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Organisations- und wissenschaftssoziologische Theorie

2. THEORIE

2.4 Organisations- und wissenschaftssoziologische Theorie

Der Policy-Ansatz erlaubt es, Theorien der Organisationssoziologie, Wissenschaftsforschung und Forschungssteuerung in die Analyse miteinzubeziehen. Für die vorliegende Fallstudie ist dies zum Verständnis von staatlich-administrativem und Forscher-Handeln sogar zwingend notwendig.

Organisationssoziologische Bürokratie-Theorien sind von MAYNTZ [1985, S. 82ff] und wie-derum von KROTT [1990, S. 34-42] ausführlich referiert und von letzterem hinsichtlich ihrer Eignung als Analysegrundlage für das politische Handeln von Behörden vergleichend bewertet.

Beispielhaft sollen hier der Bürokratieansatz von MAX WEBER [1980] sowie der von DOWNS

[1967] genannt werden. Während erstgenannter sich auf die „legale Herrschaft“ und damit un-politisches Verwaltungshandeln stützt, sieht DOWNS die eigeninteressengesteuerten Verhal-tensweisen der Beamten mit entsprechenden Machtressourcen als treibende Kraft. Auf derarti-gen theoretischen Grundladerarti-gen basierend kann im PBWU-Fallbeispiel ressortspezifisches Be-hördenhandeln analysiert werden, woraus letztlich Steuerungseinflüsse der Politik resultieren.

Theorien der soziologischen Wissenschaftsforschung über soziale Aspekte der Forschung be-treffen in erster Linie die Interessengeleitetheit und soziale Bedingtheit wissenschaftlicher Er-kenntnisproduktion, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Wissenschaft und Staat, sowie die

Umweltpolicies

Waldschadenspolicy weitere

Um-weltpolicies

Forschungspolicy weitere Waldscha-denspolicies

Luftreinhaltung

Sanierung

Entschädigung

sonstige

PBWU-Forschungspolicy sonstige For-

schungs-policies

PBWU-

Forschungs-programm

Kuratorium der FVA Forsttoxiko-logie Bay-reuth MAGL, son-stige

Klima-änderung

sonstige

Wissenschaft als Konkurrenzkampf [FELT et al. 1995, S. 75 ff; zum Waldschadensdiskurs s.a.

DRESSEL 1995]. Diese Aspekte sollen hier nur erwähnt werden. Auf die Frage nach der Objek-tivität wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion wird im Rahmen dieser Policy-Studie bei der gewählten Focussierung nicht näher eingegangen. Die weiteren genannten Aspekte werden in der Folge sowie bei der Analyse des Forschungsprozesses noch vertieft.

2.4.1 Steuerungstheorie in der Forschung

Die Studie zielt auf die Analyse des Forschungs- und Förderprozesses als Kräftespiel zwischen den Interessen von Forschungspolitik und Wissenschaft ab. Damit ist generell das Problem der Steuerbarkeit der Forschung berührt. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Fragen der Wissenschaftsforschung bzw. der Wissenschafts- und Forschungspolitik, der weitenteils nur als

„diffus“ zu beschreibende Prozesse zugrunde liegen [FELT et al. 1995, S. 213]. Nach BRAUN

[1997, S. 19], der im europäischen Ländervergleich die staatlich institutionalisierten, interme-diären Fördersysteme als Vermittlungsmechanismus der Forschungsförderung zwischen Politik und Wissenschaft untersucht, zeigen verschiedentlich durchgeführte Analysen nur vage, „wer wen steuert“.

Dem Steuerungseinfluß des Finanzgebers, der über die Verteilung von Fördermitteln im Rah-men einer distributiven Policy erfolgt, steht der grundsätzliche Autonomieanspruch der For-scher zur wissenschaftlichen Erkenntnis gegenüber. Daraus ergibt sich das bereits erwähnte wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis, in dem die Wissenschaft vom Staat die Finanzierung der Forschung erwartet, an der sie selbst interessiert ist, der Staat hingegen die Fördermittel unter der Bedingung vergibt, daß daraus ein kollektiver Nutzen entsteht [FELT et al. 1995, S.

209].

Die Forscher können sich auf ihre „monopolisierte kognitive Domäne“ berufen, allein für die Beurteilung von Wahrheitsfragen kompetent zu sein. Sie sind diesbezüglich steuerndem Ein-fluß in der Regel durch verfassungsrechtlichen Schutz entzogen. Während eine EinEin-flußnahme in diesem Bereich lediglich innerhalb des Forschungsprozesses, wie der wissenschaftlichen Evaluierung der Forschung in der Antrags- oder Ergebnisphase, erfolgt, können forschungspo-litische Steuerungsmaßnahmen forschungsextern darauf einwirken, „wo überhaupt, für wen und in welchem Umfang geforscht wird [HOHN & SCHIMANK, 1990, S. 13 ff].

