• Keine Ergebnisse gefunden

4.2 Ute Kilian und Renate Marschall – Unternehmensberatung

4.2.2 Konkrete Aspekte der Kooperation

4.2.2.5 Umgang mit persönlich bedeutsamen Problemen

Die Partnerschaft von Frau Kilian und Frau Marschall spielt nicht nur bei der Lösung fachli-cher Aufgaben, sondern auch bei der Bewältigung persönlich bedeutsamer Schwierigkeiten eine große Rolle. Durch ihre Fähigkeit zur gegenseitigen Motivation und Ermutigung können die beiden Frauen Krisen abfedern. Bei Tiefpunkten der einen kann die andere die Rolle der Optimistin einnehmen, die ihr eine positive Perspektive entgegensetzt.

„Und es gibt auch Tiefpunkte. Schlecht ist es, wenn wir beide einen Tiefpunkt haben, weil es ist eigentlich immer so, dass /ähm/ wir das bisher eigentlich immer ganz gut hingekriegt haben, okay wenn eine mal down ist oder so, dann ist es die andere nicht und dann /ähm/ zieht die, die andere mit. Und das geht auch. Oder lässt [betont] ziehen“ (Kilian, Z. 437-442).

Die eine „zieht“, während sich die andere „ziehen lässt“. Diese Rollenverteilung steht aller-dings nicht fest, sondern je nach Situation nimmt jede der beiden Frauen mal die Rolle der optimistischen treibenden Kraft, mal die Rolle der Deprimierten ein. Anstatt durch Einstim-migkeit in einen negativen Zirkel zu verfallen, wird die Handlungsfähigkeit der Partnerschaft bzw. des Unternehmens gewahrt. Der gemeinsamen Bewältigung von Tiefpunkten steht auf der anderen Seite das Teilen von Freude und der Spaß an der Arbeit gegenüber.

Die gemeinsame Problembewältigung spielt gerade in den Situationen, in denen Zweifel an der Richtigkeit des Schrittes in die Selbständigkeit belastend werden, eine große Rolle - ein Phänomen, das beide Frauen immer wieder erleben:

„Es gibt auch immer mal wieder diese, diesen Punkt wo man, wo man sich fragt, ‚muss ich das machen, will ich das weiter machen?’ /Äh/ ich würde in der freien Wirtschaft halt, wenn ich jetzt irgendwie im Angestelltenverhältnis arbei-ten würde, mehr Geld verdienen, als ich jetzt verdiene. /Mm/ die, diese Fragen stellen sich dann auch immer wieder (.) regelmäßig“ (Kilian, Z. 421-436).

„Es ist immer mal so für mich normal in der Selbständigkeit, dass ich an Punkte komme, wo ich sage, ‚mein Gott, was soll das ganze?’ und hättste [betont] nicht und wärste [betont] nicht und dann so schön irgendwo beschäftigt, würdest abends nach Hause gehen und /äh/ die Sache vergessen, aber da, wie gesagt, da ist eigentlich die Partnerschaft mir ne Stütze. Und das sehen wir, wir haben ja sehr viel Kontakt mit anderen Beratungs- /äh/ /äh/ Unternehmen, mit anderen Leuten, die in der Beratung sind, und alle, die allein arbeiten, haben eben das Problem, dass sie sich wirklich selber immer wieder aus diesem Teufelskreis rausholen müssen und wir setzen uns mal zusammen, heulen uns aus, jetzt mal bildlich gesagt, und wie, wie beschissen [betont] das alles ist und dann ist es auch wieder gut, ne?“ (Marschall, Z. 219-231).

Frau Marschalls Charakterisierung der Situation als „Teufelskreis“ lässt vermuten, dass sie diese alleine als belastend und ausweglos erleben kann. Die Tatsache aber, dass es eine Vertrauensperson gibt, die sich in der gleichen Situation befindet und ihr daher Verständnis entgegenbringt, wirkt emotional stützend. Diesen Vorteil der Partnerschaft erkennt und würdigt sie. So sieht sie auch in der Fähigkeit, sich gegenseitig zu „stützen“ einen Erfolgs-faktor der Partnerschaft (vgl. Marschall, Z. 782-784). Gleiches trifft auf Frau Kilian zu, die die Fähigkeit, sich gegenseitig aus „Löchern herauszuholen“, als eine ganz wesentliche Kompo-nente des partnerschaftlichen Zusammenhalts betrachtet (vgl. Kilian, Z. 1553-1557).

