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5 Digitale Transformation – ein Thema für ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge!?

Wie bereits adressiert, werden die mit digitaler Transformation einhergehenden Ver-änderungen für berufliche Bildung eine hohe Bedeutung haben. Dabei muss festge-stellt werden, dass gerade für die berufsschulische Bildung auch mediendidaktische und methodische Aspekte im Vordergrund stehen. Die Veränderungen in den

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lichen Handlungsfeldern werden durchaus zur Kenntnis genommen, aber nur be-grenzt diskutiert. Dies zeigt sich dann häufig über die Veränderung der Berufsbilder und den damit verbundenen Ordnungsgrundlagen (vgl. z. B. aktuell für den kauf-männischen Bereich die Neuordnung des Ausbildungsberufs für Bankkauffrau/

Bankkaufmann, vgl. Bankkaufleuteausbildungsverordnung 2020). Die Forschungs-lage für ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge kann als ausgesprochen mager eingestuft werden. So finden sich kaum Studien dazu, welche didaktischen Auswir-kungen digitale Transformation für die (schulische) Curriculumarbeit und deren Akteure in der Ausbildungsvorbereitung hat. Es finden sich einzelne Arbeiten, die die Potenziale digitaler Medien heranziehen, um eine verbesserte Teilhabe benach-teiligter Gruppen und Jugendlicher zu erreichen. Hierbei wird jedoch auch der Schwerpunkt auf die mediendidaktische Gestaltung gerichtet und kaum die Frage aufgeworfen, inwiefern eine didaktische Gestaltung der ausbildungsvorbereitenden Bildungsgänge verändert werden muss. Das Projekt „IvÜFA: Inklusive virtuelle Übungsfirma – Berufliche Qualifizierung für die Teilhabe am allgemeinen Arbeits-markt des Berufsfeldes Wirtschaft und Verwaltung“ zielt auf eine Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung und Benachtei-ligungen (vgl. https://www.wida.wiwi.uni-due.de/forschung/laufende-forschungspro jekte/ivuefa/). Hierzu wird die Überführung des Übungsfirmenkonzepts in ein vir-tualisiertes Konzept angestrebt. Das Projekt myVETmo zielte auch darauf ab, Ju-gendlichen mit besonderen Herausforderungen und Förderbedarf im Übergang von Schule und Beruf Mobilitäten als Lerngelegenheit anzubieten. Hierzu werden u. a.

webbasierte Begleitformate konzipiert und erprobt. In beiden Projekten wurden die Potenziale digitaler Medien genutzt, um Ungleichheiten zu beseitigen und Teilhabe-möglichkeiten zu eröffnen (vgl. www.myvetmo.eu).

Eine grundlegende Auseinandersetzung mit der didaktisch-curricularen Gestal-tung ausbildungsvorbereitender Bildungsgänge ist nur rudimentär zu erkennen bzw. wird weitgehend ausgeblendet. Es finden sich einzelne Beiträge zur softwarege-stützten Gestaltung von Lehr-Lernarrangements für benachteiligte Jugendliche (vgl.

z. B. Howe & Knutzen 2005). Allerdings sind diese in der Regel unabhängig von aktuellen Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt. Es stellt sich hier die Frage, inwiefern ausbildungsvorbereitende Maßnahmen über eine Reduktion von Lern-situationen aus beruflichen Ausbildungen konzipiert werden können oder gerade digitale Transformation nicht dazu auffordert, eine eigenständiges Profil ausbil-dungsvorbereitender Ausbildungsgänge erfordert, welches die Stärkung individuel-ler Handlungsmöglichkeiten über berufliche Orientierungs- und Grundbildungs-maßnahmen hervorhebt. Digitale Transformation kann hier nochmals dazu auffor-dern, derartige Orientierungs- und Positionierungsleistungen auch für einfache und niedrigschwellige Tätigkeitsbereiche anzubieten und als Basis für die selbstbe-stimmte Erarbeitung einer beruflichen Perspektive zu nutzen. Gleichermaßen muss auch wiederum festgestellt werden, dass medienbasierte Lern- und Entwicklungsar-rangements ein höheres Maß an Selbstregulationsfähigkeiten benötigen, reduzierte Handlungssituationen aber lassen häufig genau den Erwerb dieser Kompetenzen 178 Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

nicht zu. Grotlüschen (2006) weist darauf hin, dass E-Learning eher Selektionsme-chanismen im Bildungssystem verstärkt und die Beteiligung von gering qualifizier-ten Lernenden in der Weiterbildung als gering einzustufen ist. Es kann hier zumin-dest davon ausgegangen werden, dass derartige Selektionstendenzen zunehmen können. Digitale Transformation wird vermutlich diesen Effekt nochmals verstär-ken, Teilhabe erfordert selbstbestimmte und -gesteuerte Lern- und Entwicklungspro-zesse. Genau diese Anforderung stellt sich zunehmend an ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge: Jugendliche darin zu unterstützen, sich in die Berufs- und Arbeits-welt einbringen zu können. Berufliche Kontexte bieten hier aus meiner Sicht durch-aus einen guten Zugang, um derartige Lern- und Entwicklungsprozesse zu eröffnen.

Die Gestaltung von Lernsituationen in der Ausbildungsvorbereitung erfordert je-doch, Jugendlichen schrittweise Wege in die Verantwortung für ihre eigenen Lern-und Entwicklungsprozesse anzubieten Lern-und damit die Basis für eine berufliche Orientierung und Grundbildung zu legen. Damit steht weniger die standardisierte Bewältigung von beruflichen Anforderungen im Vordergrund, sondern Stärkung und Schärfung individueller Kompetenzen, die dann in Bezug auf berufliche Hand-lungsfelder geprüft werden können. Neben klassischen Basiskompetenzen erfordert digitale Transformation die selbstbestimmte Bewältigung beruflicher Orientierungs-und Entwicklungsprozesse. Genau dies stellt sich gerade als eine zentrale Herausfor-derung für Jugendliche in der Ausbildungsvorbereitung dar. Dies ist keinesfalls eine vollständig neue Herausforderung, vielmehr verstärkt digitale Transformation die Aufforderung zur Eröffnung individueller Kompetenzentwicklungswege und der Not-wendigkeit individueller Förderkonzepte im Rahmen einer stärkenorientierten und entwicklungsförderlichen Didaktik.

Die Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens in digitalen Lebenswelten erfor-dert, in diesen handeln zu können (letztlich auch zu dürfen). Die Bestimmung von Lebensperspektiven, Eröffnung von Handlungsräumen und deren Verfolgung wird zu einer Basiskompetenz mit der digitalen Transformation. Es wird zunehmend so sein, dass man sich nicht in bestimmten Bereichen einrichten kann, sondern Anpas-sungsleistungen werden zunehmen und lebenslang erbracht werden müssen. Ge-rade für die Ausbildungsvorbereitung gewinnt es an Bedeutung, dass zumindest do-mänenspezifische Handlungsvollzüge erarbeitet werden können. Dabei ist stärker auf die Handlungspotenziale der Personen zu schauen und weniger eine defizit-orientierte Perspektive aufzunehmen. Eine derartige Individualisierung erfordert je-doch auch, dass Menschen in der Lage sind, die eigenen Stärken in Handlungen ein-bringen zu können.

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6 Ausblick: Digitale Transformation als integrale

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