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III. Staatsgerichtshofgesetz 1925 1. Auftrag und Ausarbeitung

3. Komplexität der gesetzlichen Regelung

Hinter der Einrichtung eines Staatsgerichtshofes steht der "wiederholt vorgebrachte Wunsch" der Bevölkerung, dem "Bürger Recht zu ge­

währen, Unrecht zu verhindern und die Verfassungsmässigkeit der Ge­

setze und Verordnungen zu überwachen".68 Dieser Absicht und Zielset­

zung musste ein Gesetz gerecht werden. Eine plausible Erklärung für

65 Er war ein Exponent der Fortschrittlichen Bürgerpartei. Zur Person siehe die Angaben bei Herbert Wille, Landtag und Wahlrecht im Spannungsfeld der politischen Kräfte in der Zeit von 1918-1939, S. 85/Anm. 74a.

66 Art. 25 der Regierungsvorlage wurde anlässlich der Beratungen im Landtag zu Art. 26 StGHG.

67 Es handelt sich um den Abgeordneten Anton Walser-Kirchthaler, der der christlich-sozialen Volkspartei angehörte. Zu Daten seiner Person siehe Studien und Quellen zur politischen Geschichte des Fürstentums Liechtenstein im frühen 20. Jahrhundert, S. 29.

68 Gesetz betreffend den Staatsgerichtshof, LLA RE 1925/2255.

die zeitliche Verzögerung dürfte in der Tatsache zu suchen sein, dass beide beruflich, und Dr. Wilhelm Beck zusätzlich durch sein politisches Mandat, sehr in Anspruch genommen waren.69 So ist dem Kommis­

sionsbericht zu entnehmen, dass der Entwurf "infolge Arbeitsüber­

häufung der Behörden und des Verfassers zur verfassungsmässigen Behandlung dem Landtag erst (jetzt) unterbreitet" werden könne.

Dieser Hinweis ist sicher nur einer der Gründe. Die Konzeption des Staatsgerichtshofgesetzes dürfte den Verfassern ohne Zweifel grosse Mühe bereitet haben. Es konnte nicht auf ein einschlägiges historisches Vorbild zurückgegriffen werden. Es handelte sich bei der Verfassungs­

gerichtsbarkeit um eine eigentliche "Neueinführung".70 Entsprechende Erfahrungen fehlten. Die Gründe sind also mannigfach. Es bestanden zwar in Osterreich auf Verfassungs- und Gesetzesebene einschlägige Regelungen. Sie Hessen sich aber insgesamt nicht auf die liechtensteini­

schen Verhältnisse übertragen und stimmten auch in weiten Teilen nicht mit den Vorstellungen des liechtensteinischen Gesetzgebers überein. Zu mehr als vereinzelten Nachbildungen ist es denn auch nicht gekommen.

Es bleibt daher festzuhalten, dass es in der liechtensteinischen Rechts­

tradition bis dahin keine dem Staatsgerichtshof nur annähernd ver­

gleichbare Institution gegeben hat. Der Gesetzgeber musste Neuland betreten, so dass sich Otto Ludwig Marxer noch vor Erlass des Gesetzes zur Bemerkung veranlasst sah, dass über das zu "erlassende, ausführ­

liche Gesetz" in "massgebenden Kreisen noch völlige Unklarheit" herr­

sche. Oft sei durch die Presse im Volk der Verdacht laut geworden, dass das "Gesetz über den Staatsgerichtshof aus (partei)politischen Grün­

den71 nicht erlassen werde", also eine absichtliche Verzögerung vor­

liege.72 In diesem Falle dürfte jedoch, wie er mutmasst, eine "gesunde Mischung beider Ansichten (. ..) der Wahrheit am nächsten kommen".

In den Augen von Otto Ludwig Marxer erschwert auch der "fragmen­

tarische" Charakter73 der Verfassungsbestimmungen den Zugang zu

69 Dr. Wilhelm Beck als Landtagspräsident und Rechtsanwalt; Dr. Emil Beck als Gesand­

ter des Fürstentums Liechtenstein in Bern und als Professor an der Universität Bern.

70 So Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane in Liechtenstein, S. 79.

71 Dr. Emil Beck wurde erster Präsident des Staatsgerichtshofes.

72 Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane in Liechtenstein, S. 79 f.

73 Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane in Liechtenstein, S. 79 f.

Entstehungsgeschichte

einem Gesetz. Er gibt nämlich zu bedenken, dass die Verfassung nur den

"rauhen Rahmen" enthalte. Ein "noch zu erlassendes Gesetz" müsse da­

her diese Materie erst noch "erschöpfend" regeln. Bis jetzt gebe es nur eine "grobe, oft ungefähre Umschreibung der Kompetenz und Organi­

sation", doch durch die Aufnahme in die Verfassung sei die "Verwirk­

lichung der Neueinführung" der Verfassungsgerichtsbarkeit garantiert worden.

