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Notizen und Correspondenzen.
Ueber die Endnng hart, kert, gird in Städtenamen.
Von
A. J>. Mordtmann, Dr.
Im XXX. Band dieser Ztschr. S. 138 ff. und im XXXI. Bd.
S. 495 flf. haben die Hm. Hübsclmiann und Blau über die Endung
kart, gird in Städtenamen einige ausführliche Erläuterungen ge¬
geben, welche auch mich veranlassen diesen Gegenstand einer
weitem Discussion zu unterziehen, weil ich mich früher gelegentlich
darüber geäussert habe. Es ist gewiss eine verdienstliche Arbeit
solche Detailstudien über irgend eiaen einzelnen Punkt vorzunehmen,
indem sie nicht nur geeignet ist gewisse Lehrsätze an ihnen zu
prüfen, sondem meistens auch noch zu weiteren Porschungen und
zu wichtigen Besultaten Anlass giebt.
ünter dem Titel „Zur vergleichenden Geographie Persiens'
habe ich eine kleine Abhandlung geschrieben, welche in den
Sitzungsberichten der k. bayer. Akademie der Wissenschaften,
philos.-philol. Classe Jahrgang 1874 S. 231 flf. abgedrnckt ist. Da
ich nicht annehmen darf, dass diese Abhandlung jedem Leser der
Ztschr. zur Hand ist, so gebe ich hier die SteUe wieder, welche
den erwähnten Gegenstand betrifft; sie steht S. 241 und lautet:
o...
„Das Burhan-i Kati sagt (p. 520 ed. Constant.) (gird) öJ
vj!^!o ».S yS liyCÄjL**»} ojCjIjIi^ y> üouwLül* »jJljj
00 ,.,
^JüC*jO iJ«}Lajw ,Gird oJs bedeutet Stadt, Ortschaft, z. B.
Darabgird, Siaveschgird, d. h. Stadt des Darab, Stadt des Siavesch."
„Der Name Darius lautet bekanntlich altpersisch Därayavus,
und „Stadt* vardanam ; letzteres Wort ist das eben besprochene
neupersische öß gird (wie Vistä9pa = Guschtasp = Hystaspes);
es hat sich in seiner archaistischen Gestalt noch in einigen Namen
S 0 *
Notizen und Correspondenzen. 725
erhalten, z. B. Abiverd; auch das b in Darab ist eine neuere
Form. Jakut hat also ganz recht, wenn er sagt, dass die Stadt
ehemals Daraverd (er schreibt und OjG!,^ nicht L>,»!,b
y-^J ^ ' J^J '
öXiJö) hiess, und dass ein Bewohner der Stadt heisse."
Hr. Dr. Hübschmann bestreitet die Bedeutung „Stadt" und
behauptet kart, gird u. s. w. bedeute nur „gemacht" ; Hr. Dr. Blau
dagegen vertheidigt die Bedeutung „Stadt" in Städtenamen, hält
jedoch das Wort nicht für persisch (oder eranisch, wie man seit
einigen Decennien in Deutschland schreibt) und hält es eher für
ein semitisches oder mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit für
ein parthisches oder überhaupt turanisches Wort. Da Hr. Dr. Blau
selbst erklärt , dass er über die ethnographische Stellung der
Farther noch nicht vöUig im Beinen ist, so können wir die Dis¬
cussion dieser Frage hier füglich weglassen.
Es ergiebt sich aber aus dieser Zusammenstellung, dass
meine Ansicht nicht mit der Ansicht der beiden genannten Ge-
lehi-ten in Uebereinstimmung ist; ich erkläre, yrie obiges Citat
zeigt, gird für ein persisches Wort, welches „Stadt" bedeutet.
