• Keine Ergebnisse gefunden

4.5 Karin Hesse und Anne Ludwig – Berufliche Weiterbildung

4.5.2 Konkrete Aspekte der Kooperation

4.5.2.2 Organisation der Zusammenarbeit

beide, dass die Verantwortung und das damit verbundene Risiko letztlich selbst auferlegt sind und zu zweit getragen werden.

Gemeinsam entschieden wird über das Grundsätzliche, während die inhaltliche Ausführung im Detail jeder der beiden Frauen selbst überlassen bleibt. Die Arbeitsergebnisse allerdings werden, bevor sie das Unternehmen verlassen, der Partnerin noch einmal zur Bestätigung vorgelegt. Keine von beiden sieht die Entscheidungsfindung in der Partnerschaft als proble-matisch an (vgl. Ludwig, Z. 1446-1454; Hesse, Z. 348-351). Im Gegenteil, das gemeinsame Entscheiden ist entlastend:

„Aber /ähm/ da kann ich auch besser schlafen, wenn sie es noch mal abgenickt hat. Also wenn es nicht nur meine Entscheidung war, weil es ist auch, es gehört auch uns beiden. Und das /ähm/ wenn dann was in die Hose geht, müssen auch beide gesagt haben, das wollten wir jetzt oder das wollten wir nicht. Nur die Details, die besprechen wir dann nicht mehr“ (Ludwig, Z. 734-739).

„Das so alles ganz alleine zu tragen, ist sicherlich viel, viel schwieriger. (2) Als wenn man weiß, okay, also wenn es ganz schief geht, hängen wir beide mit drin, dann müssen wir irgendwie gucken, wie wir da wieder raus kommen (.) ((Lachen)) Das geht dann zu zweit immer besser als alleine. (.) Auf jeden Fall“

(Hesse, Z. 1076-1081).

Nach Frau Ludwigs Wahrnehmung haben sich also im Zeitverlauf neue Organisationsformen und Führungsrollen herausgebildet. Die Arbeitsfelder der Gründerinnen haben sich durch den Veränderungsprozess auf Managementtätigkeiten verschoben, der Umgang mit den Mitarbeiterinnen hat sich gewandelt bis hin zu Hierarchien, Autoritäten und klarer Abgren-zung von Führung und Mitarbeiterinnen. Die Entwicklung war für sie von einem Gewinn an Professionalität und einem Hineinwachsen in die Führungsrolle gekennzeichnet. Die Regeln sind dabei „gewachsen [betont] in irgendeiner Art und nicht irgendwie gemacht oder abgele-sen“ (Ludwig, Z. 871/872). Daher sind Frau Ludwig viele Spielregeln der Zusammenarbeit heute gar nicht bewusst (vgl. Ludwig, Z. 844/845, Z. 863/864). Obwohl der Entwicklungspro-zess für sie abgeschlossen scheint, deuten interne Kommunikationsprobleme oder ihre Identifikationsschwierigkeiten mit der Philosophie darauf hin, dass noch weiter Anpassungs-prozesse ausstehen.

Die wesentlichen Managementaufgaben haben sich die beiden Frauen inzwischen unterein-ander aufgeteilt: Frau Hesse kümmert sich um die Finanzen des Betriebes, während Frau Ludwig schwerpunktmäßig die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Diese Aufteilung beruht auf den Neigungen und Persönlichkeiten der beiden Frauen.

„Ich denk, das ist einfach auch in der Natur der Person begründet. /Ähm/ (2) ich bin halt jemand, der immer wissen muss, wie viel Geld ist wo? Was ist an Außenständen? Wie viel müssen wir noch bezahlen? Wie lange können wir noch existieren? Muss jetzt dringend was passieren? Muss ich die Notbremse ziehen? Ich muss immer so quasi die Kontrolle haben. Dann kann ich auch ein-kaufen gehen oder kann sagen, okay, wir machen ((Lachen)) Das ist was /äh/, ja, was ich einfach im Blick habe und im Blick haben muss, sonst würde ich mich ganz unwohl fühlen. Und /äh/ Frau Ludwig ist /ähm/ in dieser Richtung so, sie verlässt sich einfach drauf, fragt mich, wie sieht es aus, kann ich noch irgendwas kaufen? Und wenn ich dann sage ja, dann ist es okay. Also sie in-teressieren die Details da eigentlich gar nicht. Und /ähm/ mein Ding ist es nicht so sehr auf irgendwelchen Podiumsdiskussionen oder in irgendwelchen Gre-mien Kurse vorzustellen. Das ist eben was, was sie gut [betont] und gerne und wunderbar [betont] macht und das find ich ganz klasse, dass sie diesen Part übernimmt. So hat sich das einfach ergeben und sie hat das durch ihr Studium ja /äh/ wohl auch mehr, mehr mitbekommen, wie wichtig [betont] auch gerade Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ist. Von daher also die Schwerpunkte“