Zudem können aus einer zu engen Beziehung und mangelnder Abgrenzung zum Kunden persönlich bedeutsame Schwierigkeiten hervorgehen. Zwar lacht Frau Marschall diesbezüg-lich über sich selbst, doch im Grunde empfindet sie es als frustrierend, dass sie, wie ihre Partnerin, dazu neigt, sich zu sehr mit ihren Kunden zu identifizieren und deren Misserfolge zu stark mitzufühlen.

„Wir sind beide [betont] schon so, so Typen, das, das macht auch manchmal den Frust hier beim Arbeiten /äh/, die, die Probleme jetzt der Kunden sich sehr zu eigen machen können. Also wenn’s denen schlecht geht, dann geht’s uns auch schlecht, und /äh/ da (.) kommt sie manchmal noch tiefer rein. Ich bin zwar auch so auf, auf, auf der Linie, aber komm schon eher mal wieder, dass ich mich schüttele und sag, ‚komm, das ist deren Problem /äh/ du sollst denen hel-fen [betont], aber du sollst nicht da mit denen untergehen gemeinsam.’

((Lachen)) [[I: ((Lachen))]] Und /äh/ (.) aber (.) ja da, da unterstützen wir uns dann halt auch, indem man das auch immer wieder relativiert, ne? Wenn, wenn, man merkt es wirklich, da sind wir beide, wir sind schlecht drauf, wenn wir nur Mandanten haben /äh/, die, die ja, kurz vorm, vorm Insolvenzverfahren sind, oder sonst was, ne, und da müssen wir uns also auch gegenseitig dann mal wieder die Grenzen zeigen, weil das, unser [betont] Unternehmen läuft doch noch [lachend]“ (Marschall, Z. 662-680).

„Gerade in unserem Bereich, wo eben halt auch ein enges Verhältnis mit den Mandanten, ja im Prinzip eingegangen wird und /äh/ wenn man dann Rück-schläge bekommt und alleine ist, also das ist was /äh/ /äh/, was wir beide uns ersparen wollen. (.) Weil dann fällt man ja tatsächlich in das Loch und wird nicht mehr zurechtgerückt von der Partnerin, weil das ist wirklich ein ganz wichtiger Punkt auch bei den ganzen Durchhängern, die einfach mal kommen /äh/ dass man dann jemanden hat, der sagt ‚Mensch komm, es läuft doch alles gut!’ und, und das alles wieder in Relation zu setzen“ (Marschall, 742-750).

Die Partnerin wirkt in diesen Fällen entlastend, weil sie die Grenzen der Identifikation aufzei-gen kann, dem Negativen Positives und der emotionalen Ergriffenheit rationale Argumente entgegensetzt. Die Konfrontation mit der Gegenperspektive ermöglicht das Wiederfinden der professionellen Distanz und bewahrt so vor persönlichen Krisen – eine Rolle, die wechselt, je nachdem, wer sich in der kritischen Situation befindet.

Eine weitere problematische Situation kann sich schließlich aus der Konfrontation mit Unzu-friedenheiten bzw. mit Kritik von Kunden ergeben. Beide Frauen neigen dazu, diese Kritik sehr persönlich zu nehmen, Fehler einseitig auf sich selbst zu beziehen und entsprechend empfindlich zu reagieren.

„Das ist zwar normal. Das sagt die eine der anderen dann auch immer wieder und es kann gar nicht sein, dass wir alle hundert Prozent zufrieden stellen, aber das ist, das [betont] ist wirklich ne Sache, die sehr an die Substanz geht, und wo wir immer das Problem haben, dass wir das /äh/ sehr viel, sehr viel zu per-sönlich nehmen. Ich mein, es wird /äh/ kürzer, das ist ein kurzer Schlag mittler-weile, dann spricht man drüber und /äh/ es geht viel schne- /äh/ /äh/ viel schneller vorbei. Am Anfang hat uns das Wochen [betont] zurückgeworfen. (.) Und jetzt eben durch den Austausch und auch wirklich einfach mal, dass die andere, ‚Mensch überleg doch mal, das Projekt, das Projekt, das Projekt, ist doch alles super gelaufen und das eine [betont] läuft jetzt nicht gut, gut ((klopft auf den Tisch)), aber es liegt ja auch nicht nur an dir!’ Weil das ist ja tatsächlich halt wirklich immer der Fall“ (Marschall, Z. 686-699).

