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Theorieorientiertes Zwischenergebnis

4. AKTEURE DES PBWU-PROJEKTES

4.3 Theorieorientiertes Zwischenergebnis

4.3.1 Akteurskonstellationen

Die vorliegende Fallstudie focussiert auf die Forschungssteuerung als Teilsystem der gesamten Waldschadenspolicy. Damit kann sich die Analyse auf die dem Projekt zuzuordnenden Akteure beschränken, welche die Projektstruktur definieren und am Prozeß der Forschungsförderung beteiligt sind. Mit dem gewählten Ansatz der Akteure als analytischen Einheiten erfaßt die Analyse des Forschungsprozesses nicht nur dessen strukturelle Bestandteile wie Programme und Verfahren, sondern auch Akteurskonstellationen und spezifische Rollen individueller Ak-teure [HOHN & SCHIMANK 1990, S. 19]. Den einzelnen Akteuren lassen sich jeweils an den zugeteilten Aufgaben orientierte, formale Handlungspäne und formal handlungslegitimierende Ressourcen zur deren Durchsetzung zuordnen. Weitere, informal handlungsleitende, meist per-sönliche oder klientelspezifische Interessen der Akteure können in der Analyse des tatsächli-chen Handelns zusätzlich berücksichtigt werden [KROTT 1990, S. 56ff].

Die Struktur des PBWU-Projektes führt zum Entstehen sog. „Hybridgemeinschaften“ [FELT et al. 1995, S. 214, 288; HOHN & SCHIMANK, 1990, S. 19]. Akteursgruppen wie Wissenschaftli-cher Beirat, Projektrat sowie die Projektgruppe selbst repräsentieren Wissenschaft, Politik, Koordination und Administration. Sie führen zu komplexen Informations- und Steuerungspro-zessen. Es kommt zu einer Vermengung politischer und fachlicher Interessenlagen und zu Ver-ständnisproblemen und entsprechendem Vermittlungs-, Übersetzungs- und Transformationsbe-darf zwischen Politik und Wissenschaft [s.a. KROTT 1990, S. 75ff]. Die Bewältigung derartiger Probleme ist unter anderem Aufgabe der intermediären Projektgruppe PBWU. Ihr Vermitt-lungserfolg setzt allerdings ihre Akzeptanz einerseits, Kompetenz andererseits voraus.

Die PBWU-Projektgruppe steht als intermediäre Koordinierungseinheit an der Schnittstelle zwischen den Politik und Wissenschaft. Der formale Handlungsplan der PBWU wird im

we-sentlichen von den Koordinierungsaufgaben bestimmt, die ihr vom politischen Auftraggeber Umweltministerium zugewiesen wurden. Aus den hiermit verbundenen Handlungsbefugnissen, die formal mit der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber gekoppelt sind, erge-ben sich die Machtressourcen der Projektgruppe. Diese werden durch die Beteiligung ihrer Be-ratungsgremien und Entscheidungsgremien begrenzt. Die zentrale, mit hohem Informati-onspotential ausgestattete Stellung zwischen politischen und wissenschaftlichen Akteuren so-wie die im Bereich des Forschungsförderverfahrens erheblichen Handlungs- und Entschei-dungsfreiräume verleihen der Projektgruppe jedoch weitreichende informale Machtressourcen.

Diese können nicht nur zur Erfüllung der Koordinierungsaufgaben, sondern auch zur Verfol-gung informaler, bspw. an Existenzsicherung, Eigenständigkeit und Aufgabenerweiterung ge-legener Eigeninteressen der Gruppe eingesetzt werden.

Das politisch administrative System wird durch den Projektrat der PBWU vertreten. Eine be-sondere Stellung nimmt hierbei das federführende und projektfinanzierende Umweltressort so-wie die, die Projektgruppe beherbergende GSF ein. Dem Umweltministerium kommt dabei aufgrund seiner Entscheidungs- und Finanzierungshoheit das überragende formale Machtpo-tential in dem Projekt zu. Auf informaler Ebene treten Interessen des Verwaltungsapparates hinzu, die unter Einsatz von Machtinstrumenten wie Fachwissen und Informationsbeziehungen der Fachbeamten verfolgt werden können.

