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II. Praxis des Staatsgerichtshofes 1. Vorbemerkung

3. Vorfrageweise Prüfung als Verwaltungsgerichtshof

Problematisch wird es, wenn der Staatsgerichtshof die vorfrageweise Prüfung als Verwaltungsgerichtshof im verwaltungsgerichtlichen Ver­

fahren vornimmt und zum Ergebnis kommt, von einem amtswegigen förmlichen Gesetzesprüfungsverfahren abzusehen, wenn die "Vorfra­

76 StGH 1977/5, Entscheidung vom 25. April 1978 (nicht veröffentlicht), S. 3 f., i. V. m.

StGH 1977/11, Entscheidung vom 25. April 1978 (nicht veröffentlicht), S. 5 f. Im Ver­

fahren StGH 1977/5 wegen "Nichtgewährung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte" stellte die Frage der Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Verordnung über die Güterzusammenlegung eine Vorfrage dar. Der Staatsgerichtshof verfügte deshalb in seiner Sitzung vom 24. Oktober 1977, das Verfahren zur Abklärung der Verfassungs­

mässigkeit der Verordnung über die Güterzusammenlegung zu unterbrechen und eröff­

nete ein neues Verfahren StGH 1977/11, in dem er aufgrund amtswegiger Prüfung die Verordnung über die Güterzusammenlegung als verfassungswidrig aufhob.

77 StGH 1988/16, Urteil vom 28. April 1989 als Verwaltungsgerichtshof, LES 3/1989, S. 115(117).

78 StGH 1988/18, Urteil vom 28. April 1989 als Verwaltungsgerichtshof (nicht veröffent­

licht), S. 9 ff.; vgl. auch StGH 1994/13, Urteil vom 22. Juni 1995 als Verfassungsge­

richtshof, LES 4/1995, S. 118 (121), wo der Staatsgerichtshof festhält, dass er als Verfas­

sungsgericht gesondert vom verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren über die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen zu entscheiden habe.

79 Hier Art. 15 Bst. b des Gemeindegesetzes, LGB1 1960 Nr. 2.

80 LGB1 1960 Nr. 23 in der geltenden Fassung.

81 So ausdrücklich StGH 1980/6, Entscheidung vom 24. Oktober 1980 als Verwaltungsge­

richtshof, LES 1982, S. 1.

genprüfung" keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im (Ver-waltungs-)Verfahren angewendeten und in Beschwerde gezogenen Be­

stimmungen ergeben hat.82 Dabei kann es - abgesehen von dem vom Staatsgerichtshof erwähnten Fall einer "Verfassungsrüge", die durch den

"Kognitionsbereich" des Staatsgerichtshofes als Verwaltungsgerichtshof abgedeckt ist83 - keine Rolle spielen, inwieweit er auf eine verfassungs­

gerichtliche Prüfung eingetreten ist. Auf den Intensitätsgrad oder den Umfang der Prüfung kann es nicht ankommen. Denn eine verfassungs­

gerichtliche Kontrolle steht dem Staatsgerichtshof als Verwaltungsge­

richtshof nicht zu. Es kann daher dem Staatsgerichtshof auch dann nicht gefolgt werden, wenn er sozusagen nur kursorisch eine Rechtsnorm prüft. In StGH 1989/9 und 1084 vermerkt er nämlich, dass er in dem dem verfassungsgerichtlichen Verfahren vorangehenden Verwaltungsge­

richtsverfahren die Verfassungsmässigkeit der beanstandeten Gesetzes­

bestimmungen im Rahmen der Vorprüfung nicht "umfassend" oder

"uneingeschränkt" geprüft habe, sondern nur dahingehend, ob derart begründete Bedenken bestehen, dass das Verwaltungsgerichtsverfahren zu unterbrechen und ein förmliches verfassungsgerichtliches Gesetzes­

prüfungsverfahren von Amts wegen gemäss Art. 24 Abs. 3 StGHG durchzuführen sei.85

Es kommt dazu, dass eine bloss kursorische Prüfung als Verwal­

tungsgerichtshof auch aus verfahrensökonomischer Sicht nicht zu be­

friedigen vermag, wie dies in diesem Fall offenkundig geworden ist. Der Staatsgerichtshof beansprucht daher für sich als Verwaltungsgerichtshof

"volle Kognition", wenn im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbe­

schwerde auch die Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit einer Norm gel­

tend gemacht wird. Es erscheint ihm wohl aus Gründen der

Verfahrens-82 So StGH 1988/18, Urteil vom 28. April 1989 als Verwaltungsgerichtshof (nicht veröf­

fentlicht), S. 11.

83 StGH 1996/36, Urteil vom 24. April 1997 als Verfassungsgerichtshof (im Original des Urteils als Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof), LES 4/1997, S. 211 f. (214).

