A2500 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006
A K T U E L L
Rund die Hälfte aller ergotherapeuti- schen Verordnungen entfiel 2005 auf Kinder bis zu zehn Jahren und hierbei insbesondere auf Jungen. Das Durch- schnittsalter in der logopädischen Einzelbehandlung lag bei 13 Jahren.
Für den aktuellen Heil- und Hilfsmit- telreport der Gmünder Ersatzkasse werteten Wissenschaftler vom Zen- trum für Sozialpolitik der Universität Bremen rund 1,1 Millionen Rezep- te, Verordnungen und andere Abrech- nungen aus. Definitionen der Ergo- therapie würden zunächst nicht den Schluss zulassen, dass dieses Heil- mittel vorzugsweise für Kinder ge- eignet sei. Der Verdacht liege nahe, dass es sich hierbei um ein Phä- nomen der „Medizinisierung“ von eigentlich gesellschaftlichen päda-
gogischen Aufgaben handele, wenn ein so großer Anteil von Kindern eine solche medizinisch-therapeutische Behandlung erfährt, urteilt Prof. Dr.
Gerd Glaeske, Mitglied im Sachver- ständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
Ähnlich verhalte es sich bei den lo- gopädischen Leistungen, bei denen von 2004 auf 2005 ein Anstieg um 25 Prozent zu verzeichnen war. Auch hier liege der Verdacht nahe, dass dem gesellschaftlichen Problem der Zunahme von Entwicklungsstörun- gen mit medizinisch-therapeutischen Maßnahmen begegnet werde. Dabei steht nach Aussage Glaeskes ein evi- denzbasierter Nutzenbeweis der Lo- gopädie für sprachauffällige Kinder
noch aus. TG
GESUNDHEITSBERICHT
Licht und Schatten
Die Lebenserwartung der bun- desdeutschen Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren er- höht, sie beträgt bei den Frauen 81,6 Jahre und bei den Männern 76 Jahre. Drei Viertel der über 18-Jährigen bezeichnen ihren Gesund- heitszustand als „sehr gut“
oder „gut“. Das geht aus dem jüngsten Bericht „Gesund- heit in Deutschland“ hervor, den das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht hat (DÄ, Heft 34–35/2006). Damit wird der erste Bericht aus dem Jahr 1998 aktualisiert.
Allerdings nehmen nicht allein Krebserkrankungen, sondern auch Leiden wie Diabetes mellitus, Osteoporose, Schlaganfall und De- menz zu. Der Bewertung des RKI zufolge können die Deutschen des- halb zwar mit einem langen und über lange Zeit in Gesundheit ver- brachten Leben rechnen. Gleichzei- tig werden zukünftig aber immer mehr ältere Menschen mit chroni- schen Krankheiten Behandlung und Pflege benötigen. Weitere Informa- tionen: www.rki.de. Rie
LEITENDE KRANKENHAUSÄRZTE
Memorandum für mehr Flexibilität
Im Sinne einer sektorenübergreifenden Versorgung soll- ten mehr Möglichkeiten geschaffen werden, damit sich angestellte Krankenhausärzte stärker an der ambulanten Versorgung beteiligen können. Auch die Vorgabe, wo- nach eine Anstellung in der Klinik eine Mitarbeit in ei- nem Medizinischen Versorgungszentrum ausschließt, müsse gelockert werden. Das haben der Verband der Leitenden Krankenhausärzte, der Verein Belegärzte in Hessen und die Krankenkasse DAK in einem Memoran- dum gefordert.
Zudem sollten Vertragsärzte stärker an Modellen der integrierten Versorgung beteiligt werden, heißt es wei- ter: „Wenn die Krankenhäuser die Integrationsversor- gung dominieren, besteht die Gefahr, dass deren unbe- wegliche innere Struktur auch auf den ambulanten Be- reich übertragen wird.“ Angeregt wird ferner, dass Krankenhausträger, die nicht mehr wirtschaftlich arbei- ten können, ihre Infrastruktur freiberuflich tätigen Fachärzten zur Verfügung stellen. Rie
Zahl der Woche
830 227
Menschen sind im Jahr 2005 in Deutschland gestorben.
Nahezu jeder zweite Todesfall ging auf eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems zurück.
Foto:Peter Wirtz Foto:Xavier Marchant
HEIL- UND HILFSMITTEL
„Medizinisierung“ von gesellschaftlichen Aufgaben
Ergotherapie:
Wissenschaftler be- zweifeln, dass die- ses Heilmittel vor- zugsweise für Kin- der geeignet ist.
Die Lebenserwartung der Deut- schen hat sich in den vergangenen Jahren erhöht.