Wenn man ihm auch soweit zustimmen kann, dass es der Gesetzge­

ber zu einem grossen Teil in der Hand hat zu bestimmen, wie die Ver­

fassungsgerichtsbarkeit in den Einzelheiten Gestalt annehmen soll, scheint doch seine Ansicht überzeichnet und nicht haltbar zu sein, dass über den Inhalt des Gesetzes noch "völlige Unklarheit" geherrscht habe. Die Verfassung lässt zwar bis zu einem gewissen Grad die politi­

sche Entscheidung offen, bestimmt aber deren Rahmen. Der Verfas­

sungsgeber hat sich klar für das österreichische System der Verfassungs­

gerichtsbarkeit ausgesprochen. Diese ist in Osterreich auch gesetzgebe­

risch im Bundesgesetz Nr. 364 vom 13. Juli 1921 über die Organisation und über das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes gelöst, wenn man es als Rezeptionsgrundlage hätte heranziehen wollen, und wie dies punktuell auch geschehen ist.74 Die liechtensteinische Verfassungsge­

richtsbarkeit ist institutionell im Staatsgerichtshof enthalten. Ebenso sind die Kompetenzen des Staatsgerichtshofes wie auch seine Struktur, etwa über die Wahl seiner Mitglieder oder über seine Funktion bei Prü­

fung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen und der Gesetzmässigkeit der Regierungsverordnungen, in Art. 104 und 105 der Verfassung fest­

geschrieben.75

Auch wenn die Verfassung auf eine detaillierte normative Regelung verzichtet, gibt sie ein für den Gesetzgeber ausreichendes Gerüst ab.

Damit soll der Einwand nicht heruntergespielt werden, dass dem Gesetzgeber eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung der Verfassungs­

gerichtsbarkeit zukommt. Denn die Verfassungsgerichtsbarkeit ist offensichtlich nicht allein auf die Ebene der Verfassung beschränkt. Es verbleibt dem Gesetzgeber daher ein nicht zu unterschätzender Gestal­

tungsspielraum, den er nach eigenen Vorstellungen ausnutzen kann. Es

n Vgl. etwa Art. 27 Abs. 3 StGHG und §§ 50 Abs. 3 und 52 Abs. 3 BGBl. 1921/346 sowie Art. 28 Abs. 1 S tGHG und Art. 89 Abs. 1 B -VG.

75 Dies geht so ohne Zweifel aus den Art. 104 und 105 der Verfassung hervor.

hängt von ihm ab, wie er sich zur Normenkontrolle stellt, welche Ver­

fahrensarten er zulassen will oder wie eng oder weit er den Kreis der Antragsberechtigten zieht. Entsprechende Bestimmungen waren im österreichischen Bundesgesetz vorhanden. Andere Gesetzesmaterialien standen wohl nicht zur Verfügung.76 Allerdings ist der Zuständigkeits­

bereich des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes weit gespannt. Es galt ja n icht nur die Normenkontrolle zu regeln. Seine Zuständigkeit reicht von Beschwerden wegen Verletzung eines verfassungsmässig gewährlei­

steten Rechtes über Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden, die Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Ge­

setzen und der Gesetzmässigkeit von Regierungsverordnungen, Klagen des Landtages auf Entlassung oder Schadenersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung gegen Mitglieder und gegen Beamte der Regierung sowie als Disziplinargerichtshof für Mitglieder der Regierung und als Verwaltungsgerichtshof bis hin zur Beseitigung von Verfassungsstreitig­

keiten im Sinn von Art. 112 der Verfassung.77

Die Komplexität des Regelungswerkes ist nicht zu übersehen. Sie gab verständlicherweise Probleme auf. Dazu kommt, dass sich der Gesetz­

geber noch kein Bild darüber machen konnte, wie sich beispielsweise die einzelnen Verfahrensarten in der Praxis auswirken werden. Es galt auch zu berücksichtigen, dass sich der Staatsgerichtshof aufgrund seiner Auf­

gabenstellung in der Verfassung von den ordentlichen Gerichten abhob.

Dies alles verlangte ein hohes Mass an Sachkunde und Vertrautheit mit den liechtensteinischen Verhältnissen.