Die neben politisch-administrativen Ressorts ebenfalls im Projektrat vertretene GSF-Geschäftsführung ist administrativ Vertragspartnerin des Umweltministeriums und Dienstvor-gesetzte bzgl. der PBWU-Projektgruppe. Sie besitzt aber gleichzeitig wissenschaftliche For-schungsinteressen, die zudem über die Beteiligung in den PBWU-Gremien vertreten werden.

Diese Konstellation stellt eine formale Verfahrensbeteiligung sowohl in politischer wie wissen-schaftlicher Hinsicht sicher, erleichert aber gleichzeitig bspw. über Informations- oder Konkur-renzvorteile die informale Interessenverfolgung der GSF im PBWU-Projekt.

Die ebenfalls im Projektrat vertretenen Landwirtschafts- und Kultusressorts stellen gleichzeitig und parallel zur PBWU-Konstruktion Förderinstitutionen für anderweitig bereits etablierte Forschungsverbünde dar. Neben der formalen politischen Entscheidungsfunktion im Rahmen des Projektrates können die bestehenden Klientelbildungen zwischen Förderern und Forschern als Machtinstrumente zur eigenen, informalen Interessenverfolgung im PBWU-Projekt genutzt werden.

Im Verfahren der Forschungsförderung vertreten der Wissenschaftliche Beirat und die externen Fachgutachter die wissenschaftlichen Interessen. Während der Beirat vertragsgemäß formal die grundlegende Konzeptionierung, Programmformulierung und fachliche Beratung der PBWU und der beteiligten Fachressorts zur Aufgabe hat, ergänzen Gutachter die fachliche Bewertung vorgelegter Einzelanträge durch jeweilige Stellungnahmen.

Neben dem formalen, funktionalen Handlungsplan der wissenschaftlich-fachlichen Beratung und Bewertung verfolgen die Wissenschaftler informale Interessen, die bspw. in der Stärkung ihrer eigenen Forschungsrichtung, Schaffung wissenschaftlicher Konkurrenzvorteile und Ver-größerung der wissenschaftlichen Reputation innerhalb der scientific community gelegen sind.

Das hohe wissenschaftliche Renommee, die Fachkompetenz und Sachautorität dieser Akteure bei hohem Informationsstand über das Projekt können als informale Machtressourcen für Ei-geninteressen genutzt werden.

Die Waldschadensforscher sind von den Aushandlungsprozessen wissenschaftlicher wie politi-scher Akteure im PBWU-Projekt als Antragsteller und Forschungsdurchführende betroffen. Sie können in ihren Handlungsplänen die Erweiterung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, aber auch die Durchsetzung informaler Interessen, wie z.B. die Vermehrung wissenschaftlicher und finanzieller Ressourcen und persönlichen Renommees, verfolgen. Dazu dienen verschiede-ne Machtmittel und Durchsetzungsstrategien in Form von Wissens- und Informationsvorteilen, Koalitionsbildung unter Forschern oder mit Forschungsförderern etc.

4.3.2 Akteursspezifische Steuerungskonflikte

Die komplexen Akteursstrukturen im PBWU-Projekt bedingen nahezu zwangsläufig Probleme der Forschungssteuerung. Dem politischen Ziel, aus den Ergebnissen der Waldschadensfor-schung politische Handlungsmaßnahmen ableiten zu können, steht das wissenschaftliche Inter-esse der Forscher gegenüber, sich an dieser Forschung und damit am Programm der PBWU zu beteiligen. Interessengegensätze bestehen darin, daß die universitären Forscher überwiegend an Grundlagenforschung interessiert sind, der staatliche Finanzgeber jedoch angewandte Wald-schadensforschung erwartet. Ein Kompromiß ergibt sich insofern, als zur Produktion von Er-gebnissen angewandter Waldschadensforschung vorab oder anteilig ohnehin erst wissenschaft-liche Grundlagen erarbeitet werden müssen. Wie die spätere Analyse der Programmimplemen-tation zeigen wird, akzeptiert dies der Auftraggeber auch in weitem Rahmen.

