• Keine Ergebnisse gefunden

Forschungssteuerung: Top down- versus bottom up-Ansatz

5. POLICY-ZYKLUS

5.2 Programmformulierung

5.2.3 Beschluß und Ausschreibung des PBWU-Rahmenprogramms

5.2.4.3 Forschungssteuerung: Top down- versus bottom up-Ansatz

Dem Bayerischen Umweltministerium ist an einer zügigen, flexiblen Umsetzung des For-schungsprojektes gelegen. Die PBWU selbst wird mit der Erstellung des Rahmenprogramms betraut. Bereits im Vorfeld, nämlich zur PBWU-Gründung, sowie während der Diskussion des Programmentwurfs, sind die in den PBWU-Gremien vertretenen Wissenschaftler und die wei-teren politischen Ressortvertreter darauf bedacht, ihre Einflußnahme auf das Rahmenprogramm geltend zu machen. Hieraus läßt sich ein Steuerungskonflikt in der Forschung zwischen politi-schen und wissenschaftlichen Akteuren ableiten, der über die Modelle des „top down“- bzw.

des „bottom up“-Ansatzes theoriegestützt beschrieben und analysiert werden kann.

Vom politischen Auftraggeber initiiert, weist das Programm Züge forschungspolitischer Steue-rungsabsichten auf. Entsprechend der politischen Entscheidung, durch Verstärkung der For-schung einen Beitrag zur Lösung des Problems Waldschäden zu liefern, beabsichtigt das Baye-rische Umweltministerium die Durchführung eines problemorientierten Forschungsprogram-mes. Dieses orientiert sich mit der Schwerpunktsetzung Photooxidantien im Alpenraum im we-sentlichen an den Zielsetzungen des Förderressorts und dokumentiert damit dessen Anspruch auf Steuerungsdominanz.

Idealtypisch kann dieser Typ der Forschungssteuerung mit dem Ansatz des „top down“-Modells der Programmimplementation [s. WINDHOFF-HÉRITIER 1987, S. 96/97] beschrieben werden. Der Ansatz setzt eine klare Problemdefinition und Zielsetzung als Grundlage für ein entsprechendes Forschungsprogramm voraus, welches von einer Zentralinstanz - im vorliegen-den Fallbeispiel der Projektgruppe PBWU - inhaltlich und organisatorisch strukturiert vorliegen-den For-schern in Form einer anwendungsorientierten Auftragsforschung zur Bearbeitung übergeben wird. Ziele und Programmschwerpunkte müssen als konzeptionelle Grundlagen von der Politik vorgegeben werden, die forschungsseitige Umsetzung hat sich inhaltlich streng daran zu orien-tieren. Dies erfordert ein straffes Programmanagement [HILL & RIESER 1983, S. 171, 335ff].

Demgegenüber bezeichnet der sog. „bottom up“-Ansatz die inhaltlich-politisch weitgehend un-gesteuerte, wissenschaftliche Bearbeitung eines Problems. Als Vorgaben bestehen lediglich die Problemdefinition und der zur Verfügung stehende Finanzmittelrahmen [HILL & RIESER 1983, S. 342ff]. Die Programmausgestaltung obliegt weitestgehend den an der Forschung beteiligten Akteuren.

Beide Ansätze beinhalten in der Aushandlung eines Rahmenprogramms sowohl politische als auch wissenschaftliche Beiträge. Allerdings dominiert im Falle des „top down“-Modells der forschungspolitische Aspekt. Hier soll eine politisch erwünschte Problembearbeitung zielge-richtet durch Vorgabe bestimmter Forschungsinhalte und durch eine straffe Programmorgani-sation und -durchführung erreicht werden. Im Falle des „bottom up“-Modells dominiert die Freiheit wissenschaftlicher Ideenfindung im Rahmen der Bearbeitung eines nur allgemein vor-gegebenen Forschungsgebietes. Nicht „von oben herab“, sondern von der wissenschaftlichen

Basis ausgehend und formuliert sollen in einer Art problemorientierter Grundlagenforschung politisch nutzbare Problemlösungsbeiträge geliefert werden.

Die Wirkungen beider Typen in Hinblick auf die Interessenlage der politischen wie wissen-schaftlichen Akteure liegen auf der Hand. Sie spiegeln sich im Aushandlungsprozeß um das Rahmenprogramm der PBWU wider. Den im Beirat vertretenen Forschern ist an einem weni-ger wissenschaftlich reglementierten Forschungsförderverfahren nach dem „bottom up“-Modell gelegen. Dementsprechend wird die Vorgabe konkreter Forschungsthemen im Rahmenpro-gramm der PBWU als wissenschaftshemmend, ideen- und kreativitätshinderlich bezeichnet.

Ebenso wird die formal starke Stellung der PBWU hinsichtlich der fachlichen Koordination des Projektes kritisiert. Die Eigenverantwortlichkeit der Forscher in Auswahl und wissenschaftli-cher Bearbeitung bestimmter Themen sowie freie Nutzungsrechte in der Ergebnisverwertung werden gefordert.

Demgegenüber beabsichtigt der Auftraggeber Bayerisches Umweltministerium im Grundsatz die Finanzierung konkreter Forschungsbeiträge auf Grundlage eines Rahmenprogramms. Dies bedeutet eine Vorgehensweise nach dem „top down“-Modell. Hierfür spricht der erwartete Beitrag zur Ursachenklärung der Waldschäden als Hauptentscheidungskriterium für eine Vor-haben-Förderung, wie in der Ausschreibung zum Rahmenprogramm formuliert wird. Auch die der PBWU zugedachte, steuerungsdominante Stellung ist für dieses Modell charakteristisch.

