• Keine Ergebnisse gefunden

Wie der Begriff "Normenkontrolle" ist auch ihre Bezeichnung als "ab­

strakt" und "konkret" für die beiden Verfahrensarten kein normativer Begriff. Sie scheinen im Staatsgerichtshofgesetz als solche nicht auf.

Obwohl diese Wortwahl nicht allseits auf Zustimmung gestossen ist,40

hat sie sich im deutschen Sprachraum eingebürgert41 und ist zur heute gängigen Terminologie geworden. Im älteren staatsrechtlichen Schrift­

tum ist gelegentlich von prinzipaler und inzidenter Normenkontrolle die Rede.42 Im ersten Fall erfolgt die Uberprüfung eines Gesetzes oder einer Verordnung hauptfrageweise, und zwar ohne dass ein Einzelfall dazu Anlass geben würde, und im zweiten Fall vorfrageweise, wenn die Notwendigkeit der Überprüfung in einem bereits anhängigen Ver­

fahren über eine bestrittene Sache (Einzelfrage) auftaucht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem akzessorischen Prüfungs­

recht.43

"Abstrakt" wird die Normenkontrolle dann bezeichnet, wenn die Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes oder die Verfassungs­

40 Ernst Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, S. 52, nennt sie eine "unschöne Bezeichnung", und Hans Spanner, Rechtliche und poli­

tische Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 25 und 28, bezeichnet sie als "nicht glücklich". Zur inhaltlichen Kritik hinten S. 85.

41 So Theodor Maunz, Grundgesetz, Kommentar zu Art. 93 GG, Rdnr. 17; für die Schweiz: Andreas Auer, Die schweizerische Verfassungsgerichtsbarkeit, S.13 ff.; für Osterreich: Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, S. 409/Rdnr. 1110, S. 410/Rdnr. 1112 ff., S. 421/Rdnr. 1158 und S. 423/Rdnr. 1159 f.; für Liechtenstein: Petra Margon, Staatsgerichtshof Liechtenstein - Verfassungsgerichtshof Osterreich: Eine vergleichende Darstellung, S. 160 ff.; siehe im weiteren die bei Arno Waschkuhn, Politisches System Liechtensteins: Kontinuität und Wandel, LPS 18, Va­

duz 1994, S. 204 f., gemachten Literaturhinweise.

42 Edouard Campiche, Die verfassungskonforme Auslegung, S. 79; Gerard Batliner, Die liechtensteinische Rechtsordnung und die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 104.

43 Edouard Campiche, Die verfassungskonforme Auslegung, S. 79; vgl. auch Christian Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, S. 120 f. Siehe auch die Darstellung bei Hartmut Maurer, Zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle, S. 252, der zwischen Streit­

gegenstand und Anlass unterscheidet und je nachdem die Normenkontrolle in die Be­

griffspaare "prinzipale und inzidente" bzw. "abstrakte und konkrete" Normen­

kontrolle unterteilt. Für die ältere Literatur fasst Ernst Friesenhahn, Uber Begriff und Arten der Rechtsprechung, S. 63, die zwei Arten von Verfahren zusammen. Das eine bezeichnet er als "objektives Verfahren", da es ohne konkreten Anlass erfolgt, das an­

dere nennt er das "Incident-Verfahren", da die Prüfung der Norm als Zwischenver­

fahren in einem anhängigen Rechtsstreit auf Vorlage eines Gerichtes erfolgt.

Verfahrensarten

oder Gesetzmässigkeit einer Verordnung44 durch den Staatsgerichtshof im Wege eines selbständigen Verfahrens beziehungsweise unabhängig von einem wegen eines konkreten Anlasses anhängigen Verfahrens er­

folgt, m.a.W. wenn es zum Antrag und zur Entscheidung nicht aus An-lass eines "konkreten" Falles kommt.45 Daher spricht man auch von einem "objektiven" Verfahren,46 das sich darin manifestiert, dass die Prüfung de legis legitimitate ohne jeden Zusammenhang mit einem kon­

kreten gerichtlichen Verfahren vorgenommen wird47 und auch der Schutz der Verfassung (Rechtsordnung) im Vordergrund steht48. Zu be­