Hinsichtlich der Festlegung und Umsetzung der Forschungsthemen sind daher unterschiedliche Interessenlagen und damit Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Akteuren aus Wis-senschaft und Politik zu erwarten. Der Auftraggeber wird bestrebt sein, geeignete Forscher-gruppen über die finanzielle Förderung für die Beteiligung am Forschungsprojekt zur Ausfül-lung des Programmes zu gewinnen. Die Forscher werden sich bemühen, mit den von ihnen je-weils bearbeitbaren Themen sich am Forschungsprogramm zu beteiligen und deren fachliche Bedeutung herauszustellen. Dabei können Konkurrenzsituationen um den Zugang zum For-schungsprogramm auftreten, falls mehrere, am gleichen Thema interessierte Forschergruppen bestehen. Andererseits kann der Fall eintreten, daß vom Auftraggeber ausgewiesene For-schungsthemen allein deswegen nicht bearbeitet werden können, weil Forschergruppen ent-sprechenden fachlichen Zuschnitts nicht bestehen oder sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht am Forschungsprogramm beteiligen wollen.

Damit wird wiederum deutlich, daß die Gestaltung der Waldschadensforschung sowie deren Steuerung von zahlreichen vielschichtigen Interdependenzen zwischen den beteiligten Akteurs-gruppen wie Einzelakteuren geprägt ist. Jeder Akteur, der beabsichtigt, zielgerichtet auf den Forschungsprozeß einzuwirken, sieht sich mit anderen Akteuren konfrontiert, die fördernd, er-schwerend oder verhindernd für sein eigenes Handlungsziel relevant werden. Konkurrenz-zwänge, Interessenkonflikte bestehen hier gleichermaßen wie Kooperations- oder

Konsenser-fordernisse und korporatives Verhalten, d.h. gemeinsame Interessenverfolgung durch Bündnis-partner [HOHN & SCHIMANK 1990, S. 21, 27].

Zur forschungspolitischen Steuerung und Abstimmung der Forschung bedient sich der Auf-traggeber im PBWU-Projekt des Projektrats. Über die im Projektrat vertretenen Ministerien können die entsprechenden ressortspezifischen, politischen Zielsetzungen im Forschungspro-gramm der PBWU berücksichtigt werden. Daß das Bayerische Umweltministerium, welches die Federführung hinsichtlich der Initiierung und insbesondere auch der Finanzierung des PBWU-Projektes übernimmt, das höchste Machtpotential besitzen und somit den dominieren-den Steuerungseinfluß ausüben wird, ist naheliegend. Allerdings bestehen noch weitere ressort-spezifische Interessenlagen im Projektrat, die sich - wie an anderer Stelle dargestellt (Kap.

5.1.3.3.5 und Kap. 6.3) - in territorialer Abgrenzung gegen die Bündelung zu einem Programm äußern.

Die eigentliche fachliche Bewertung der Forschung, insbesondere in der Phase der Antrags-stellung, findet über die Beteiligung externer Fachgutachter statt. Die Gutachter besitzen er-heblichen Steuerungseinfluß auf Inhalt, Qualität und Verlauf der Forschung. Der Auswahl der Gutachter, den Beurteilungskriterien zur Ermittlung der Forschungsqualität sowie der Be-handlung der Gutachtervoten durch die PBWU-Gremien wird daher bei der Analyse des PBWU-Projektes besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Dabei ist im Grun-datz davon auszugehen, daß sich mit steigender Einheitlichkeit des externen Begutachtungser-gebnisses der Steuerungseinfluß durch den Wissenschaftliche Beirat verringert und umgekehrt mehrdeutige Begutachtungsergebnisse die Einflußnahme durch den Beirat verstärken.