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Vorstudien zur Umsetzung des Forschungskonzeptes

5. POLICY-ZYKLUS

5.3 Programmimplementation

5.3.4 Neuformulierung des PBWU-Forschungsprogramms

5.3.4.4 Vorstudien zur Umsetzung des Forschungskonzeptes

Wenn auch gewisse Bedenken geäußert werden, noch vor einer Entscheidung des Ministers zum Forschungskonzept bereits tätig zu werden, erklären sich die Vertreter des Umweltmini-steriums im Projektrat bereit, Vorstudien zur Umsetzung von Teilbereichen des neuen Kon-zeptes zu finanzieren. Dies geschieht auf Empfehlung von Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats anläßlich einer Gremiensitzung (i.Q.: PBWU, 27.2.1992). Die PBWU wird in Koope-ration mit zwei Mitgliedern des Beirats mit der Organisation und Betreuung der Vorstudien

beauftragt. Diese betreffen Vorerkundungen zur weiteren Forschung im Alpenraum und in Nordbayern. Die Finanzierung mit vergleichsweise geringem Umfang erfolgt über eine Auf-stockung bereits laufender PBWU-Forschungsvorhaben (i.Q.: PBWU, 25.5.1992).

Auf der letzten Sitzung der PBWU-Gremien am 9.3.1993 werden die Ergebnisse der Vorstudi-en dVorstudi-en PBWU-GremiVorstudi-en vorgestellt und ausführlich diskutiert (i.Q.: PBWU, 9.3.1993). Eine weitere Beschlußfassung hierzu unterbleibt allerdings. Von den Vertretern des Umweltressorts angekündigte Sparmaßnahmen, welche die Waldschadensforschung existentiell beträfen, ver-deutlichen, daß an eine Umsetzung der Forschungskonzeption zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu denken ist. Nach Ansicht des Wissenschaftlichen Beirats machte die weitere Ausarbeitung der Vorstudien sowie das Initiieren von entsprechenden Forschungsanträgen nur dann Sinn, wenn

„positive Signale des Bayerischen Umweltministeriums zur Fortführung der Forschungsförde-rung erkennbar seien“.

5.3.4.5 Theorieorientiertes Zwischenergebnis

5.3.4.5.1 Prozeß der Neukonzeptionierung der PBWU-Waldschadensforschung

Die Konzeption der PBWU-Waldschadensforschung geht auf das Rahmenprogramm aus dem Jahr 1985 zurück. Anstöße, das Programm und insbesondere den Bereich der Laubwaldfor-schung zu intensivieren, kommen überwiegend von politischer Seite. Das wissenschaftliche Be-ratungsgremium der PBWU ist anfangs zurückhaltend. Dennoch wird, von politischen Rah-menbedingungen gedrängt, ein neues wissenschaftliches Forschungskonzept erarbeitet, welches auch und gerade für die Vorlage gegenüber der Politik Bestand haben soll.

Der Vorsitzende des Beirats selbst übersendet das Forschungskonzept direkt an den Bayeri-schen Umweltminister, um den politiBayeri-schen Stellenwert des Papiers zu erhöhen. Die Umset-zungschancen sollen dadurch verbessert werden, daß Bezug auf das ministeriell akzeptierte Rahmenprogramm der PBWU zu Gründungszeiten genommen wird, die geplanten Themen als effiziente Fortführung bisheriger Forschung verstanden werden und dringender Forschungsbe-darf deutlich gemacht wird. In Hinblick auf ressortspezifische Belange des Umweltministeriums wird zudem der Bezug zu Luftschadstoffen deutlich herausgestellt.

Seitens des Umweltministeriums wird jedoch eine Entscheidung für das Konzept und damit für die Fortführung der Waldschadensforschung verzögert. Zwar wird ein grundsätzlich positiver Eindruck signalisiert, erwartete Mittelkürzungen sowie erklärter Abstimmungsbedarf zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort führen jedoch zur „Nichtentscheidung“. Hinzu kommt das eher verwirrende Bild des Waldschadens-Problems und der Beteiligung von Luftschadstoffen, welche eine Landtagsanhörung Ende 1991 geboten hatte und nicht geeignet ist, das Umwelt-ministerium in seinem Engagement in der Waldschadensforschung zu bestärken. Daß trotz nicht erfolgter Entscheidung zu dem Forschungskonzept auf höchster politischer Ebene jedoch auf Fachreferatsebene Vorstudien zu dessen Umsetzung vereinbart werden, bringt die Hoff-nung zum Ausdruck, daß die derzeitige Situation als nur vorübergehend eingeschätzt und zu-mindest dort die Fortführung der Waldschadensforschung für sinnvoll erachtet wird.