BRAUN [1997, S. 18 ff] arbeitet theoriegestützt heraus, daß das „Wissensmonopol“ der Wis-senschaft mittels „freiwilliger Mitarbeit des Monopolisten“ aufgebrochen werden muß, wenn die Politik die Ressource Wissen nutzen will. Unter Berücksichtigung system- wie akteurs-theoretischer Ansätze wird Forschungssteuerung - in Anlehnung an LUHMANN - kybernetisch als „Verringerung einer Differenz“ in den betreffenden Teilsystemen bzw. als „absichtsvolle Beeinflussung“ der beteiligten Akteure definiert. Die politische Steuerung wird dabei als kol-lektiv organisierter und institutionalisierter Prozeß der strukturellen Kopplung zwischen politi-schen und teilsystemipoliti-schen Akteuren verstanden [BRAUN 1997, S. 43-45]. Die Durchset-zungsfähigkeit der Politik ist dabei abhängig von verfügbaren Machtressourcen, möglichen Koalitionen, institutionellen Bedingungen und den verwendeten Strategien.

2.4.2 Thesen zur Steuerung mittels intermediärer Systeme

Im gewählten Fallbeispiel erhebt der Staat mit Planung und Implementation des Waldscha-densforschungsprogrammes in einer Art problemlösungsorientierter Auftragsforschung den Anspruch an Forschungssteuerung prioritär für sich. Die Installierung einer intermediären Pro-jektgruppe soll es im Grundsatz ermöglichen, die Wissenschaft flexibler in staatliche Steue-rungsziele einzubeziehen [BRAUN 1997, S. 81]. Andererseits gewährt sie der Forschung eine stärkere Einflußnahme auf den Förderprozeß und die Beibehaltung ihrer Autonomie.

Die wenn auch nur temporär installierte PBWU-Projektgruppe weist durchaus vergleichbare Strukturen, Interessenlagen und Handlungsmuster auf wie die von BRAUN untersuchten, lang-fristig etablierten Intermediär-Institutionen der nationalen Forschungsförderung. Seine zentra-len Thesen zur Funktion und Aufgabe intermediärer Systeme in der Forschungssteuerung im Rahmen des Kräftespiels zwischen staatlicher Forschungspolitik und Wissenschaft [BRAUN

1997, S. 23, 47-65, 316] können daher auf das PBWU-Projekt übertragen werden.

Danach sind intermediäre Systeme als „rational begründbare Steuerungserweiterung des politi-schen Handelns“ zu sehen. Dem liegt ein steuerungsoptimistischer Ansatz zugrunde, über zen-tral koordinierte Planungs- und Durchführungsverfahren im Verbund Politik und Wissenschaft forschungspolitisch selektieren zu können. Die politischen Akteure wollen die Wissenschaft sowie die intermediären Organisationen vereinnahmen, um eigene forschungspolitische Ziele zu definieren und umzusetzen (These 1).

Demgegenüber versucht die Wissenschaft, sich staatliche Kompetenzen und Ressourcen anzu-eignen und damit Definitionsmacht über die staatliche Mittelverteilung der Forschungsförde-rung zu erlangen oder zu erweitern. Die Vereinnahmungsabsicht gegenüber intermediären Sy-stemen bestehen also gleichermaßen von Seiten der Wissenschaft wie der Politik (These 2).

Dieser moderne Ansatz, auf der Ebene struktureller Kopplungen und Verhandlungssysteme zwischen Politik und gesellschaftlichen Teilsystemen politisches Handeln sowie wechselseitige Einflußnahmen zu untersuchen [s.a. BRAUN 1997, S. 19, 44/45; s.a. HOHN & SCHIMANK 1990, S. 15], kann auch in das Zentrum der vorliegenden Studie gestellt werden. Wechselnde Steue-rungsdominanzen zwischen Politik und Wissenschaft, die das PBWU-Projekt in den verschie-denen Phasen des Forschungsprozesses prägen, können damit erklärt und bewertet werden.

Die These 3 formuliert, daß intermediäre Systeme eine Eigendynamik und Verselbständigungs-tendenzen gegenüber politischer Fremdbestimmung entwickeln und damit eine „Grauzone zwi-schen Politik und Wissenschaft“ bilden [BRAUN 1997, S. 60]. Sie trifft für das Fallbeispiel der intermediären PBWU-Projektgruppe zwar im Grundsatz, in Hinblick auf deren vergleichsweise geringen Institutionalisierungs- und Etablierungsgrad sowie temporären Charakter jedoch nur bedingt zu. Dennoch werden verschiedene Handlungsstrategien der Projektgruppe gegenüber Politik und Wissenschaft gerade unter dem Aspekt der Schaffung oder Sicherung ihrer Kom-petenzen, Zuständigkeiten, Eigenständigkeit oder Existenz zu analysieren sein.

