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6 Ausblick: Digitale Transformation als integrale Entwicklungsaufgabe ausbildungsvorbereitender

Bildungsgänge

Die Frage, wie Bildung für eine digitale Berufs- und Arbeitswelt gestaltet werden soll, muss eingebettet sein in eine grundsätzliche Klärung, welche Herausforderun-gen sich stellen und wie diese auf Ebene der ausbildungsvorbereitenden Bildungs-gänge bewältigt werden können. Interessanterweise zeigen sich hier Bezugspunkte zwischen den veränderten Anforderungen im Kontext digitaler Transformation und den Konzepten einer inklusiven Bildungsarbeit bzw. den Anstrengungen einer indi-viduellen Förderung in beruflichen Bildungsgängen. Es kann Lehrkräften zuge-stimmt werden, wenn die Herausforderungen digitaler Transformation nicht als vollständig neu für die berufliche Bildung eingestuft werden. Es kann vielmehr fest-gestellt werden, dass inklusive Didaktik gerade vor dem Hintergrund individualisier-ter Lern- und Entwicklungswege auch auf thematischer Ebene Perspektiven anbieten kann. Digitale Transformation wird auch das Bildungspersonal in ausbildungsvorbe-reitenden Bildungsgängen dazu auffordern, didaktisch-curriculare Fragen der Bil-dungsgangarbeit grundlegend in ausbildungsvorbereitenden Bildungsgängen aufzu-nehmen. Es wird zu kurz gegriffen sein, wenn Digitalisierung für diese Bildungs-gänge auf eine methodisch-mediale Fragestellung reduziert wird. Damit könnte die Gefahr einhergehen, dass eine Anpassung in Arbeit, Beruf und Ausbildung in den Vordergrund rückt und gesellschaftliche Mitgestaltung, selbstbestimmte Teilhabe-möglichkeiten und Einbringung nicht gestärkt werden.

Es konnte dargelegt werden, dass digitale Transformation auch für ausbildungs-vorbereitende Bildungsgänge eine hohe Relevanz hat, Bildungsarbeit erfordert auch hier, wiederkehrend den Wandel aufzunehmen, und zeigt sich als Prozessherausfor-derung. In Bezug auf den Prozess digitaler Transformation sind die Akteure zudem Teil des Prozesses und damit aufgefordert, diesen wiederum mitzugestalten. Gerade professionelle Bildungsgangarbeit erfordert, dass eine implizite digitale Transforma-tion der Bildungsgangarbeit aufgedeckt wird und didaktische Gestaltungsperspekti-ven bestimmt werden.

Dies wird aus meiner Sicht zu einer weiteren Verlagerung der Curriculumarbeit auf Ebene der Bildungsgänge führen und eine bildungsgangspezifische Auseinan-dersetzung erfordern. Die folgenden leitenden Fragen können hier Ausgangspunkte auf Ebene der Bildungsgänge an beruflichen Schulen anbieten:

180 Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

Digitale Transformation – Leitfragen für die Bildungsgangarbeit in ausbildungsvorbereitenden Bildungsgängen

Tabelle 1:

Handlungsbereich Leitfragen und Aspekte

Bildungsgang-konzept Grundfrage

Was sind die Basisziele für eine digitale Transformation? (Individualisierung, selbstbestimmtes Handeln etc.)

Rezeption digitaler Transformation

Welche Bedeutung hat digitale Transformation für die Jugendlichen in der Ausbildungsvorbereitung?

Welche veränderten Anforderungen stellen sich im Übergang in Ausbildung/

Beruf/Arbeit?

Welche (wiederkehrenden) Situationen können Jugendlichen begegnen?

Welche Bedeutung hat der Wandel für niedrigschwellige Tätigkeitsbereiche?

Digitale Transformation und Kompetenz

Welche Kompetenzen werden für eine digitalisierte Lebens- und Arbeitswelt benötigt?

Was kann/soll unter digitale Kompetenz gefasst werden?

Wie sollen die Jugendlichen einer veränderten Lebenswelt begegnen können?

Erfahrungsraum

Welche Erfahrungen bringen Jugendliche mit? Woran kann angesetzt werden?