denken ist auch der Aspekt des Vorrangs der Verfassung. Nach dieser Eigenheit und Tragweite der abstrakten Normenkontrolle richtet sich auch der Kreis der Antragsberechtigten, die ein Prüfungsverfahren, das die Praktikabilität bei der Ausübung des Rechts49 als auch die Wirksam­

keit der Kontrolle50 gewährleistet (Normenkontrollverfahren), in Gang setzen können. Bei Gesetzen sind die Regierung und eine Gemeinde­

vertretung die antragsberechtigten Verfassungsorgane beziehungsweise Behörden und im Fall der selbständigen Anfechtung von Verordnungen hundert Stimmfähige.51

44 Auch die Verordnung (Regierungsverordnung) ist in der Form der selbständigen An­

fechtung gemäss Art. 26 StGHG oder Art.19 Abs.l Bst.d des noch nicht sanktionier­

ten Staatsgerichtshof-Gesetzes Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle. Dazu ausführlicher hinten S. 86 ff.

45 Klaus Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 80/Rdnr. 113; Theodor Maunz, Grund­

gesetz, Kommentar zu Art. 93 GG, Rdnr. 19, und zu Art. 100 GG, Rdnr. 1; Christian Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, S. 120 f.

46 So Ernst Friesenhahn, Zur richterlichen Kontrolle von Rechtsverordnungen nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, S. 117.

47 So Mauro Cappelletti/Theodor Ritterspach, Die gerichtliche Kontrolle der Verfassungs­

mässigkeit der Gesetze in rechtsvergleichender Betrachtung, S. 100.

48 So Gisela Babel, Probleme der abstrakten Normenkontrolle, S. 11.

49 Eine "eigentliche" Popularklage sieht das geltende Staatsgerichtshofgesetz wie auch das noch nicht sanktionierte Staatsgerichtshof-Gesetz nicht vor. Erwin Melichar, Die Liech­

tensteinische Verfassung 1921 und die österreichische Bundesverfassung 1920, S. 433, erwähnt im Zusammenhang mit Art. 24 StGHG auch die gegenüber Osterreich kleinere

"föderalistische" Struktur des Fürstentums Liechtenstein. Diese Charakterisierung ist nicht zutreffend. Siehe dazu hinten S. 149/Anm. 125.

50 Im Sinn der abstrakten Normenkontrolle werden die Antragsteller als "Wächter für die objektive Verfassungsordnung" umschrieben; so BVerfGE 13, 132/141; vgl. auch Hans Domcke, Die bayerische Popularklage, S. 244/Anm. 34 mit weiteren Hinweisen. In BVerfGE 1, 184 (196) werden sie als "Hüter der Verfassung" verstanden; vgl. auch Gisela Babel, Probleme der abstrakten Normenkontrolle, S. 10.

51 Art. 24 und 26 StGHG. Siehe auch StGH 1970/1, Gutachten vom 13. Juli 1970, ELG 1967 bis 1972, S. 254 (256) und StGH 1995/15, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 2/1996, S. 61 (64) bzw. 65 (68). Der Kreis der antragsberechtigten Verfassungsorgane

Bei der konkreten Normenkontrolle kommt es zur Prüfungsvorlage an den Staatsgerichtshof durch ein Gericht,52 wenn in einem anhängi­

gen Verfahren die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes behauptet wird oder wenn ihm eine Verordnungsbestimmung als verfassungs- oder gesetzwidrig erscheint.53 Demnach ist die Vorlagebefugnis nicht auf höhere Gerichtsinstanzen oder gar auf Höchstgerichte beschränkt,54

was zu einer beträchtlichen Verengung dieses Rechts führen würde und damit auch der Effektivität dieses Instruments abträglich wäre.55 Bedenken in der Richtung, dass ein oberstes Gericht sich kaum mit

soll in Art. 17 Abs. 1 Bst. a des noch nicht sanktionierten Staatsgerichtshof-Gesetzes um einen Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten des Landtages erweitert werden (Bericht und Antrag der Regierung zum Staatsgerichtshof-Gesetz, Nr. 71/1991), denn in der Praxis hat die abstrakte Normenkontrolle bei Gesetzen (und auch bei Verordnun­

gen) kaum eine Rolle gespielt. Damit wird versucht, die abstrakte Normenkontrolle zu