(Hesse, Z. 295-314).

„Also, das ist was, das mach ich eben gerne /ähm/, geh auch gerne in die Fir-men und überzeuge die Männer, /äh/ dass wir so toll sind und hab, kann auch wunderbar mein rotes Kleid dabei anziehen und meine Kollegin sagt immer ‚oh, hör uff, ich im roten Kleid, also oh, bloß nicht, geh du da hin.’ Also das macht sie halt nicht gerne. /Ähm/ und auch so Pressemitteilungen schreiben und diese ganzen Sachen, das ist wahrscheinlich einfach was /mhm/ was [betont] man gerne macht. Ich find das ist auch okay. Das, was man gerne macht, macht man wahrscheinlich auch besser als Sachen, die man nicht gerne macht und ich krieg die Krise, bei allem, was mit Geld zu tun hat. Also wenn wir Anträge schreiben ans Ministerium oder an irgendwelche anderen EU-Sachen, dann schreib ich gerne das Konzept und sie kalkuliert es durch“ (Ludwig, Z. 673-685).

Die Partnerinnen sind mit ihrer Aufgabenverteilung sehr zufrieden und zollen dem jeweiligen Beitrag der anderen Anerkennung. Gleichzeitig akzeptieren sie deren Schwächen bzw.

Abneigungen - genauso wie ihre eigenen. Für Frau Ludwig garantiert die neigungsorientierte Arbeitsteilung eine hohe Motivation und Leistungsfähigkeit, sodass sie letztendlich nicht nur für die einzelnen Personen, sondern auch für das Unternehmen von Vorteil ist. Auch Frau Hesse sieht ihre Aufgabenverteilung als positiv für das Unternehmen an: „Das, das sind so Dinge, die beide wichtig sind und die aber selten [betont] oder ich glaub nicht so [betont] oft in einer Person vereint sind, sondern da ist es schon ganz gut, wenn sich das ergänzt“

(Hesse, Z. 110-1102). Am Anfang hatte Frau Hesse hingegen moralische Bedenken bezüg-lich einer offensiven Öffentbezüg-lichkeitsarbeit. Sie hat erst von ihrer Partnerin, die als Wirt-schaftswissenschaftlerin eine andere Haltung entwickelt hatte, lernen müssen, dass dieses Arbeitsfeld überhaupt wichtig ist. So ist sie in ihre Aufgabe als Unternehmerin hineingewach-sen.

„Na ja, wie gesagt, die eine hat die Zahlen im Kopf und die anderen hat /äh/, /ähm/ die Möglichkeiten, was /äh/ aufzublasen und wunderbar darzustellen, wo ich immer so meine Schwierigkeiten mit hätte. ((Lachen)) Also so 'n bisschen so die Öffentlichkeitsarbeit und die, die Dinge so nach außen zu tragen. Und das, denk ich, sind zwei Dinge, die wichtig sind. Also ich weiß auch, dass Werbung wichtig ist und dass man da immer mal groß tun [betont] muss, wo ich am Anfang gesagt hab, das kannst du doch nicht schreiben [betont] oder so irgendwas, das kannst du doch nicht machen [betont]. Na klar, ne“ (Hesse, Z.

942-947).

„Ich denke, das war anfangs auch so, dass, also dass ich natürlich auch /äh/

von ihren /äh/ Kenntnissen und Erfahrungen gelernt hab, die sie durch das Stu-dium von der Uni hat, wo es gerade um diese ganzen Dinge geht mit /ähm/

Marketing, PR und sonst was. Dass ich das einfach auch jetzt schon mit verin-nerlicht habe, wodrauf man da zu achten hat, (.) dass es besser läuft“ (Hesse, Z. 1091-1099).