Letztlich spricht auch die Erarbeitung eines Rahmenprogramms durch die PBWU selbst in en-ger Abstimmung mit dem Ministerium für die Dominanz politischer gegenüber wissenschaftli-chen Steuerungsaspekten und somit für den „top down“-Ansatz.

Bereits bei dem Entwurf des Rahmenprogramms durch die PBWU kommt es zu einer Aufwei-chung des politisch beabsichtigten „top down“-Ansatzes. Erfordert das vielschichtige Thema Waldschadensforschung ohnehin eine Struktur, die zahlreiche Forschungsdisziplinen tangiert, so umfaßt das PBWU-Rahmenprogramm eine Vielzahl von Forschungsaspekten allein inner-halb des Segments Luftschadstoff-Forschung und beläßt in ausreichendem Maße wissenschaft-liche Freiräume. In dieser Breite ermöglicht die inhaltwissenschaft-liche Ausgestaltung des Programms einen steuernden Einfluß der Wissenschaft während der folgenden Phase der Programmimplementa-tion. Demgegenüber ist eine nur schwache Steuerungswirkung des politischen Programmana-gements bzw. des Auftraggebers zu erwarten [s.a. HILL & RIESER 1983, S. 313, 350].

Auch die Abstimmung des PBWU-Rahmenprogamms mit dem Wissenschaftlichen Beirat muß zwangsläufig zu einer Vermischung beider Ansätze beitragen. Die Forscher versuchen, mit ih-rer Interessendurchsetzung hinsichtlich einer weitgehenden fachlich-inhaltlichen Selbststeue-rung der Wissenschaft dem Korsett eines politisch geprägten Rahmenprogramms zu begegnen.

Zudem sind die Mitglieder des Beirats überwiegend der Grundlagenforschung zuzuordnen, wie sich aus der Beteiligung an verschiedenen Forschungsprogrammen der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) ablesen läßt. Sie werden daher tendenziell versuchen, das angewandte Forschung favorisierende Programm des Auftraggebers für Forschungsansätze, die dem grundlegenden Verständnis von Ursachen-Wirkungsbeziehungen zum Thema dienen, offen zu halten. Auch der allgemein akzeptierte Vorschlag, für die Begutachtung einzelner

Forschungs-anträge maßgeblich DFG-Gutachter heranzuziehen, läßt erwarten, daß gegenüber dem maß-geblich politischen Förderkriterium angewandter Forschung wissenschaftliche, ja sogar grund-lagenforschungsorientierte Entscheidungskriterien starke Berücksichtigung finden werden.

Somit ist das von den Gremien letztlich verabschiedete Rahmenprogamm der PBWU ein Kom-promiß aus beiden Ansätzen, geprägt von dem Grundkonflikt der Autonomieansprüche der Wissenschaft gegenüber politikbestimmten Zielsetzungen der Forschungsförderung [HILL &

RIESER 1983, S. 357]. Das Bayerische Umweltministerium setzt sich mit gewissen, politisch begründeten Forschungsschwerpunkten (Photooxidantien-Wirkungsforschung im Alpenraum) im Grundsatz zwar für eine anwendungsorientierte Waldschadensforschung durch. Die Wis-senschaft behält bei der gegebenen Programmbreite und inhaltlichen Offenheit sowie ihrer Be-teiligung bei der Antragsbegutachung aber die Option, ihre eigenen fachlichen Forscherinteres-sen sowie insbesondere Grundlagenforschungsaspekte einbringen zu können. Insofern besitzt das Rahmenprogramm Alibifunktion: Formal verspricht es politisch aktuelle Problemlösungen, informal können sich Grundlagenforscher ihre Beteiligung sichern [HILL & RIESER 1983, S.

349 ff].

Durch das Abweichen vom strengen „top down“-Ansatz einer problemorientierten Auftrags-forschung zugunsten der Wissenschaftlerinteressen kann der Auftraggeber Steuerungskonflikte zwar nicht beseitigen. Er kann sie jedoch in die Implementationsphase zurückstellen und damit eine Gefährdung des Gesamtprojektes erst einmal vermeiden, die sich aufgrund der grundsätz-lichen Kritik an dem Aufgabenspektrum der PBWU ohnehin angebahnt hatte.

Auch der PBWU selbst kann Interesse daran unterstellt werden, einen vergleichsweise offenen Forschungsrahmen abzustecken. Einerseits ist sie damit weniger der Kritik ausgesetzt, aus wis-senschaftlicher Sicht für erforderlich gehaltene Aspekte nicht berücksichtigt zu haben. Ande-rerseits öffnet sie dadurch möglichst vielen potentiellen Forschungsrichtungen den Zugang zum Projekt, begünstigt damit dessen Realisation und macht die Wissenschaftler dem Projekt ge-genüber geneigt. Gerade auch die Einbeziehung bereits bestehender Forschungsschwerpunkte in das Programm läßt dort die finanzielle Unterstützung des Bayerischen Umweltministeriums im Rahmen des PBWU-Projektes erwarten. Sie muß von den dortigen Forschern begrüßt wer-den, solange ein markanter Koordinations- bzw. Forschungssteuerungseinfluß der PBWU, der die dortige Selbstverwaltung der Wissenschaft beeinträchtigen würde, abgewehrt werden kann.