5.3.4.5.2 Verschmelzung wissenschaftlicher und politischer Interessen

Das Rahmenprogramm der PBWU aus dem Jahr 1985 ist nach wie vor gültig. Es gilt formal als fachliche Grundlage für die Einpassung von Forschungsbeiträgen in das PBWU-Projekt und dient dem Umweltministerium als politische Legitimation bei der Bewilligung von Fördermit-teln. Die Schwächen des Rahmenprogramms wurden bereits an anderer Stelle (Kap. 5.2) her-ausgearbeitet. Zudem weist das realisierte Forschungsprogramm auch zu vorgerückter Imple-mentationsphase noch erhebliche Umsetzungslücken auf. Diese betreffen nicht nur Detailfrage-stellung innerhalb bearbeiteter Forschungsbereiche, sondern auch gesamte Forschungskomple-xe, wie z.B. die bislang vollkommen unbearbeitete Laubwaldforschung. Zudem sind im Verlauf der Waldschadensdiskussion und der diesbezüglichen Forschung zusätzliche For-schungsaspekte, wie z.B. die Belastung der Wälder durch Stickstoffeinträge aus Verkehr und Landwirtschaft, hinzugekommen, oder die bisherigen Prioritätensetzungen haben sich aufgrund von Veränderungen (Verbesserungen wie Verschlechterungen) im Waldzustand oder des in-zwischen erreichten Kenntnisstandes zu Schäden und Ursachen verschoben.

Politisch wird zu Beginn der 90er Jahre insbesondere durch den neuen Bayerischen Umweltmi-nister deutlich problemorientierte, angewandte und ressortspezifische Forschung gefordert.

Der politische Legitimationsdruck auf die Waldschadensforschung steigt angesichts der ange-spannten staatlichen Mittelsituation einerseits, des inzwischen allgemein geringeren Problem-drucks des Themas andererseits. Unter den inzwischen politisch wie wissenschaftlich gegebe-nen Bedingungen ist es unhaltbar geworden, sich in der Forschungsförderung nach wie vor auf das Rahmenprogramm aus dem Jahr 1985 zu beziehen. Dies reicht bei weitem nicht mehr aus, um Forschung zu legitimieren. Ein neues Konzept ist daher überfällig.

Erste Anstöße zur Neukonzeptionierung der bayerischen Waldschadensforschung im PBWU-Projekt Ende der 80er Jahre entspringen überwiegend politischem Interesse der Vertreter des Umweltressorts im Projektrat. Die Verstärkung der Forschung zu Schäden an Laubbäumen wird als umzusetzendes Ziel der Bayerischen Staatsregierung bezeichnet. Als wesentlicher Grund hierfür kann angenommen werden, daß nach den offiziellen Ergebnissen der jährlichen Waldzustandserhebungen bei der bisher im Mittelpunkt stehenden Baumart Fichte Verbesse-rungstendenzen dokumentiert werden, während Laubbäume nach wie vor gleichbleibend hohes Schadensniveau verzeichnen. Zudem war nach der hinsichtlich künftiger Umsetzung erfolglo-sen Neukonzeptionierung der Wank-Forschung ein konzeptionelles Vakuum im PBWU-Projekt entstanden. Dieses verlangt nach wissenschaftliche Aktualisierung und Neuorientierung Forschung im Hinblick auf eine politische Legitimation und damit Überlebensfähigkeit des Projekts.

Das wissenschaftliche Beratungsgremium der PBWU verhält sich vorerst zurückhaltend bzgl.

einer Verstärkung der Laubwaldforschung. Hierfür können fachlich-wissenschaftliche Gründe sowie eine erfahrungsbedingte Skepsis gegenüber der Umsetzung von Forschungsschwer-punkten im PBWU-Projekt maßgeblich gewesen sein. Der Beirat war gerade bei der Etablie-rung des alpinen Forschungsschwerpunktes mit den organisatorischen und finanziellen Rah-menbedingungen unzufrieden gewesen und hatte entsprechende Vorstudien bemängelt; Fehler, die nun vermieden werden müßten und daher eher zu bedächtigem Handeln anraten lassen. In

weiten Teilen der Wissenschaft kann zu Ende der 80er Jahre zudem eine gewisse Ernüchterung hinsichtlich der Problemschwere und damit hinsichtlich des zu erwartenden Forschungserfolges zum Thema Waldschäden unterstellt werden, die gegen ein intensives Engagement wie zu Be-ginn der Waldschadensforschung spricht. Hierunter fallen insbesondere auch Schäden an Laub-bäumen, die in ihrem Ausmaß sowie ursächlichen Zusammenhang mit Luftschadstoffen von ei-nigen Wissenschaftlern in Frage gestellt werden. Letztlich sind die für Laubwaldforschung als wichtig erkannten Aspekte forstpathologischer Forschung im Beirat personell nicht vertreten, was andernfalls zu einem früheren Aufgreifen dieses Themas geführt haben könnte.

