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3 Zwischenspiel: Digitalisierung und Bildung in Berufskollegs

Das vorhergehende Kapitel hat sehr allgemein und pointiert generelle Verände-rungen im Kontext digitaler Transformation aufgezeigt. Dabei ist es schon fast ein Allgemeinplatz, wenn darauf verwiesen wird, dass sich die Berufs- und Arbeitswelt im Zusammenhang mit Automatisierung und Digitalisierung zunehmend durch ei-nen stetigen Wandel sowohl auf Ebene der Geschäftsmodelle als auch der Anforde-rungen an den einzelnen Arbeitsplätzen auszeichnet. Gerade dies zeigt sich für die Akteure in der beruflichen Bildung nicht grundlegend als eine Neuerung. Verände-rungen in den beruflichen Handlungsfeldern sind nicht vollständig neu, berufliche Bildung stand auch in der Vergangenheit vor der Herausforderung, Individuen auf einen derartigen Wandel vorzubereiten. Allenfalls zeigt sich der Grad der

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rung als Herausforderung: Der Umgang mit Wandel ist Bestandteil der Routine be-ruflicher Abläufe.

Digitalisierung resp. digitale Transformation ist auch ein zentrales Thema für Didaktik und Schule. Dabei überwiegen für die schulische Bildung Aspekte einer Medien- und Digitalkompetenz und der Nutzung digitaler Medien in Schule und Unterricht (vgl. z. B. Standop 2019, S. 35 ff.). Es ist hier zudem ein mediendidak-tischer Klassiker, dass (neue) digitale Medien nicht per se überlegen sind, sondern es eben darauf ankommt, wie sie gestaltet und im Unterricht eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund sind Diskurse hinsichtlich einer grundlegenden Überlegenheit einzelner Medien auch kaum weiterführend. Vielmehr sind die didaktische Gestal-tung der Medien und ihre Nutzungsformen in den Vordergrund zu rücken. Gerade für Bildungsgänge an berufsbildenden Schulen werden ergänzend hierzu Verände-rungen in den zugrunde liegenden beruflichen Handlungsfeldern aufgeworfen (vgl.

u. a. KMK 2016). Sloane et al. (2018, S. 49 ff.) treffen folgende Aussage: „Der Begriff

‚digitale Bildung‘ wird hauptsächlich auf den Umgang mit Medien im Unterricht re-duziert und damit auf seine methodische Dimension hin verkürzt. Die konkrete Umsetzung von Digitalisierung muss allerdings auch inhaltlich Eingang in die päda-gogische Arbeit finden.“ Es werden hier verschiedene Herausforderungen an die be-rufliche Bildung herangetragen, oftmals auf einer programmatischen Ebene, dass berufliche Bildung den Anforderungen von Digitalisierung und digitaler Transfor-mation nicht gerecht wird. Beispielsweise wäre dann zu prüfen, ob Berufsbildung noch einen Rahmen bietet, um den Anforderungen gerecht zu werden, oder benöti-gen wir ein 4.0-Berufsbildungskonzept? Aktuelle Studien deuten eher an, dass der bestehende Rahmen durchaus den Herausforderungen gerecht werden kann, aller-dings innerhalb dieses Rahmens eine (Neu)Gestaltung unter Berücksichtigung der Herausforderungen digitaler Transformation erforderlich scheint. Hier werden dann die Herausforderungen zumindest auf curricularer Ebene aufgenommen (vgl. z. B.

für die Fachschule das kompetenzorientierte Profil zur Berücksichtigung der Anfor-derungen für Wirtschaft 4.0, KMK 2019). Dabei bleiben die Überlegungen aber durchaus offen und bedürfen einer Anpassung vor Ort. Damit kann vermutet wer-den, dass die Bedeutung des Bildungspersonals zunehmen wird, aber auch mit einer Verschiebung der Tätigkeiten von didaktisch-methodischen zu thematisch-curricula-ren Herausforderungen für das Bildungspersonal verbunden sein könnte. Es bleibt zudem oft unscharf, was für berufliche Bildung unter digitaler Kompetenz/kompe-tenzorientierten Anforderungen etc. zu fassen ist (Bedienung digitaler Innovatio-nen, wie z. B. Pflegeroboter oder Gestaltung digitaler Lebenswelten etc.). Ohne an dieser Stelle die Herausforderungen und Chancen weiter zu diskutieren, wird ein Spektrum in der folgenden Abbildung angedeutet:

170 Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

Generelle Herausforderungen im Kontext digitaler Transformation (eigene Darstellung)

Der Diskurs um digitale Transformation erscheint nicht vollständig neu, es werden durchaus bekannte Themen adressiert, so z. B. Flexibilisierung und Durchlässigkeit, Differenzierung und Individualisierung, aber auch Verschränkung zu Globalisie-rung und InternationalisieGlobalisie-rung sind zu erkennen. Dabei ist jedoch auch grund-legend zu klären, was unter beruflicher Handlungskompetenz gefasst wird und wie zum Teil auch widersprüchliche Entwicklungen aufgenommen werden können (vgl.

z. B. Kap. 2 Innovations-Paradoxon). Die Aufdeckung und das Verständnis von nicht direkt sichtbaren Prozessen scheint für Bildungsverläufe nochmals an Bedeutung zu gewinnen und gleichermaßen wird die Forderung erhoben, dass Menschen zur Mit-gestaltung digitaler Lebenswelten zu befähigen sind. Hier besteht wiederum die Ge-fahr, dass dies auf Programmier- und Softwarekenntnisse reduziert wird, vielmehr besteht jedoch die Notwendigkeit, Mechanismen zu verstehen bzw. neue Möglich-keiten zur Gestaltung der Lebenswelt über Digitalisierung aufzunehmen. Auch hier finden sich pädagogisch-didaktische Ansätze, die interessante Anschlussmöglichkei-ten bieAnschlussmöglichkei-ten, um darauf vorzubereiAnschlussmöglichkei-ten (vgl. z. B. den Ansatz einer designbasierAnschlussmöglichkei-ten Di-daktik, Kremer & Pferdt 2007; Pferdt 2012).