Wie können die Anforderungen eingeschätzt werden?

Wie wird das Lernen in Fächern/Lernbereichen/Lernfeldern miteinander abgestimmt?

Curriculumanalyse/

Gestaltung von Lernsituationen

Curriculumkonzept

Welche Festlegungen werden durch das Curriculumkonzept vorgenommen?

Welche Möglichkeiten werden angeboten, um die Ziele im schulischen Lehrplan zu verankern?

Kompetenzen

Welche überfachlichen Kompetenzen haben eine besondere Bedeutung?

Wie wird den veränderten Anforderungen in der Berufs- und Arbeitswelt begegnet?

Welche Schwerpunkte werden im Lehrplan gesetzt, was kann für alle Jugend-lichen realisiert werden, wo sind individuelle Zielkorridore erforderlich?

Bildungsgang und Lernsituation

Welche digitalen Bildungsmedien sollen kennengelernt werden, welche Lehr- und Lernmaterialien sind erforderlich?

Welche Handlungssituationen sind authentisch und geben den Jugendlichen die Möglichkeit, selbst Perspektiven aufzubauen?

H.-Hugo Kremer 181

(Fortsetzung Tabelle 1)

Handlungsbereich Leitfragen und Aspekte Gestaltung

der Lernumgebung Von der Lernsituation zur Lernumgebung

Wie können die didaktisch-curricularen Anforderungen aufgenommen werden?

Wie erfolgt die Abstimmung/Anbindung an weitere Lernsituationen?

Wie kann der Lern- und Entwicklungsprozess durch die Lernenden mit gesteuert werden?

Welche Herausforderungen digitaler Transformation werden aufgenommen?

Wie ist dies mit anderen Lerneinheiten/Fächern/Lernbereichen abgestimmt?

Digitale Medien

Welche Möglichkeiten bieten digitale Medien zur Unterstützung individualisierter Lernvorgänge (Aufgabenpool, individuelle Tests, Lernmaterialien)?

Bildungspersonal

Welche Rolle hat die Lehrkraft?

Welche Abstimmung zwischen Lehrkräften und weiterem Bildungspersonal ist erforderlich?

Lern- und Entwicklungsprozess

Welche Erfahrungen mit Social Media, digitalen Lernumgebungen liegen vor?

Welche Besonderheiten der konkreten Zielgruppe sind zu berücksichtigen?

Wie können Medien Handlungsprozesse der Lernenden unterstützen?

Professionalität des

Bildungspersonals Unterrichtsarbeit

Wie können wir für den Bildungsgang abgesicherte Positionen zur Relevanz digitaler Transformation für Jugendliche in ausbildungsvorbereitenden Bildungs-gängen entwickeln?

Wie werden digitale Medien für die Unterrichtsarbeit entwickelt?

Wie werden Medienangebote abgestimmt und angeboten?

Teamarbeit/Infrastruktur

Wie wird die Abstimmung zwischen den Akteuren im Bildungsgang organisiert?

Welche Arbeitsbedingungen sind herzustellen?

Welche IT-Organisation ist erforderlich, um die Nutzung der Medien sicher-zustellen?

Digitale Transformation wird eine Teilhabe an Berufs- und Arbeitswelt nochmals he-rausfordern. Selbstbestimmtes Handeln und die Bewältigung beruflicher Orientie-rungswege zeigen sich als Basiskompetenzen. Ausbildungsvorbereitende Bildungs-gänge sind hier aufgefordert, individuelle Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und grundzulegen. Dies ist für die Bildungsarbeit keine revolutionäre Neuerung, aller-dings im Alltag immer wieder herausfordernd. Gerade hier dürfen in Zeiten digita-ler Transformation ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge nicht als Appendix be-ruflicher Ausbildung am Rande stehen.

182 Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Generelle Herausforderungen im Kontext digitaler Transformation . . . . 171 Abb. 2 Lernen in der Ausbildungsvorbereitung (eigene Darstellung) . . . . 176

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Digitale Transformation – Leitfragen für die Bildungsgangarbeit in

aus-bildungsvorbereitenden Bildungsgängen . . . . 181

H.-Hugo Kremer 185

Digitalisierung – ein „eMotor“ für berufliche

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