Dennoch will sich der Beirat der ministeriellen Aufforderung, ein neues Forschungskonzept zu erstellen, nicht entziehen. Zu befürchten ist, daß engere und strengere politische Rahmenbedin-gungen zu Einschränkungen in der Forschungsfinanzierung führen könnten. Dies erfordert es um so mehr, der Politik überzeugende Argumente und ein klares Konzept zur künftigen Wald-schadensforschung vorzulegen. Es wird deutlich, daß es sich hierbei mehr um ein politisches als ein wissenschaftliches Papier handeln müsse. Im Beirat beschleunigt dies die Erarbeitung und Abstimmung eines neuen PBWU-Forschungskonzepts und führt zu hoher Bündnisneigung.

Zudem können eigene Forschungsinteressen der Wissenschaftler miteinbezogen werden, was die Bereitschaft, sich an der Konzepterstellung zu beteiligen, erhöht.

Im Gegensatz zur Erarbeitung des PBWU-Rahmenprogramms 1985 sind nun wissenschaftliche wie politische Akteure gleichermaßen an der Ausarbeitung des neuen Forschungskonzeptes beteiligt, wobei die Federführung bei Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats liegt. PBWU und die Fachvertreter des Bayerischen Umweltministeriums beteiligen sich an der Ausgestal-tung. Mit dieser Vorgehensweise können zentrale Kritikpunkte des ersten Rahmenprogramms, welches mit dem Ziel rascher Umsetzung von der Projektgruppe federführend erstellt worden war, vermieden werden. Im Ergebnis wird ein von der Wissenschaft getragenes, fachlich diffe-renziertes wie anspruchsvolles und politisch akzeptables Konzept vorgelegt.

Die gemeinsame Erarbeitung sichert hohe Kompromißfähigkeit und Akzeptanz zwischen den politischen und wissenschaftlichen Konzeptbeiträgen. Politische Zielvorstellungen und wissen-schaftliche Programminhalte können aufgrund des inzwischen erreichten Kenntnisstandes we-sentlich stärker konkretisiert und akzentuiert in das Konzept eingebracht werden. Umfangrei-che Vorstudien sollen die Forschungsansätze auf eine wissenschaftlich abgesiUmfangrei-cherte Basis stel-len und somit Erfolg und Effektivität künftiger Forschung erhöhen. Damit würde zudem der programmkoordinierende Steuerungsaufwand zur inhaltlichen Ausrichtung und Durchführung der Forschung erleichtert, die Antragsselektion im Rahmen des Begutachungsverfahrens könnte straffer gehandhabt werden.

Erwartungsgemäß trägt das Konzept zwar in wissenschaftlicher Hinsicht die Handschrift ihrer Verfasser. Es ordnet sich jedoch den thematischen wie regionalen Zielvorgaben der For-schungspolitik unter, die in den PBWU-Gremien vereinbart worden waren. Der Beirat selbst stellt fest, daß das neue Forschungskonzept überwiegend als politisches Papier verstanden werden und hohen politischen Überzeugungswert aufweisen müßte, sollte die Waldschadens-forschung auch in Zukunft weitergeführt werden. Damit erhöht sich der Druck auf die

Wissen-schaft, sich einer problemlösungsorientierten Forschung zulasten der Forscherfreiheit zu beu-gen.

Insgesamt wird Ende 1991 ein Forschungskonzept vorgelegt, das im Vergleich zum Rahmen-programm der PBWU des Jahres 1985 zweifelsfrei als wissenschaftlich fundierter, politisch und wissenschaftlich-konzeptionell stärker abgestimmt und daher als erfolgversprechender be-zeichnet werden kann. Dennoch bleibt diesem Programm die Implementation aus politischen Gründen versagt.

Obwohl sich die Fachabteilung am Ministerium noch für die Umsetzung bis hin zur Genehmi-gung einzelner Vorstudien einsetzt, wird eine Entscheidung zu dem Konzeptpapier durch die politische Spitze des Ministeriums zurückgestellt und geht zeitgleich in der Terminierung des PBWU-Projektes im Jahr 1993 auf. Begründet mit dem Hinweis auf die Bedeutung stark an-wendungsorientierter Forschung und erforderliche Ressortabstimmungen kommt zum Aus-druck, daß es der Wissenschaft nicht gelingt, die Umweltpolitik auch weiterhin für die Bear-beitung des Themas Waldschäden zu gewinnen.

Während zu Beginn der Waldschadensforschung im PBWU-Projekt die Politik z.T. gegen er-heblichen Widerstand der Wissenschaft die Umsetzung eines stark kritisierten Forschungspro-gramms durchsetzt, lehnt sie nun - paradoxerweise - ein von hochrangigen Wissenschaftlern erarbeitetes und abgestimmtes Forschungskonzept und damit letztlich die Fortsetzung der bayerischen Waldschadensforschung ab. Da die Gründe für die Ablehnung des Forschungskon-zeptes weitgehend mit der Terminierung des PBWU-Projektes insgesamt verkoppelt sind, werden sie in dessen Rahmen analysiert.