84 StGH 1989/9 und 10, Urteil vom 2. November 1989, LES 2/1990, S. 63 (66 f.).

85 StGH 1989/9 und 10, Urteil vom 2. November 1989, LES 2/1990, S. 63 (64 und 66 f.).

Der hier vom Staatsgerichtshof zu beurteilenden Verfassungsbeschwerde ging ein ver­

waltungsgerichtliches Verfahren vor dem Staatsgerichtshof als Verwaltungsgerichtshof in einer Bürgerrechtssache voraus. Er prüfte in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfah­

ren, ob begründete Verfassungsbedenken bestehen, so dass das Verwaltungsgerichtsver­

fahren zu unterbrechen und ein förmliches verfassungsgerichtliches Gesetzesprüfungs­

verfahren von Amts wegen gemäss Art. 24 Abs. 3 StGHG einzuleiten wäre. Dabei kam er zu einem negativen Ergebnis.

Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Vereinfachung naheliegend, eine solche Rüge im selben verwaltungsge­

richtlichen Verfahren "definitiv" zu beurteilen, anstatt die umfassende Prüfung einer separaten Verfassungsbeschwerde vorzubehalten. Denn die zuvor im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Staatsge­

richtshof beanstandete Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesbestim­

mung konnte folglich nurmehr mit Verfassungsbeschwerde gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung des Staatsgerichtshofes angefoch­

ten werden. Der Staatsgerichtshof'kam nicht umhin, diese Beschwerde für zulässig zu erklären. Er gab zu bedenken, dass er andernfalls "durch eine nicht vom Gesetz abgedeckte Einschränkung seiner Kognition eine Rechtsverweigerung begehen würde", da er - wie erwähnt - im voraus­

gegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Verfassungsrüge nicht eingehend untersucht hatte.86

Es ist wohl einsichtig, dass der soeben in StGH 1989/9 und 10 ange­

sprochene Fall der Verfahrenserweiterung im Wege einer (zusätzlichen) Verfassungsbeschwerde, den der Staatsgerichtshof vermeiden möchte, auch dann nicht eintritt, wenn die "vorfrageweise" Prüfung oder "Vor­

prüfung" von als verfassungswidrig gerügten Gesetzes- oder Verord­

nungsbestimmungen vom Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof vorgenommen wird. Denn der Staatsgerichtshof würde als Verfassungs­

gerichtshof in einem vom verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgeson­

derten eigenen Verfahren die fraglichen Rechtsnormen einer verfas­

sungsgerichtlichen Kontrolle unterziehen und entweder deren Verfas­

sungskonformität feststellen oder sie bei Verfassungswidrigkeit aufheben, so dass auch bei diesem Verfahrensablauf eine Verfassungsbe­

schwerde hinfällig würde. Es braucht also nicht zusätzlich eine Verfas­

sungsbeschwerde bemüht zu werden, um zu einer (umfassenden) Nor­

menkontrolle gelangen zu können.

Gegen eine vom Staatsgerichtshof reklamierte Verfahrensvereinfa­

chung ist nichts einzuwenden. Eine "vorfrageweise" Prüfung oder

"Vorprüfung" von als verfassungs- oder gesetzwidrig gerügten

Rechts-86 Im gegenteiligen Fall, wenn die in einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde integrierte Rüge der Verfassungswidrigkeit einer Norm im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Staatsgerichtshof als Verwaltungsgerichtshof einer "umfassenden Prüfung unter­

zogen und somit definitiv beurteilt" worden ist, gibt der Staatsgerichtshof in StGH 1989/9 und 10, Urteil vom 2. November 1989, LES 2/1990, S. 63 (66), zu verstehen, er­

übrige sich die separate Verfassungsbeschwerde nicht nur, sondern sie sei gar nicht mehr zulässig, so dass eine trotzdem erhobene Verfassungsbeschwerde vom Staatsgerichtshof zurückgewiesen werden müsste. ,

Vorschriften hat jedoch durch den Staatsgerichtshof in jedem Fall in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren stattzufinden. Das heisst, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu unterbrechen und das Geset­

zes- oder Verordnungsprüfungsverfahren nach Art. 24 Abs. 3 bezie­

hungsweise 25 Abs. 1 StGHG einzuleiten und durchzuführen ist. Wird vom Staatsgerichtshof eine solche Verfahrensteilung eingehalten, er­

übrigt sich auch eine Klarstellung, zu der er sich beispielsweise in StGH 1989/1587 veranlasst sah, da er als Verwaltungsgerichtshof die beantragte Verfassungsprüfung nicht für geboten erachtet hatte. Der Staatsgerichts­

hof hob mit Nachdruck hervor, dass auch bei Stattgebung einer Verwal­

tungsgerichtsbeschwerde die verwaltungsgerichtliche Entscheidung des Staatsgerichtshofes nicht eine Bestätigung der "verfassungsrechtlichen Beschwerdegründe" beinhalte. Trennt man das verwaltungsgerichtliche und das verfassungsgerichtliche Verfahren strikt voneinander, so kann es nicht zu einer solchen Rechtsunsicherheit kommen beziehungsweise müsste nicht allfälligen Bedenken begegnet werden. Es müsste vielmehr eine Selbstverständlichkeit sein, dass aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung des Staatsgerichtshofes niemals eine Bestätigung von

"verfassungsrechtlichen Beschwerdegründen" oder "Rügen der Verfas­

sungswidrigkeit eines Erlasses"88 abgeleitet werden kann.