Es ist wohl auch der Kompetenzfülle des Staatsgerichtshofes und der sich daraus ergebenden Vielschichtigkeit der zu regelnden Materie zuzu­

schreiben, dass es bei dem Begriff "Staatsgerichtshof", der aus dem Par­

teiprogramm der christlich-sozialen Volkspartet stammt und auch im Verfassungsentwurf von Dr. Wilhelm Beck verwendet wird, geblieben ist. Er hat allerdings einen gegenüber dem bisherigen Verständnis weiter gefassten Sinn bekommen. Der Aufgabenbereich erschöpft sich nicht

76 Die im Gesetzesakt, LLA RE 1925/2255, enthaltenen Hinweise auf Gesetze betreffend den Staats- und Verwaltungsgerichtshöf der Kantone Aargau und Basel-Stadt konnten nicht verifiziert werden. Auf Anfrage teilte der Informations- und Dokumentations­

dienst des Kantons Aargau am 22. November 1994 mit, dass der Kanton Aargau keine Verfassungsgerichtsbarkeit kenne. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei erst 1968 einge­

führt worden.

77 Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane in Liechtenstein, ' S. 80 ff.

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nur im Schutz verfassungsrechtlich garantierter Rechte des Einzelnen oder in der sogenannten Staatsgerichtsbarkeit. Er ist erweitert worden, so dass der Staatsgerichtshof auch als eigentlicher Verfassungsgerichts­

hof fungiert. Es sprach also nichts dagegen, diesen damals geläufigen78

Terminus "Staatsgerichtshof" auch weiterhin zu verwenden. Denn man hatte ja in offenkundiger Weise von der mit den alten Staatsgerichts­

höfen verbundenen, zu eng verstandenen Staatsgerichtsbarkeit der deut­

schen Länder aus dem 19. Jahrhundert79 Abschied genommen. Dadurch hat sich der Begriff der ganzen Bandbreite der heutigen Verfassungsge­

richtsbarkeit geöffnet. Das heisst, dass in ihm neben der alten Staatsge­

richtsbarkeit auch die neu hinzugekommenen Bestandteile der Verfas­

sungsgerichtsbarkeit Platz haben.

4. Fazit

Die Normenkontrolle wurde wirksam und umfassend ausgestaltet. Der Gesetzgeber ist nicht in den Fehler verfallen, dass das Prüfungsverfahren nur durch einen besonderen Antrag, den ausschliesslich politische Organe stellen durften, eingeleitet werden konnte. Die österreichische Regelung, nach der nur der Bundesregierung und den Landesregierun­

gen ein Antragsrecht zustand, erwies sich bald einmal als unzurei­

chend.80 Das österreichische Bundesverfassungsgesetz kannte die kon­

krete Normenkontrolle zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, sondern nur die Form der prinzipalen Normenkontrolle, die die Verfassungs­

mässigkeit eines Gesetzes als Hauptsache vor dem Verfassungsgerichts­

78 Der Begriff "Staatsgerichtshof" stand zur damaligen Zeit in Art. 19 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung und ebenso in den Verfassungen der deutschen Länder. Vgl. dazu Wolfgang Eiswaldt, Die Staatsgerichtshöfe in den deutschen Ländern und Art. 19 der Reichsverfassung, in: Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 1926, S. 299 ff. In Österreich wurde mit Gesetz vom 25. Juli 1867 (RGBl Nr. 1Ö1) e in eigener Staatsgerichtshof eingerichtet. Vgl. dazu Ernst Hellbling, Die geschichtliche Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Osterreich, S. 197/

Anm. 4.

n Vgl. zur Staatsgerichtsbarkeit Rudolf Hoke, Verfassungsgerichtsbarkeit in den deut­

schen Ländern in der Tradition der deutschen Staatsgerichtsbarkeit, S. 82 f.; Ulrich Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahr­

hundert, S. 1 f f. mit weiteren Hinweisen.

80 Mauro Cappelletti/Theodor Ritterspach, Die gerichtliche Kontrolle der Verfassungs­

mässigkeit der Gesetze in rechtsvergleichender Betrachtung, S. 98.

hof zum Gegenstand hatte. Es drängte sich in Österreich sehr bald eine Reform auf, die aber in ihrer Effizienz auch nicht der liechtensteinischen Regelung gleichkommt. 1929 wurde Art. 140 B-VG in dem Sinn geän­

dert, dass neben den erwähnten politischen Organen noch zwei Organe, nämlich der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof, zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof ermächtigt wurden.81 Im Unterschied zur Bundesregierung und den Landesregierungen können die beiden Gerichtshöfe die Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes nicht "principaliter" beantragen, sondern lediglich inzidenter, das heisst lediglich aus Anlass eines bei ihnen anhängigen Verfahrens und nur insoweit, als das in seiner Gültigkeit bestrittene Bundes- oder Landesgesetz für die Entscheidung der Prozessache erheblich ist.