Es bleibt festzuhalten, dass digitale Transformation über den Zugang digitale Medien/Medienkompetenz und digitale Kompetenz nur partiell erfasst werden kann. Damit wird überwiegend die Perspektive des Lernens mit digitalen Medien aufgeworfen und weniger die Frage einer Bildung für digitale Transformation. Auch wenn diese beiden Zugänge in einem Zusammenhang stehen, erscheint mir gerade für die berufliche Bildung die Fokussierung auf die Frage einer Bildung für digitale Transformation von hoher Bedeutung. Es stellt sich hier die Frage, wie berufliche Bildungsarbeit in Zeiten digitaler Transformation zu gestalten ist. Dies bedarf einer Bearbeitung auf Ebene der beruflichen Bildungsgänge und kann nur sehr begrenzt übergreifend beantwortet werden. Digitale Transformation wird dazu auffordern, sich wiederkehrend mit Veränderungen zu beschäftigen, damit verbundene

beruf-Abbildung 1:

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liche Orientierungen, Anpassungen und Entwicklungen eigenständig vorzunehmen und sich in veränderte berufliche Handlungsfelder und -domänen einbringen zu können. Berufliche Handlungen in sich verändernden Umfeldern vornehmen zu können und die eigenen beruflichen Kompetenzen einbringen und anpassen zu können, werden sich für ein Bestehen in beruflichen Lebenswelten als grundlegende Basiskompetenzen zeigen. Damit verliert die berufliche Ausbildung in einem Tätig-keitsfeld nicht an Bedeutung, allerdings ist eine Adaption dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich. „Handeln können“ bezieht sich damit auch auf die Zusam-menführung eigener Vorstellungen und Perspektiven mit den Anforderungen und Möglichkeiten sich wandelnder beruflicher Handlungsfelder. Selbstreflexions- und Selbstregulationsfähigkeiten in und zur Gestaltung beruflicher Handlungsfelder werden damit nochmals an Bedeutung gewinnen. Meyer und Junghans (2019) be-trachten hier auch die Potenziale digitaler Medien und weisen darauf hin, dass spe-zifische Erkenntnisse zum Erwerb von Selbstregulationskompetenzen mit digitalen Medien Mangelware sind, der Anschluss an generelle Befunde jedoch möglich ist:

„(1) Selbstregulationskräfte werden gestärkt, wenn die Schülerinnen und Schüler re-gelmäßige Rückmeldungen zum Lernerfolg erhalten (vgl. Hattie 2013, S. 215). (2) Selbstregulationskräfte werden behindert, wenn die Schüler allein gelassen werden (vgl. Kirschner et al. 2006). (3) Sie werden gestärkt, wenn die Schüler Autonomieer-lebnisse haben. (4) Sie werden behindert, wenn sich die Schüler nicht sozial einge-bunden fühlen. (vgl. Deci & Ryan 1993). (5) Sie werden gestärkt, wenn die Schüler angehalten werden, über das eigene Lernen nachzudenken und sich ihre Lernstrate-gien bewusst zu machen. Das nennt sich dann „Metakognition“. Und dies hat einen erstaunlich starken Einfluss auf den Lernerfolg (vgl. Hattie 2019, S. 224 ff.). Deshalb sind wiederholte Reflexionsrunden im Plenum oder in kleinen Gruppen unverzicht-bar.“ (Meyer & Junghans 2019, S. 50). Auch hier muss festgestellt werden, dass dies zwar durchaus für die berufliche Bildung anschlussfähig ist, die Besonderheiten ei-nes Wissens- und Kompetenzerwerbs werden jedoch kaum betrachtet. Es finden sich auch ausgewählte Studien, die den Erwerb von (Selbst-)Reflexions- und Regula-tionsfähigkeiten betrachten und die Besonderheiten einer Lernfeld- und Bildungs-gangdidaktik aufzeigen (vgl. Dilger 2007; Sloane 2011; Tramm 2011; Kremer 2013).

Auch wenn der Arbeitskräftebedarf in den verschiedenen Berufsfeldern und Qualifikationsebenen nur sehr schwer vorhersehbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine Gemeinsamkeit darin zu sehen ist, dass Positionierungen und Einordnungen in berufliche Tätigkeitsfelder zu bewältigen sind. „Handeln können“

bezieht sich damit zunehmend auf die Vorstellungen, Orientierungen, Entscheidun-gen und UmsetzunEntscheidun-gen der Individuen selbst und zeigt sich als eine weitere Schlüs-selkompetenz in Zeiten digitaler Transformation. Dies wird eine Bildungsarbeit er-fordern, die sich zwar auf die Bewältigung beruflicher Anforderungen bezieht bzw.

das kompetente Handeln in Domänen. Gleichermaßen aber wird die individuelle Gestaltung in und von beruflichen Handlungssituationen an Bedeutung gewinnen, was zur Beschäftigung mit Standards in der beruflichen Bildung auffordert.

172 Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

4 Ausbildungsvorbereitung – Annäherungen

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