Dass diese Bedeutung in Personennamen, z. B. Jezdegird nicht
zulässig ist, versteht sich von selbst; da bedeutet es augenschein¬
lich „gemacht". Aber dieselbe Bedeutung auch bei Städtenamen
anzuwenden, scheint mir in sehr vielen Pällen ganz unzulässig,
wie schon Hr. Dr. Blau erkannt hat ; Kinar-i gird z. B. (in Medien,
s. Morier, Sir B. K. Porter, Dupre Voyage en Perse H, 185,
Brugsch II, 275) kann gewiss nicht „vom Bande gemacht" bedeuten,
sondem blos „Band der Stadt". Ueberhaupt aber hat das Wort
gird „Stadt" mit dem Zeitwort kerden „machen" keinerlei Zu¬
sammenhang; gird bedeutet nach Aussage der persischen Lexiko¬
graphen „Stadt" und vrird abgeleitet von ^.jjojjf' gerdiden „sich
umdrehen"; es ist also dieselbe Idee, welche die Ableitung des
griechischen Wortes nokig von noXiw „umdrehen" veranlasste, imd
das lateinische Wort urbs mit orbis in Verbindung brachte. Sonst
bedeutet gird auch „rund" „Kreis", ofFenbar von derselben Wurzel.
Die älteste Form des Wortes finden vrir in der Bihistun-Inschrift,
vardanam, und zwar in der ganz zweifellosen Bedeutung „Stadt",
gerade wie das Zeitwort gerdiden früher (im Zend) varet hiess;
im Pehleri existirt vartaschna „Kreis" „Umdrehung", im Parsi
vardidan „sich umdrehen", sämmtlich von der Sanskritwurzel m-it,
welche dasselbe bedeutet, und im Lateinischen vertere lautet.
Der Uebergang des Anlauts v in g ist in der persischen Sprache
so gewöhnlich, dass ich mich fast schäme dieses hier zu wieder¬
holen; — wie ich aus dem Aufsatze des Hm. Hübschmann sehe,
hat schon Hr. Justi vardanam mit gird verghchen. An und für
sich bestreitet Hr. Hübschmann es auch nicht, sagt aber (1. c.
S. 140): „Aber v geht doch nur im Anlaut in g über, bleibt aber
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im Inlaut v, wie es ja auch der Fall ist in den von Justi an¬
geführten Städtenamen auf wie öjjj^\. Justi müsste denn
annehmen, diss aus vardana das selbständige fftrd Stadt geworden
und dies fertige gird mit den Eigennamen zusammengesetzt wor¬
den wäre. Dann müssten übrigens die Namen alle aus der späteren
Sassanidenzeit herrühren, da die frühere den Uebergang von v zu
g noch nicht kennt." Zugleich verweist er auf eine von mir im
Vlll. Bd. der Ztschr. veröffentlichte Sassanidenmünze, wo der Name
der Stadt Darabkird geschrieben ist. Die Münze war im Besitz
des verstorbenen Borrell in Smyrna , jetzt ist sie wahrscheinlich
im Britischen Museum; was ich damals, vor mehr als 25 Jahren,
für ganz sicher hielt, ist mir längst zweifelhaft geworden; die
Buchstaben stehen nicht in einer einzigen Reihe, sondem tbeils
neben der Flamme, theils auf dem Altarscbaft u. s. w. Im Besitz
des verstorbenen Generals v. Bartholomaei war eine ganz ähnliche
Münze, sie ist in der von Hm. Dom herausgegebenen Collection
des Monnaies Sassanides de feu le Lieut. General J. de Bartho¬
lomaei T. X, No. 11 abgebildet; dort steht neben der Flamme
links där, recbts bi, auf dem Altarscbaft . . st (statt räst). Die
Legende neben der Flamme lautet also Därab; was dieses Därab
bedeutet, werden wir sogleich sehen; zunächst constatire ich nur,
dass ich damals irrigerweise die Buchstaben auf dem Altarscbaft
mit den Buchstaben neben der Flamme zu einem einzigen Worte
vereinigt habe.