Das Staatsgerichtshofgesetz kannte demgegenüber von Anfang an beide Verfahrensarten. Die Normenkontrolle ist im Vergleich zum österreichischen Typ umfassender beziehungsweise vollständiger ausge­

bildet. Bei der konkreten Normenkontrolle sind es alle Gerichte, die eine Prüfungsvorlage dem Staatsgerichtshof unterbreiten können. Eine Besonderheit der abstrakten Normenkontrolle bildet die selbständige Anfechtung von Verordnungen durch hundert Stimmfähige. Zu erwäh­

nen ist auch die Verfassungsbeschwerde (Art. 23 StGHG), die es in die­

ser Ausprägung in der österreichischen Verfassungsrechtsordnung nicht gibt.82 Danach können alle letztinstanzlichen Entscheidungen der ober­

sten Gerichte und der Verwaltungsbehörden wegen Verletzung verfas­

sungsmässig garantierter Rechte an den Staatsgerichtshof weitergezogen werden. In Österreich können gemäss Art. 144 des Bundesverfassungs­

gesetzes nach Erschöpfung des Instanzenzuges mit Beschwerde nur Be­

scheide der Verwaltungsbehörden83, und nicht auch Entscheidungen der Gerichte, beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden.84

81 Zur Erweiterung der Zuständigkeit des österreichischen Verfassungsgerichtshofes durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle vom 15. Mai 1975 (BGBl Nr. 302) siehe den Uberblick bei Theo Ohlinger, Die Verfassungsentwicklung in Österreich seit 1974, S. 433 ff.

82 Vgl. Gerard Batliner, Die liechtensteinische Rechtsordnung und die Europäische Men­

schenrechtskonvention, S. 111 ff.

83 Vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, S. 438/

Rdnr. 1208.

84 Das Rechtsinstitut des Individualantrags auf Normenkontrolle ist mit Bundesgesetz­

blatt 302/1975 eingeführt worden. Vgl. Herbert Haller, Der Individualantrag zur Ver-ordnungs- und Gesetzesprüfung, S. 230 ff., und Kurt Ringhofer, Die Individualanfech-tung von Gesetzen und Verordnungen, in: ÖVA 1977, S. 167 ff.

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Diese Ausweitung des Prüfungsrechts des Staatsgerichtshofes liegt auf der Linie rechtsstaatlicher Postulate, dem Bürger einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz zu garantieren. Gleichzeitig ist auch die zen­

trale Problematik der Verfassungsgerichtsbarkeit beziehungsweise der Normenkontrolle zum Gesetzgeber, wie sie in der Verfassung angelegt ist, schon damals gesehen geworden. Der Staatsgerichtshof könne "in einzelnen Fällen durch seine 'Entscheidungen' zum mindesten formell, allgemein verbindliche Rechtssätze aufstellen (...), eine Tatsache, die un­

bedingt über die natürlichen Grenzen der Rechtsprechung weit hinaus geht und eingreift in das nach der Verfassung den Faktoren der Gesetz­

gebung ausdrücklich vorbehaltene Gebiet."85 Diese Bedenken rühren an die funktionell-rechtlichen Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit.86

Man hat es mit einer Vielzahl von Prüfungs- und Entscheidungsbefug­

nissen des Staatsgerichtshofes zu tun. Am stärksten wird dies sichtbar in den beiden Arten der Normenkontrolle und in der Verfassungsbe­

schwerde, soweit sie sich auf die Uberprüfung von Gesetzen auf ihre Ver­

fassungsmässigkeit beziehen. Dr. Wilhelm Beck bringt die Verfassungs­

intention auf den Punkt, wenn er sagt, dass mit dem Staatsgerichtshof eine Institution geschaffen worden sei, "die in wichtigen und weittragen­

den Fragen das letzte Wort zu sprechen haben wird."87 Die Verfassung konstituiert den Staatsgerichtshof so, dass die institutionellen Vorausset­

zungen für seine Existenz - wie bereits vorne ausgeführt - geschaffen sind. Er ist organisatorisch nicht von einem andern Verfassungsorgan abhängig oder ihm unterstellt. Die Tätigkeit des Staatsgerichtshofes unterliegt keiner weiteren verbindlichen Kontrolle etwa in Form von Rechtsmitteln. Dem Staatsgerichtshof kommt also die Letztentschei­

dungskompetenz beziehungsweise das Letztentscheidungsrecht zu. Dies macht unter anderem seine besondere (einzigartige) statusrechtliche Stellung im Verfassungsgefüge aus, der die Rolle eines "Hüter(s) der Ver­

fassung"88 entspricht, wie er sich selber schon bezeichnet hat.

85 Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane in Liechtenstein, S. 86. In dieser Formulierung ist nicht nur der Fall von Art. 112 der Verfassung ange­

sprochen.

86 Vgl. Werner Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 12 ff.

87 Landtagssitzung vom 5. November 1925, zitiert aus den Liechtensteiner Nachrichten Nr. 88 vom 7. November 1925.

88 StGH 1982/65/V, Urteil vom 15. September 1983, LES 1/1984, S. 3.

§ 2 Die Verfassungsgerichtsbarkeit im geschichtlichen Zusammenhang und in ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung