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Notizen und Correspondenzen.
Bemerkungen und Anfragen.
Von Dr. Abr. Geiger.
Der dritte Band, mit welchem Wright seine gründliche Be¬
lehrung über die im Britischen Museum befindlichen Handschriften
abgeschlossen , und über den bereits in dieser Zeitschrift durch
Nöldeke berichtet worden, bietet wiederum so reichen Stoff, dass
es auch au mannichfachen Anregungen nicht fehlen kann, sich wei¬
tere Aufklärungen zu erbitten. Und dies sowohl in Betreff des
Inhalts als der Sprache.
Wir finden in den hier verzeichneten syrischen Schriften man¬
che Beachtung der Samaritaner. So wird nicht blos über einen
von ihnen unternommenen Aufstand berichtet (S. 1059 N. 8), sie
werden auch im Leben Jakob's des Wanderers erwähnt (S. 1100''
N. 4). Ganz besonders aber erregt die Aufmerksamkeit was über
eine samaritanisch-christliche Secte in cod. 949 N. 14 angegeben
wird. Das Stück — das sich auch in einem bereits von Rosen
und Forshall verzeichneten Codex befindet — enthält die Disputa¬
tion des Priesters Paul mit dem Satan und beginnt mit den Wor¬
ten: „Er war in einer der Städte der Samaritaner, welche nach
der Landessprache Scbalom (DibüJ) genannt wird. Sie gehörten der
Secte der Herodianer an, die dem Herodes folgen , nur das
Evangelium des Marcus, die Briefe Pauli und vier Bücher Mosis
annehmeti. Sie baden gemeinsam mit ihren Frauen, Söhnen und
Töchtern." Weiss man sonst etwas über diese Secte? Sie ist
natürlich nicht mit deu altjüdischen Herodianern, d. h. den Boethu-
sen, zu identificiren, wenn sie auch von ihnen abgeleitet sein
könnte. Wenn die hier gemachten Angaben als genau anzunehmen
wären nnd noch anderweitig sich bestätigt fänden, so gäben sie
zu interessanten historischen Betrachtungen Veranlassung.
Schon früher ist von dem Mangel an Bekanntschaft der syri¬
schen Gelehrten mit dem Hebräischen gesprochen worden, und dass
nur Jakob von Edessa eine rühmliche Ausnahme macht, wenn
auch seine Spraehkenntniss immerhin eine unsichere blieb (diese
Ztschr. Bd. XXV S. 520). Wie bedeutend sein Ruf in dieser Be¬
ziehung unter den Syrern war, und wie sich sogar die Legende
Notizen und Correspondenzen. 147
desshalb seiner bemächtigte, weist Hr. Wright S. XXII der Einlei¬
tung in interessanter Weise nach. Auch durch seine hier ausführlich
besprochene grammatische Schrift (N. 996) bestätigt sich das über
ihn gefällte Urtheil. So sagt er richtig (S. 11 TP), jfeca^^sei von
jfcjS.^abgekürzt, das Wort sei den Hebräern entlehnt, und laute
desshalb im PI. |öci.^ Hingegen zeigt er umgekehrt, dass er seine
Bekanntschaft mehr aus dem Umgange mit Juden als ans Kenntniss
des biblischen Urtextes schöpfte, wenn er (S. 1172*) das syr.
1^'^ als hebräisch erklärt, während anni« nicbt biblisch ist und
selbst dem Persischen entlehnt ist.
Umgekehrt ist mehrfach nachgewiesen worden, dass die Jnden
in Anschauungen und schriftlicher Darstellung Vieles von den Syrern
angenommen haben, wie sie mit diesen das Syrische als Ursprache
betrachteten, in der Anfertigung von Gedichten ganz dem Vorgange
der Syrer folgten, gleich ihnen Gedichte nicht blos nach alfabethi- scher, sondern auch nach der verkehrten Reihenfolge des Alfabeths, plian*), und nach Akrostichen anfertigten, für die Versabtheilung
das Wort Tin aus dem Syr. aufnahmen (vgl. nun noch bei Wright
S. 1180*'). Auch einen andern eigenthümlichen Ausdruck Är:
anordnen, zu einem Ganzen zusammenstellen, entlehnt die mittel¬
alterliche jüdische Literatur, und zwar vorzugsweise diejenige, welche noch nicht unter dem Einflüsse der Araber steht, nämlich : weben (auch
wir sagen: verweben). Wie im Syrischen ;joj in dieser Bedeutung
gebraucht \*ird {Wright S. 1125". 1175''), so im mittelalterlichen
Hebraismus ant«. Es ist ferner erhärtet, dass die Massorah mit
ihren Ausdrücken dem syrischen Vorgang gefolgt, dass philosophi¬
sche Ausdrücke den jüdischen mittelalterlichen Schriftstellern, bevor die arabischen Termini zur Herrschaft gelangten, aus dem Syrischen
zukamen; für Letzteres verweise ich nur auf ©it« nnd iBia (vgl.
meine jüd. Zeitschr. f. Wissensch, u. Leben Bd. X S. 8 Anm. l).