"reaktivieren" bzw. zu verstärken. Näheres dazu hinten S. 152 f. und 154. Vgl. für Österreich auch Helfried Pfeifer, Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 514, und für die Schweiz Walter Haller, Ausbau der schweizerischen Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 183 ff. Auf negative Folgen (Nachteile) einer Streichung der abstrakten Normenkon­

trolle macht Richard Häussler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung: Ein Beitrag zu Geschichte und Rechtsstellung des Bundesverfas­

sungsgerichts, S. 176, aufmerksam.

52 Zur Gerichtsqualität der Verwaltungsbeschwerdeinstanz siehe Peter Sprenger, Die Ver­

waltungsgerichtsbarkeit, S. 338 f., und hinten S. 179 ff.

55 Art. 25 und Art. 28 Abs. 2 StGHG; nach Art. 25 Abs. 2 StGHG gehört zu den An­

tragsberechtigten auch eine Gemeindebehörde, wenn sie eine Verordnung oder einzelne ihrer Vorschriften in einem bestimmten Fall unmittelbar oder mittelbar anzuwenden hat; vgl. auch Art. 17 Abs. 1 Bst. b und Art. 19 Abs. 1 Bst. a des noch nicht sanktionier­

ten Staatsgerichtshof-Gesetzes.

54 Andere Rechtslage zum Beispiel in Österreich; vgl. Art. 140 B-VG und dazu Heinz Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, S. 338.

55 Es trifft aber die aus deutscher Sicht von Dieter Grimm, Probleme einer eigenständigen Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, S. 174, zum Bedenken gegebene Erfahrung auf Liechtenstein nicht zu, wenn auch festzustellen ist, dass die meisten Prüfungsan­

träge vom Landgericht als erster Instanz ausgehen. Auch die Instanzgerichte gelangen mit Prüfungsanträgen an den Staatsgerichtshof. Vgl. etwa für das Obergericht: StGH-Entscheidung vom 26. Juni 1967, ELG 1962 bis 1966, S. 270 (als StGH 1964/4 in: ELG 1967 bis 1972, S. 215 ff. abgedruckt); StGH 1984/7, Beschluss vom 16. Oktober 1984, LES 2/1985, S. 41, und StGH 1995/15, Urteil vom LES 2/1996, S. 65, und für den Obersten Gerichtshof: StGH 1978/8, Entscheidung vom 11. Oktober 1978, LES 1981, S. 5, und StGH 1993/6, Urteil vom 23. November 1993 (nicht veröffentlicht). Einen Grossteil der Prüfungsvorlagen unterbreitet die Verwaltungsbeschwerdeinstanz. Als Beispiele aus der neueren Praxis seien erwähnt: StGH 1986/7, Urteil vom 5. Mai 1987, LES 4/1987, S. 141; StGH 1987/20, Urteil vom 3. Mai 1988, LES 4/1988, S. 136; StGH 1993/9, Urteil vom 22. März 1994, LES 3/1994, S. 68; StGH 1996/1 und 2, Urteil vom 25. Oktober 1996, LES 3/1998, S. 123 (124); StGH 1996/15, Urteil vom 27. Juni 1996, LES 2/1997, S. 89; StGH 1996/40, Urteil vom 20. Februar 1997, LES 3/1998, S. 137 (139 f.), und StGH 1996/44, Urteil vom 25. April 1997 (noch nicht veröffentlicht).