Frau Marschall reflektiert ihre Reaktion als durchaus problematisch, auch wenn sie inzwi-schen gelernt hat, Kundenkritik schneller zu verarbeiten. Sie ist professioneller geworden und kann trotz der Kritik ihre Arbeit fortsetzen. Wiederum sieht sie die Partnerin als ausglei-chenden Gegenpol zur eigenen Perspektive, indem diese positive und rationale Aspekte aufzeigt. Frau Kilian weist allerdings darauf hin, dass gerade bei persönlich besonders nahe gehenden Problemen, wie z.B. Kundenkritik, von beiden nicht immer unmittelbar der Weg zur Partnerin gesucht wird, sondern auch eine Phase der persönlichen Verarbeitung voraus-gehen kann. „Ich weiß dann auch irgendwann kommt [betont] sie. Wenn sie irgendwann bei mir in der Tür steht, okay jetzt ist es soweit, jetzt will sie mit mir reden“ (Kilian, Z. 1030-1032). In Frau Kilians Darstellung wird jedoch deutlich, dass sie diese Rolle der „Abwarten-den“ nur schwer und mit viel Selbstdisziplin ausfüllen kann. Sie hat lernen müssen, den Rückzug ihrer Partnerin richtig zu interpretieren und zu akzeptieren.

„Es war vielleicht am Anfang in unserer Zusammenarbeit, war einfach nicht klar, was ist das jetzt, warum ist die jetzt, warum is sie jetzt so? Ist jetzt, hab ich was falsch gemacht /äh/ war irgendwas blöd oder zwischen uns? Das war am Anfang nicht ganz klar, ob das jetzt was zwischen uns ist. Es war [betont] nie was zwischen uns, aber das mussten wir beide, glaube ich, auch erst mal lernen, dass das wirklich so ist, dass wir, wenn es zwischen uns ist, dass es auch ausgesprochen wird. Und wenn, wenn die eine so ist, dann ist was mit der Arbeitssituation, aber das ist, hat was Allgemeines oder mit irgendwas, was bei ihr nicht so läuft oder wie auch immer und das ist das, was ich meine. Das mussten wir lernen auch auszuhalten, die andere dann zu l-, einfach zu lassen und dort zu respektieren“ (Kilian, Z. 1046-1058).

Wie im obigen Zitat deutlich wird, musste nicht nur das angemessene Interpretieren und Aushalten der Situation gelernt werden, sondern auch das entgegenkommende Kommunizieren teaminterner Probleme, die inzwischen unmittelbar angesprochen werden.

Das erleichtert der Außenstehenden die Interpretation der Situation und nimmt ihr die Span-nung. Eine offene Ansprache teaminterner Probleme und Bedürfnisse ist angesichts der starken Emotionalität beider Frauen im Umgang mit Problemen sehr wichtig, um Eskalatio-nen zu vermeiden. Sie stellt heute eine bewusste Spielregel der Zusammenarbeit dar.

„Spielregeln in der täglichen Arbeit, das ist zum einen Kommunizieren mitein-ander, wir versuchen /ähm/ klar [betont] miteinander zu kommunizieren, wir versuchen /ähm/ nicht [betont] irgendwie /ähm/ irgendwie so, so, so komische Gefühle aufkommen zu lassen. Also so, ne, so nach dem Motto, was war das jetzt und ich schluck das jetzt runter und das brodelt in mir hoch, das gibt‘s nicht. /Ähm/ überhaupt nicht, kann ich nicht sagen, nö“ (Kilian, Z. 824-831).

Die Tatsache, dass sie mit ihrer Partnerin schon seit längerem befreundet ist und bereits im Studium mit ihr Kooperationserfahrungen sammeln konnte, erleichtert nach Frau Kilians Einschätzung diese zwischenmenschliche Offenheit (vgl. Kilian, Z. 931-936).

Beiden Partnerinnen schätzen also die gemeinsame Bewältigung von emotionalen genauso wie fachlichen Schwierigkeiten als wichtig und wertvoll ein. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass beide aus vorherigen Arbeitszusammenhängen die Situation kennen, sich selbst überlassen zu sein, womit sie allerdings schlechte Erfahrungen gesammelt haben. „Ja, es ist einfach eben /äh/ dieses /äh/ /pff/ Einzelkämpfen, das unheimlich viel Kraft raubt und das haben wir beide im Prinzip durch unterschiedliche Tätigkeiten vorher gemerkt und /äh/ auch als für uns schädlich [betont] angesehen. Es ist wichtig [betont], eben mal ne Zeit lang alleine arbeiten zu können, aber eben nicht ständig“ (Marschall, Z. 737-741).