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Notizen und Correspondenzen.
Weileres über die Säule des Mesa.
Von Rabbiner Dr. Geigrer.")
Die einzelnen verdunkelnden Wolken, welche sich nm die im
Ganzen klare höchst werthvolle moabitische Inschrift noch gelagert
hatten, verziehen sich mehr uud mehr. Zwar widerstreben einige
Worte, wie namentlich nmp, den angestellten Erklärungsversuchen,
und manche Lücken werden unausgefüllt bleiben ; selbst die Hoff¬
nung auf die Ergänzung durch die Auffindung fehlender Bestand¬
theile dürfte für sie schwinden, wenn wir vernehmen, dass wohl
schon von längerer Zeit her Theile der Säule abgestossen waren.
Allein was seit der ersten Entdeckung und Erkläruug noch weiter
beigebracht wordeu, stellt ebenso das Verständniss des Gauzen
sicherer fest, wie es den sprachlichen Zusammenhang Moab's mit
Israel immer klarer herausstellt. Das weseutliche Verdienst zur
fortschreitenden Aufhellung, welche über das alte Denkmal verbreitet
wird, gebührt dem Manne, der uns überhaupt zuerst mit demselben
bekannt gemacht, Hrn. Ganneau. Es soll mit diesem Ausspruche
den verdienstlicheu Leistungen der um die Erklärung bemühten
Gelehrten kein Abbruch geschehen uud ebenso die Beihülfe, welche
die Mitwirkung des Hru. War reu darbietet, nicht unterschätzt
werden. Allein die in England cursirenden Abklatsche und Photo¬
graphien könuen — soweit ich sie nach Scblottmann's Zusammen¬
stellung kennen gelernt — weil sie nicht von Sachkennern unter¬
nommen worden, nur eine Stütze sein für die Gauneau'schen Ab¬
schriften und würden für sich selbst nur äusserst selten einige
Sicherheit darbieten.
Von Hrn. Ganneau nun haben wir neuere schätzbare Mitthei¬
lungen iu Briefen an den Hrn. Grafen Vogüe, welche das Juni-
Heft der Revue archeologique bringt, erhalten, deren ergiebiger Er¬
folg hier verzeichuet werdeu möge. — Die erste Hälfte des Namens
vou Mescha's Vater (auf Z. 1) stand fest als identisch mit dem
Namen der Moabitischeu Nationalgottheit «3)23; die zweite Hälfte
jedoch, für die Hr. G. an; vorgeschlagen hatte, beruhte nur auf
dem anderweitigen Vorkommen des Namens in dieser Zusammen-
1) Nachtrag. Zu pblüÜ auf Z. 4 möchte ich folgende Conjectur
empfehlen. Auf unserer Inschrift sind Schin und Mem so gestaltet, dass dieses sich von jenem nur durch einen langen Strich rechts unterscheidet. Wie leicht kann nun dieser Strich im Abklatsche ausgefallen sein ! Dann wäre "jabMÜ zu lesen und der Sinn ist einfach: Er (Khemosch) hat mich gerettet von allen Königen (welche mich angegriffen), vielleicht gerade von den drei Verbündeten.
A. G.
434 Notizen wul Correspondenzen.
Setzung und, wie es sciieint, auf der aus den verwischten Schrift¬
zügen sich ergebenden Vermuthung. Hr. G. liejt nun die zweite
Hälfte mit Bestimmtheit als i> , welches , als Name einer in wei¬
terem Umkreise verehrten Gottheit, mit dem Namen der specifisch
moabitischen zu eiuem Namen verschmolz und den Eigennamen
eines Menschen bildete, wovon Beispiele im Semitismus nicht seiteu
sind. Zusammensetzungen mit n weist Hr. G. einzelne nach, uud
mir scheint gerade in einer solchen Verbindung zweier Götternamen
das Bekenntniss zu dem besonders verehrten Gotte zu liegen, der
hiermit mit dem allgemeiner anerkannten identificirt wird, also hier :
Khemosch ist Gad, gerade wie ■^b73^b6< (mein El ist Melech oder
Moloch), in-ibN (mein Gott ist Jah), rr^bsa (Baal ist Ja) u. a. das¬
selbe ausdrücken. Denn Gad ist allerdings nicht die Moab allein
eignende Gottheit, sein Cultus ist vielmehr ein weiteres Gebiet um¬
fassend, wie wir dem Worte bald als zur Bezeichnung der be¬
schützenden Gottheit bald als Glück überhaupt im Aramaismus,
sowohl in der thalm. Literatur (vgl. Aruch u. Buxtorf) als auch
in der syrischen (vgl. Rödiger im Glossar zu seiner syr. Chresto¬
mathie, Lagarde's analecta 155. 157. 176) begegnen. Danach er¬
klärt sich auch, wie mit dem israelitischen Stamme Gad, welcher
von dieser Gottheit den Namen trug, die ganze transjordanische
israelitische Bevölkerung bezeichnet, in ihm die übrigen Stämme
mit eingeschlossen wurdeu, wie ich darauf früher bereits zu Z. 10
aufmerksam gemacht.