Verfahrensarten

l

einer Prüfungsvorlage an das Verfassungsgericht wenden wird, sind in der Diskussion nie aufgetaucht. Die Bereitschaft, dem Staatsgerichts­

hof einen Prüfungsantrag zu unterbreiten, ist, wie die Praxis bestätigt, bei allen ordentlichen Gerichtsinstanzen, das heisst auch beim Ober­

sten Gerichtshof, vorhanden. Der Staatsgerichtshof seinerseits erkennt jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei über die Ver­

fassungsmässigkeit von Gesetzen beziehungsweise über die Verfas­

sungsmässigkeit und Gesetzmässigkeit von Verordnungen, wenn er sie in einem bestimmten Fall unmittelbar oder bei Vor- oder Zwischenfra­

gen mittelbar anzuwenden hat.56

Den beiden Kontrollarten ist gemeinsam, dass der Staatsgerichtshof die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit auf die gleiche Art und Weise prüft und mit denselben Wirkungen entscheidet.57 Die Antragsberech­

tigten sind auch nicht verpflichtet, eine Prüfungsinitiative zu ergreifen, wenn sie Bedenken oder Zweifel über die Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes oder die Verfassungs- oder Gesetzmässigkeit einer Verord­

nung haben.58 Es scheint sich aber eine Änderung der Rechtsprechung anzubahnen, denn der Staatsgerichtshof hat in zwei neueren Entschei­

dungen die Ansicht vertreten, die Regierung sei nach Art. 24 StGHG zur Einleitung eines Verfahrens verpflichtet, wenn sie ernsthafte Zwei­

fel hege oder ihr die Verfassungswidrigkeit als offensichtlich erscheine beziehungsweise eine Gerichtsinstanz sei nach Art. 28 Abs. 2 StGHG verpflichtet, immer dann das Verfahren zu unterbrechen und dem Staatsgerichtshof die Frage zur Prüfung zu unterbreiten, wenn sie Zweifel an der Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes oder einer Verord­

56 An. 24 Abs. 3 und Axt. 25 Abs. 1 StGHG; vgl. auch Art. 17 Abs. 1 Bst. c und Art. 19 Abs. 1 Bst. b des noch nicht sanktionierten Staatsgerichtshof-Gesetzes.

57 So Klaus Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 81/Rdnr. 114; Gerard Batliner, Die liechtensteinische Rechtsordnung und die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 113, weist darauf hin, dass die Aufhebung einer Norm im konkreten Anwendungsfall gleich wie die bei der abstrakten Normenkontrolle gegen jedermann wirke und im Lan­

desgesetzblatt kundgemacht werde. Aus der älteren Literatur: Ernst Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, S. 52.

58 Anders die Rechtslage in Österreich, vgl. Heinz Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, S. 328 und 338. Zur jüngsten Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes in bezug auf die Einleitung des Normenkontrollverfahrens nach Art. 24 StGHG siehe StGH 1996/36, Urteil vom 24. April 1997, LES 4/1997, S. 211 (216) und zu Art. 28 Abs. 2 StGHG siehe StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 (39) mit Verweis auf Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 384 ff. Eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung findet sich hinten S. 157 ff. und 183 ff.

nung habe. Damit weicht der Staatsgerichtshof nicht nur vom gelten­

den, sondern auch vom zukünftigen Gesetzesrecht ab. Denn auch das noch nicht sanktionierte Staatsgerichtshof-Gesetz ändert in dieser Be­

ziehung an der gegenwärtigen Gesetzeslage nichts. Sowohl bei der ab­

strakten als auch bei der konkreten Normenkontrolle bleibt es den be­

treffenden antragsberechtigten Organen überlassen beziehungsweise in ihrem Ermessen, ob sie einen Antrag auf Gesetzes- oder Verordnungs­

prüfung beim Staatsgerichtshof einbringen wollen. Eine Antragspflicht ist nicht vorgesehen.

Dagegen unterscheiden sich die abstrakte und konkrete Normenkon­

trolle bei den Verfahrensvoraussetzungen. Bei der abstrakten Normen­

kontrolle sind die Regierung und eine Gemeindevertretung antrags­

berechtigt, das heisst nicht richterliche Organe im Unterschied zur konkreten Normenkontrolle, die nur Gerichte und im Fall einer Ver­

ordnung auch eine Gemeindebehörde veranlassen können. Bei der kon­

kreten Normenkontrolle ist der Anlassfall grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Prüfungsvorlage an den Staatsgerichtshof. Da­

bei spielt nach Art. 28 Abs. 2 StGHG auch der Prüfungsgegenstand eine nicht unwesentliche Rolle. Bei Gesetzen muss in einem anhängigen Ver­

fahren die Verfassungswidrigkeit behauptet werden, damit ein Gericht diese Frage dem Staatsgerichtshof zur Prüfung unterbreiten kann. Bei einer Verordnung genügt, wenn sie dem Gericht als verfassungs- oder gesetzwidrig erscheint.59