Nun wird es doch wohl niemanden einfallen im Emst zu
behaupten, dass das Anlegen von Städten in Persien zu einer
gewissen Zeit aufgehört habe, und dass seitdem keine neuen Städte
mehr angelegt wurden; selbstverständlich bediente man sich bei
der Benennung neuer Städte allemal desjenigen Wortes , welches
gerade damals im Gebrauch war, also in den älteren Zeiten vard oder
verd, wie Abiverd, Bagaverdan, Helaverd, Sohraverd, Navard u. s. w.
Später sagte man gird, und so hiess es Azadgird, Eamgird, Zigird,
Chanigird, Kulugird u. s. w.; jetzt gebraucht man abad z. B. Hus-
seinabad, Chosrevabad u. s. w. Was nun Darabgird betrifft, welches ich in den so eben angeführten Beispielen absichtlich wegliess, so belehrt
uns Jakut in seinem geographischen Wörterbuche Bd. H p. 561
ausdrücklich, dass diese Stadt ehemals Daraverd Jj^l^J genannt
wurde. Und zum Beweis, dass diese Behauptimg Jakut's nicht
aus der Luft gegriffen ist, sondem völlig wahrheitsgemäss, citire
ich aus Ibn al-Athir's J^ljCi! Bd. VI, pg. 58 (der ägyptischen
Ausgabe; die leyden'sche Ausgabe besitze ich nicht) unter dem
Jahre d.H. 182 am Schlüsse: jjj«Jt Js-^c oLo »>j»J!
'»-^-i^ J^y (^-^jsL)*^' er? ^"^^
Notizen tmd Coi-regpondenzen. 727
i^öjji\ji IjJLäs LjjJt nJM^j tjJLftSXw'j t3.:Äjtj!i3. Hier liaben wir
also zwei unabhängige Zeugnisse, aus denen hervorgeht, dass die
Stadt früher Daraverd und später Darabgird hiess, dass also das
alte V nicht nur im Anlaut, sondem auch im Inlaut in g überging,
was übrigens nicht das einzige Beispiel ist; ich kann noch mehrere
aufführen, altpers. aiva, Pehlevi ayok, neupers. liJLj; ^.jJüj-o und
^^lXäXaj. Ob aber die Stadt etwa bis zum J. 800 n. Ch. Dara¬
verd, imd dann später Darabgird hiess, ist mir sehr zweifelhaft;
ich glaube , sie hat weder den einen noch den andern Namen
geführt ; in der Bihistun-Inschrift heisst sie Täravä und jetzt heisst
sie Darab (vgl. Sir W. Ouseley's Travels Vol. H p. 130).
Hr. Dr. Blau bezweifelt den indogermanischen Ursprung des
Wortes gird, und glaubt nach einer provinzweise vorgenommenen
Zusammenstellung der Namen, welche mit diesem Worte zusammen¬
gesetzt- sind, eher auf einen semitischen oder turanischen Ursprung
desselben scbUessen zu dürfen. Zunächst aber ist so viel sicher,
dass, ganz abgesehen von der ursprünglichen Heimat des Wortes,
die Art und Weise seiner Zusammensetzung mit andern Wörtern
ausschliesslich indogermanisch und zwar specilisch iranisch , dass
also nicht Semiten, sondern Arier diese Namen bildeten ; Zusammen¬
setzungen wie Darabgird, Chosrugird, Tigranokerta u. s. w. haben
dbch gewi.s nichts semitisches in ihrer Bildung und gegen einen
turanischen ürsprung erhebt sich das gewichtige Bedenken, dass
gird, kerd u. s. w. auf turanischem Gebiet entweder gar nicht
oder nur äusserst selten vorkommt; dort sind ganz andere En¬
dungen im Gebrauch : kend, Jceth, balikh u. s. w.