Nach na W»-) auf Z. 9 liest uun Hr. G. noch müsn, das
er mit „le fosse" wiedergiebt, ein etwas Bedenken erregendes Wort, das zur Conjectur auffordert; diese liegt nicht fern, und ich glaube,
dass wir es hier mit einem Worte zu thun habeu, welches dem
chald. n-;l*N, dem syr. jfckjt/ (auch hebr. und arab.): Grundmauern
entspricht, also etwa ni-Nn oder getrennt [nMnT o. b]ni \üs<n zu
lesen. Jedenfalls dürfte dem Sinne nach Schlottmann das Richtige
getroffen haben. — Z. 11 wird nunmehr nicht blos das volle
bsiiB'', welches freilich keinem Zweifel unterlag, sicher erkannt,
sondern auch der Name der Stadt, welche auf ns folgt, als niay,
wo zwar der zweite Buchstabe — welcher, nämlich Teth, auf der
ganzen Inschrift nicht vorkommt — nicht festzustellen, aber in
Betracht der drei andern mit Bestimmtheit gelesenen Buchstaben
kaum zu bezweifeln ist, so dass wir auch die wichtige Stadt, welche
4 Mos. 32 immer (V. 3 und 34) mit Dibon zusammensteht, auf
unserer Inschrift wiederfinden. — Noch eineu andern Stadtnamen
bringt Hr. G. nunmehr zur Geltung. Er hatte auf Z. 12 nach ujn
das Wort pc gelesen, Derenburg erkannte dies richtige als den
Namen einer Stadt, die er mit naaia identificirte, wofür wir 4 Mos.
32, 39 in dem jerusalemischen Thargum '\-\^^ lesen. Die Autorität
dieses Thargum jedoch, zumal die in ihm nicht auf anderm Wege
constatirten Lesarten bei dem erbärmlichen Zustande des uns vor¬
liegenden Textes lür eine so alte Inschrift zu verwerthen, ist be-
Notizen und Correspondenzen. 435
denklich, so dass ich schon früher Misstrauen gegen diese Deutung
aussprach. Nun findet Hr. (j., dass das Resch in dem Worte sehr
zweifelhaft sei, ebenso gut uud wahrscheinlicher Pe gelesen werde.
Wie leicht das Pe auf dieser Inschrift verkannt und zwar ebenso¬
wohl ein Beth wie ein Resch dafür gelesen wird, hat Schlottmann
(oben S. 258) an einigen Beispielen aus Warren's Abbildung nach¬
gewiesen. Wir haben demnach den Namen ]Eis, den wir (plene)
4 Mos. 32, 35 lesen.
Von Wichtigkeit ist wieder die Entdeckung eines und dessel¬
ben neuen Wortes an zwei Stellen. Z. 12. 13 liest uämlich Hr. G.
jetzt nanoNT, von welehem Worte die zwei ersten Buchstaben am
Ende der ersten Zeile stehn, während der dritte Buchstabe, mit
welchem Z. 13 beginnt, unerkennbar ist. Auf Z. 18 liest er nun¬
mehr nach mni noch dn . anONi ; Anfang mit si , Ende mit D
findet sich auch bei Warren, alles Andere wird von diesem als
unsicher bezeichnet und nur ti~ oder "osn anstatt an gesetzt. Das
Vertrauen zu Hrn. G. , das sich bis jetzt immer gerechtfertigt hat,
darf uns auch diese sich wiederholende Lesung, die noch dazu ein
ungewöhnliches Wort beibringt , mit Zuversicht annehmen lassen,
ano bedeutet im Hebr. : fortschleppen und zwar indem der fort-
geschalfte Gegenstand damit geringschätzig behandelt wird , und
diese Bedeutung passt an beiden Stellen sehr gut; an ersterer wer¬
den die gefangenen Israeliten vor Khemosch hingeschleift, au der
zweiteu die Jhvh geheiligten Gefässe. Ilr. G. schafft sich selbst
eiue unnütze Schwierigkeit — was freilich gerade unser Vertrauen
zu ihm zu erhöhen geeignet ist —, wenn er meint, anD schliesse
auch die Bedeutuug von „zerreissen" in sich, so dass es eher von
Gewändern als Gefässen passte. Allein das Zerreissen ist blos eine
Folge des Fortschleifens bei Gegenständen, die dieser nachlässig¬
geringschätzigen Behandlungsweise zu widerstehn nicht zähe genug
sind, aber cs ist nicht nothweudig damit verbunden. Auffallend ist
die Lostrennung des das Object vertretenden Suffixes am zweiten
Orte mit an; allein wenn wir des chald. ri n und lii:!"!, das aucb ausschliesslich Accusativbedeutung hat, eingedenk sind, so schwindet auch dies lür den ersten Anblick Ungewöhnliche.