Der Ansatz wird ergänzt durch die Verwendung von bereits mehrfach erwähnten top down-bzw. bottom up-Steuerungsmodellen der Implementationsforschung [s.a. WINDHOFF-HÈRITIER

1987, S. 96/97]. Ohnehin korrespondieren politische Steuerungserweiterung eng mit dem top down-Ansatz politischer Rationalität, wissenschaftliche Einflußnahme mit dem bottom up-Ansatz wissenschaftlicher Rationalität, wie in der Analyse des Forschungs- bzw. Förderprozes-ses noch vertieft werden wird.

2.4.3 Angewandte Forschung versus Grundlagenforschung

Hinsichtlich der Steuerungsproblematik muß grundsätzlich zwischen dem Typ der angewand-ten Forschung und dem der Grundlagenforschung unterschieden werden. Staatlich geförderte Industrieforschung soll in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Während ange-wandte Forschung spezifische, praktisch nutzbare Zielsetzungen oder Problemlösungen ver-folgt, und in Form staatlicher Auftragsforschung durch die zielgerichtete Mittelvergabe cha-rakterisiert ist, will die überwiegend an Hochschulen durchgeführte Grundlagenforschung neue Erkenntnisse über Phänomene und Tatsachen gewinnen, ohne daß damit auf konkrete An- oder Verwendung abgezielt wird [BUNDESMINISTERIUM FÜR FORSCHUNG UND TECHNOLOGIE 1982, zit. in: BRAUN 1997, S. 418 ff]. Letztgenannte ist daher hinsichtlich forschungspolitischer Steuerungseinflüsse als vergleichsweise autonom zu bezeichnen. Demgegenüber ist ange-wandte Forschung in stärkerem Maße vom Auftraggeber abhängig, was sich insbesondere bei der Auswahl der Forschungsthemen und der Ressourcenakquisition äußert [s.a. FELT et al.

1995, S. 226ff].

Der inzwischen stark gestiegene Ressourcenbedarf heutiger Forschung macht es jedoch für je-de Art je-der Forschung erforje-derlich, ihren Finanzbedarf über die Forschungsleistung zu legiti-mieren. Naheliegend ist daher, auch deren Steuerung in erster Linie über die Finanzierung zu bewerkstelligen. Für angewandte oder Auftragsforschung ist dies ohnehin charakteristisch. Je-doch kann auch die Grundlagenforschung bspw. im Rahmen sog. Drittmittelförderung (Pro-jektfinanzierung) durch Forschungsprogramme und Schwerpunktsetzung gesteuert werden“

[s.a. FELT et al. 1995, S. 226ff]. BRAUN [1997, S. 422] verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „problemorientierter Grundlagenforschung“, welche zwar aus wissenschaftlichem und Reputationsinteresse, aber gleichzeitig anwendungsorientiert betrieben würde.

Derartige, inhaltlich, zeitlich und finanziell begrenzte Projektfinanzierung bietet für den Auf-traggeber neben dem zentralen Charakteristikum aktiver, zielgerichteter Forschungsthematisie-rung zur beabsichtigten Problemlösung weitere Vorteile: Die gegebene Mittelkonkurrenz ver-stärkt Ansporn und Erfolgsdruck auf die meist aktiven, flexiblen und jungen Forschergruppen;

hohe Kreativität und Produktivität ist zu erwarten. Einer Leistungsbezogenheit der Forschung wird hier am ehesten Rechnung getragen. Allerdings setzen die Forscher vornehmlich auf rela-tiv erfolgssichere Projekte, um die fachliche Beurteilung zu begünstigen [HILL & RIESER 1983 S. 150].

Den „Antagonismus“ zwischen wissenschaftlichen Interessen der Selbstbestimmung und Grundlagenorientierung und politischen Interessen der Anwendungsorientierung und For-schungssteuerung [BRAUN 1997, S. 338] wird auch die Analyse des Fallbeispiels der PBWU-Waldschadensforschung berücksichtigen müssen. Die Interessenkopplung grundlagen- mit an-wendungsorientierter Forschung ist Strategie der Forscher und gleichzeitig Voraussetzung,

sich am Programm zu beteiligen. Hier ist es die Entscheidung der Förderpolitik, ob und wieviel an Grundlagenforschung sie zum Verständnis und zur Aufklärung des Waldschadensphäno-mens zuläßt, um die Forscher für eine Beteiligung am Programm zu gewinnen.