Dagegen gehört unser vard, gird, ka>ta einem Stamm an,
welcher in dem ganzen Gebiet der indoger—anischen Sprachen die
reichste Entwicklung zeigt. Im Sanskrit : vrit „umdrehen" ; variis
„Haus". Afganisch: JiXjjJ' »sich drehen" „hemmgehen". Zend:
varet „umdrehen"; Pehlevi: vartaschna „Kreis" „Umdrehung";
Parsi: vardidan „sich umdrehen"; Neupersisch: ^.^cXjOJ „sich
umdrehen"; ^\öß „Wirbel" „Stmdel"; jüjjj und »Söß „Achse*.
Armenisch: muijinujit[_(par = negl) parurel „umdrehen"; urur
„der Geier' (der umberkreisende) u. s. w.
üm die turanische (aniranische) Herkunft des Wortes gird
noch wahrscheinUcher zu machen, hat Hr. Dr. Blau in dem pro¬
vinzenweise angeordneten Verzeichniss für Persis nur Darabgird und
Valäscbgird aufgeführt. Ich habe schon vorhin bemerkt, dass auch
Darabgird mir zweifelhaft ist, und Valäscbgird in Persis ist mir
nicht bekannt; ich kenne nur ein Valäscbgird in Kirman und ein
anderes in Medien. Aber Persis ist mit diesen beiden zweifel-
728 Notizen und Correapondenzen,
haften Namen noch lange nicht erschöpft; ich führe hier nm- an:
Azadgird, Gerdebgird, Ramgird (eine Stadt, nicht ein Gebirge;
s. Isstacbri ed. de Goeje p. 102. 117. 121; Beladori p. 390);
Zigird (Dupre, Voyage en Perse, I, 461); Chanikerd ,s .< W ^
(Ouseley II, 174); Kulucherd (C. Niebuhr, Reisebeschr. II, 110) u. s. w.
Perner beschränkt sich Iran doch nicht ausschliesslich auf die
Provinz Pars, Persis ; ich denke, Chuzistan, Kirman, Media (Dschebal
und Azerbeidschan) , Chorasan , Taberistan u. s. w. sind gerade so
gut iranischer Boden wie Pars.
Schliesslich noch die Bemerkung, dass im Armenischen ein
Verbum Ijl7jiuitr|_ (gerdel, kertet) gar nicht existirt, und also
weder „machen' noch „bauen' bedeutet; für „machen' gebraucht
man amal, band (pand), ynd. kordzd (gordzel) und für „bauen'
achinel; von letzterer Wurzel kommt schon sinida {schinida)
„Gebäude' in den Keilinschriften von Van vor; wogegen I^tjimfc-j^
zwar in den Wörterbüchern, aber nicht in den Schriftstellem sich
vorfindet.
Arabische Aerzte und deren Scliriflen.
Von M. Steinschneider').
in.
Ibn ul-6ezzar's Adminiculum.
Dieses Werk aus dem X. Jahrb., welches ich in der Münchener
ehemal. hebr. HS. 116 und dadurch indirect in einer arabischen
HS. in Plorenz entdeckte, hat in der medicinischen rmd auch in
der botanischen Literatur eine gewisse Bedeutung erlangt. Die
Münchener HS. ist leider im Zerfallen und daher eine baldige
Benutzimg oder Abschrift sehr wünschenswerth. Die gegenwärtige
Notiz soll zunächst nur eine genauere Beschreibung liefem. Ein
Inhaltsverzeichniss sämmtlicher Artikel des Originals, verglichen mit
der lateinischen unedirten Uebersetzung und der Bearbeitung Con¬
stantin's habe ich vorbereitet^).
Der volle Titel : Ji*:>- ^\ ^Jul\:i (5 oUJCc^ii
Jißi ^iJ^\ ')jJL5>j^t ^\ (*A*!jt 0w5>l stand wahr-
1) Vgl. Bd. XXXI S. 758—761.
2) Dasselb« erscheint im Deutschen Archiv für Geschichte der Medicin, her. von Rohlfs Hett 4, 1878.
3) ibcSD, 2 für 3- stets obne diakritischen Punkt, wie häufig in hebr.
Handschriften.