Wäbrend schon früher Vermuthetes, wie noob Z. 21, aa'5 Z.
24. 25 und m Z. 32 nunmehr von Hrn. G. Bestätigung erhält,
bietet er uns eine wichtige Ergänzung für eineu Theil der Lücke
am Ende der 16. und am Anfang der 17. Zeile. Hier hatte mau
schon vou zwei Buchstaben , die VVarren zum Schlüsse der Lücke
(also vor ^a) las, erfahren, nämlich na; das wird nun — ganz
unabhängig davon — von G. bestätigt, aber zu ram ergänzt,
während er auf Z. 16 uoch ma:; liest, also Herrinnen, n'-a;, und
dienende Mädchen, n7:n"i , werdeu unter den sieben Tausend, welche
in der Stadt Nebo erschlagen worden, dem Khemosch als Bann
geopfert. Wir bekommen hier noch ein Wort, das uns auch nur
im Hebräischen, und zwar nur einmal in dem alten Deborahliede,
436 Notizen und Corretpondenzen.
wieder begegnet, nämlich Dni oder n?2ni als die in Gefangenschaft gerathende Jungfrau.
So wird der Inhalt der Inschrift immer lichter, der Zusammen¬
hang zwischen Moab und Israel auch im Sprachgebiete stellt sich
immer deutlicher heraus, wenn auch jedes in Denk- und Sprech¬
weise seine Eigenthümliehkeit wahrt.
Berlin 5. Juli 1870.
Das baktrische Kameel
und das Land Musri der Keilinschriften.
Von Prof. Dr. Schräder.
Ueber der dritten der bildlichen Darstellungen auf dem zu
Nimrud gefundenen Obelisk Salmanassars II (858—823) lesen wir
eine Inschrift, welche transscribirt lautet: Madatu sa Musri
gammali sa sunai sirisina alap nahar Sakiya equum
amh ars u. Die Worte werden von Oppert (Memoire sur
les rapports de l'Ägypte et de l'Assyrie dans l'antiquite. Par. 1869.
4. p. 9) übersetzt: „Tributa Aegypti: camelos, quorum duplicia
dorsa, bovem fluminis Sakeya, equum .... imposui illi". Die
Uebersetzung ist, wenn wir von der Deutung des Eigennamens
Musri Absehen nehmen, grammatisch und lexikalisch unanfechtbar.
Das erste Wort madatu = maddatu, ursprünglicher noch häufig
lautend mand atu, Rad. nadan „geben", ist in der Bedeutung
„Tribut" gesichert durch Z. 9 der Inschrift von Naksch-i-Rustam
verglichen mit dem persischen Originaltexte. Das deu Begriff ,, Ka¬
meel" ausdrückende Ideogramm ist durch die scythische Uebersetzung
der Behistuninschrift (Z. 35 des assyrischen Textes) nach seiner
Bedeutung (s. Oppert, Exped. en Mesop. II. 217), nach seiner pho¬
netischen Aussprache (=gammal) festgestellt dureh die Khorsabad-
inschrift Sargons Z. 27. 185. Die Construction: „welche — ge-
Ob'
doppelt waren ihre Rücken (^4^)", ist eine correkt semitische; die
Deutung weiter der so geschilderten Thiere auf das zweihöckrige
Kameel, das sog. Trampelthier, bezüglich ihrer Richtigkeit durch
die, ein solches Thier darstellende, Abbildung über jeglichen Zwei¬
fel erhoben. Das Verbum mahar in der hier erforderlichen Be¬
deutung findet sich neben dem Substantiv madatu wie hier und in
den übrigen gesonderten Inschriften des Obelisks, so auch sonst
sehr häufig z. B. Inschrift von Khorsabad Z. 27. 54.
1) Zu INba Z. 23, welches ich für ^bs nehme , bemerke ich noch , dass d. hehr. auch richtiger von NbiD abzuleiten ist als von .ibD , entsprechend jenem heisst es zunächst: ein Behältniss, welches einen Gegenstand ein¬
schliesst, also ein Gefäss. Umsomehr darf danu das Hervortreten des
Alef in d. Flexion ,, erwartet werden , und so dürfte denn auch D^t^blS Dual von
ihm sein : „Doppelinhalt". A. G.