 40215 Düssel- dorf). Ein prima Einfall der Verbraucherschützer, dem verunsicherten Anleger diese sehr brauchbare Hilfe an die Hand zu geben.
Die Düsseldorfer WGZ- Bank hatte freilich nicht so eine tolle Idee. Das Spitzen- institut der nordrhein-west- fälischen Volksbanken und Raiffeisenbanken setzte jüngst die Aktie von Brau und Brunnen von „verkau- fen“ auf „halten“. In der Fachsprache bedeutet dies al- lerdings, daß Mutige jetzt schon kaufen sollen.
Das ist schon sehr gewagt, denn Brau und Brunnen ist exorbitant verschuldet und konnte bislang nur mit Mühe vor dem Aus bewahrt wer- den. Aber, so die WGZ, der
neue Vorstandschef Rainer Verstynen sei genau der Richtige, um das derzeit noch schlingernde Schiff wieder auf Vordermann zu bringen, zumal die Produktpalette ge- rade bereingt werde.
Vor allen Dingen aber stützt die WGZ-Bank ihr Ur- teil auf Charts, gemeint sind die Verläufe des Aktienkur- ses. Im Verlauf der jüngsten Aufwärtsbewegung seien so- wohl die 200-Tage-Linie als auch die 90-Tage-Linie nach oben durchbrochen worden, und somit sei Brau und Brun- nen ein Kauf. Aber: Bei ei- nem Rückfall unter die eben erwähnten Durchschnitte müßte indes strikt alles wie- der verkauft werden. Prima Aussagen, wirklich. Wie im wahren Lotto halt. Alles ist
drin. Börsebius
[36] Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 27, 4. Juli 1997
S C H L U S S P U N K T
Post Scriptum
G
arry Kasparow,Schachweltmeister al- ler Menschen, hat schon viele Gegner einge- schüchtert – manchmal mit genialen Geistesblitzen, manchmal mit der rücksichts- losen Demonstration schierer körperlicher Präsenz. Aber
hier und heute hilft weder das eine noch das andere.
Und doch waren sich Kas- parow selbst und fast alle Schach- und Computerexper- ten einig, daß „der Mensch“
den Kampf gegen die Maschi- ne diesmal noch für sich ent- scheiden würde. Obwohl er 200 millionenmal langsamer rechnet, allenfalls eine Stel-
lung pro Sekunde prüfen kann. Aber die richtige – ge- lobt sei die menschliche Intui- tion! Was hatte er nicht alles dafür getan, einen Monat in- tensiver Vorbereitung auf das elektronische Biest, sich selbst schier verbogen, selbst den sonst von ihm verachte-
ten Stil seines verhaßten Ri- valen Anatoli Karpow über- nommen. Keine taktisch-ver- wickelten Stellungen gegen das Rechenmonster. Kaspa- row: „Der Computer ist wie Mike Tyson – beim kleinsten Fehler reißt er dich in Stücke.“ Er hatte in dieser zweiten Partie weitsichtig- strategisch die Spanische Eröffnung gewählt, deren Konsequenzen hinter Deep Blues Horizont liegen und deshalb für diesen nicht er- kennbar sind. So weit, so wei- se. Doch was machte der
Computer? Er vergaß an die- sem Tag, daß er ein Computer ist und nicht hinter seinen Horizont blicken kann. „Je- der Mensch könnte stolz auf diese Partie sein“, meinte hin- terher der US-Großmeister Joel Benjamin. Kasparow je- denfalls war es nicht. Verlie-
renkönnen gehörte noch nie zu seinen Stärken, er wähnte die „Hand Gottes“ im Spiel wie weiland beim berühmten Handtor Maradonas bei der Fußball-WM 1986. Dabei hätte er sich sogar ganz am Schluß noch retten können, wenn er aufgrund des Partie- verlaufs nicht schon demora- lisiert gewesen wäre. „Nach der Partie war ich schrecklich müde, während der Compu- ter nicht einmal wußte, ob er nun gewonnen, verloren oder remis gespielt hatte! Ja, er wußte nicht einmal, ob er
überhaupt gespielt hatte.
Zum ersten Mal habe ich ge- gen einen Kontrahenten ge- spielt, der unter meinem Druck nicht zusammengebro- chen ist!“ Und zum ersten Mal in seinem Leben gab Kasparow in einer Remisstel- lung auf. Die Lösung ist aller- dings ziemlich kompliziert.
Wie wäre es remis geworden?
Lösung
Börsebius rund ums Geld
Schöne Ratgeber
Zwar hätte nun der Damentausch 1...Dxc6 2.dxc6, wonach sich für den Läufer e4 das Prachtfeld d5 auftut und die siebte Reihe bei an- dauernder Gebrechlichkeit des Bauern b5 in Händen des weißen
Turms ist, einfach verloren, doch mit dem Figurenopfer 1...De3!, was
alle Brücken hinter sich abbricht, hätte Kasparow ewiges Schach er- zwingen können. Doch leider glaubte er dem vorher makellos
agierenden Computer. Und so hät- te Kasparow Deep Blue doch noch
ein Schnippchen schlagen können:
!...De3! (er wirft also seinen Läufer der gegnerischen Dame zum Fraß
vor) 2.Dxd6 Te8! (nur so!). W ill
Weiß nun seinen Läufer e4 retten, kann er Dauerschach nicht vermei-
den, z. B. 3.Lf3 Dc1+ 4.Kf2 Dd2+ 5.Le2 Df4+ 6.Ke1 Dc1+ 7.Ld1
Dxc3+ 8.Kf2 Dd4+ usw. bis in alle Ewigkeit. Prüfen Sie selbst diese
und andere Varianten, Kasparow jedenfalls hat´s so abgesegnet.
Die Hand Gottes war’s nicht
DR. MED. HELMUT PFLEGER