Auch ganze syrische Bücher wurden von Juden mit Beibehaltung
des syrischen Dialektes nur in hebräische Buchstaben umschrieben,
wie dies neuerdings erst von einera Fabelbuche nachgewiesen wor¬
den. So wird es uns auch gar nicht auffallend sein, wenn ein
syrisch geschriebenes alchymistisches Buch {Wright N. 1007) im
Besitze eines Juden gewesen, der am Rande einige Worte in he¬
bräischen Schriftzügen anmerkte (das. S. 1191'').
Von der gegenseitigen Aufhellung, welche die Vergleichung des
Syrischen mit dem Thalmudischen und dem Thargumischen dar¬
bietet, sei hier nur noch ein Beispiel beigebracht. Das Wort noa-'N
^ ■'
1) Diese Beihenfolge auch bei Payne-Smith unter oL/ (S. 419):
viL? W.
10*
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in dem nicht seltenen tnalmndischen Ausdrnclie: rrb nDS'^N inm,
was liegt ihm daran, nimmt Buxtorf und nach ihm Levy als Ith¬
peel von DDD. Dafür scheint der Infinitiv nzov2 zu sprechen, der
Gittim 62" vorkommt. Bedenklich muss jedoch machen, dass es
im Jeruschalmi (Sotah 5, 2) heisst: ^fb riDDN, sich demnach das
Thav als nicht zum Stamme gehörig bekundet. In ganz gleicher
Weise schreibt nun ein Nestorianer im J. 1709 (Wright 1067")
NSlo/ , es lag ihm daran , er sorgte dafür ; den Gebrauch des
jaa/, auch impersonaliter gesetzt, weist Payne-Smith im Wörter¬
buche nach. So haben wir denn für das thalmudische Wort auch
tp» als Wurzel zu betrachten und zugleich die syrische Parallele
nachgewiesen.
Noch sei zu bemerken gestattet, dass in der Nachschrift, welche
im Zusätze zur Vorrede (S. XXXVII) mitgetheilt wird , nicht
X* ♦
als Ortsname zu betrachten ist, sondern ^J»J lautet und heisst
„von uns beiden"; vielleicht ist auch zu lesen ^opj»JJ, von ihnen
beiden, jidas. heisst: zum Lesen. — Das fc»^/ in der Nach¬
schrift des cod. 931 (S. 1180"), ist wohl richtiger wfc^/, er
brachte (die Handschrift) , zu lesen , als jl./.
Die von Strack zu erwartende Ansgabe des babylonischen
Propbetentextes betreifend.
Vüu Dr. Abr. Geiger.
Bekanntlich ist der bereits vortbeilhaft bekannte Dr. H. Strack
durch die Munificenz der russischen Regierung in den Stand ge¬
setzt, den Propheten-Codex vom J. 916, welcher nach dem baby¬
lonischen Punetations- und Accentuationssysteme angefertigt ist, voll¬
ständig photolithographisch herauszugeben. Derselbe hat bereits
ein Specimen veranstaltet, und zwar von einer zweispaltigen Seite
(58"), welche von den zwei letzten Worten Jer. 4, 23 bis «b in
5, 4 umfasst. Diese kleine Probe giebt uns ebensowohl Bürgschaft
für die grosse Sorgfalt, mit der der Abdruck uns geliefert werden
wird, wie für die Belehrung, die wir aus der vollständigen Wieder¬
gabe dieses handschriftlichen Textes mit seinen Randbemerkungen noch schöpfen können.
In diesem kleineu Stücke begegnen wir zwei Abweichun¬
gen der Madinchae, die früher unbekannt waren. Die eine
unrichtigere hat bereits Pinsker (Einleitung etc. S. 131) mitge¬
theilt, dass der Codex nämlich, übereinstimmend mit der Angabe