Das noch nicht sanktionierte Staatsgerichtshof-Gesetz lässt in den Art. 17 Abs. 1 Bst. b und 19 Abs. 1 Bst. a diese Unterscheidung fallen. Es wurde argumentiert, diese Einschränkung bei Verordnungen würde die Rechte einer "Partei" nicht verkürzen, und darauf hingewiesen, es sei die Partei, die ein Verfahren angestrebt habe. Es solle daher ihr obliegen, ob ein Gericht oder eine andere Behörde beim Staatsgerichtshof wegen einer von ihr behaupteten Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit einer anzuwen­

denden Verordnung tätig werden solle.60 Demnach kann sowohl bei Gesetzen als auch bei Verordnungen von den antragsberechtigten Orga­

nen ein Antrag auf Prüfung der Verfassungs-, Gesetz- und Staatsver-tragsmässigkeit an den Staatsgerichtshof nur gestellt werden, wenn im

5' So ausdrücklich StGH 1982/36, Gutachten vom 1. Dezember 1982, LES 4/1983, S. 110 f.

60 Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag zum Staatsgerichtshof-Gesetz, Nr. 71/1991, S. 71.

Verfahrensarten

betreffenden Verfahren von einer Partei die Verfassungs-, Gesetz- oder Staatsvertragswidrigkeit einer anzuwendenden Norm behauptet wird.

Damit gelten unabhängig vom Prüfungsgegenstand für die Vorlagen der Gerichte an den Staatsgerichtshof die gleichen Anforderungen.

Diese Sichtweise lässt den Sinn und Zweck der Normenkontrolle zu . kurz kommen. Sie steht nicht nur im Dienste einer Partei, sondern über­

haupt und in erster Linie der Rechtsordnung. Wenn ein Gericht oder eine andere Behörde bei einer von ihr anzuwendenden Verordnung nicht mehr von sich aus einen Prüfungsantrag beim Staatsgerichtshof einbringen kann, so wird in dieser Hinsicht der Zugang zur Normenkontrolle er­

schwert. Eine solche Regelung bedeutet ein Weniger an Schutz der ver­

fassungsmässigen Rechtsordnung. Dies mag bei Gesetzen noch angehen, nicht aber bei Verordnungen. Es gibt einen durchaus einsichtigen Grund, wenn der Gesetzgeber Verordnungen der Regierung einer weitergehen­

den Kontrolle durch den Staatsgerichtshof unterwirft als seine eigenen Gesetze, wie dies bisher in Art. 28 Abs. 2 StGHG auch geschieht.61

Da die Begriffsbestimmungen nur auf die Veranlassung der Normen­

kontrolle abstellen,62 hat die Unterscheidung in abstrakte und konkrete Normenkontrolle Kritik erfahren. Es wird beanstandet, dass sie zum Missverständnis verleite, als ob dabei ein Verfassungsgericht eine jeweils verschiedene Tätigkeit ausübe, was keineswegs zutreffe.63

61 Weitere Ausführungen dazu hinten S. 202 ff. Die Art. 139 und 140 B-VG enthalten bei­

spielsweise weder für Verordnungen noch für Gesetze eine solche Einschränkung.

62 So Willi Geiger, Das Verhältnis vom Bundesverfassungsgericht und vorlegendem Gericht im Falle der konkreten Normenkontrolle, in: EuGRZ 1984, S. 419. Siehe die Unterscheidung bei Hartmut Maurer, Zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle, S. 251 ff.

63 Christoph Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, S. 18; so auch Klaus Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 81/Rdnr. 114. Er ver­

merkt aber auch, dass diese Terminologie - wie dargetan - anders "besetzt" sei (S. 79 f./

Rdnr. 112).

III. Selbständige Verordnungsanfechtung