Trotz der fachlichen Schwerpunktbildung teilen sich die beiden Frauen bis heute ein Büro.

Auf diese Weise behalten sie besser den Überblick darüber, was die andere gerade tut, denn „beide [betont] wollen immer über alles informiert sein“ (Hesse, Z. 555/556). Die räum-liche Nähe ermöglicht eine unkomplizierte gegenseitige Kontrolle der Arbeitsschritte und -ergebnisse, was nach Frau Ludwig einer Fehlervermeidung dient und die gemeinsame Ver-antwortungsübernahme erleichtert (vgl. Ludwig, Z. 709-717). Der kommunikative Austausch ist beiden wichtig und gehört zu den wesentlichen Spielregeln der Zusammenarbeit (vgl.

Hesse, Z. 565/566; Ludwig, Z. 849/850). Dennoch funktioniert die interne Kommunikation nach Einschätzung beider Unternehmerinnen nicht zufrieden stellend:

„Ist manchmal ein Problem, weil ich nicht mehr weiß, was war da jetzt? Und ich überhaupt bei ganz vielen Sachen gar nicht mehr weiß, was ist da jetzt gelau-fen. Also so für unseren Kommunikationsfluss müssten wir noch mal 'ne ganze Menge tun, müssen wir wahrscheinlich noch mal 'n Berater ins Haus kommen lassen. Was ganz schlimm wird, wenn man vier Standorte hat, dass ich dann über bestimmte Sachen überhaupt nicht mehr informiert bin. Ich denk mal, solange wie sie laufen, ist es gut, muss ich nicht alles wissen, aber manchmal müsste ich es auch wissen. /Äh/ aber klappt nicht, klappt nicht mehr immer. (...) /Äh/ also wenn Sie einfach länger arbeitet und ich krieg es jetzt nicht unmittel-bar am Telefon mit, bin ich nicht informiert und /äh/ wenn ich es dann mitkriege, sag ich immer, oh, du, da haben wir ein kleines Kommunikationsproblem, könntest [betont] du es mir mal erzählen, und sie gut, ja, klar, pass auf, so und so ist das. /Äh/ aber dann ist es manchmal einfach so viel, dass ich, ich es ihr jetzt erzählen müsste, in dem Moment klingelt aber das Telefon, oder sie mir und dann, und es ist schon wieder was anderes, und dann ist es weg und ich hab es nicht gesagt, obwohl ich morgen nicht da bin und sie müsste es eigent-lich wissen. /Äh/ passiert schon“ (Ludwig, Z. 597-624).

Zudem bemerken beide Frauen selbstkritisch, dass auch die Informationsflüsse zwischen ihnen und ihren Mitarbeiterinnen nicht zufrieden stellend sind, was Schwierigkeiten bei der alltäglichen Arbeit hervorrufen kann. Sie versuchen das Problem durch regelmäßige interne Besprechungen in den Griff zu bekommen, doch werden diese Termine von den Unterneh-merinnen nicht zuverlässig eingehalten. In ihrer Wahrnehmung hat das Problem noch nicht die nötige Brisanz erreicht.

„Es gibt /ähm/ regelmäßig montags Besprechung. Ha, so ganz regelmäßig machen wir sie auch nicht, aber eigentlich sollte sie immer regelmäßig mon-tags, als Teamsitzung, heißt es, wo die Festangestellten, das Verwaltungsper-sonal montags von zehn bis (.) sich zusammensetzt. Wenn ich jetzt auf die Uhr gucke, wahrscheinlich reden wir noch länger, dann, dann gibt es halt so Sachen, ne, ich bin um zehn nicht drüben, dann verschieben wir es, dann haben wir aber um elf schon wieder eigentlich einen anderen Termin und dann fällt es auch manchmal einfach aus. /Ähm/ also wir haben das Problem ja erkannt und deshalb gibt es die Teamsitzungen“ (Ludwig, Z. 630-645).

„Also wir wissen auch, dass das das Problem ist, hier bei uns mit der Organisa-tion, /ähm/ dass wir eben sagen, also auch von drüben, die da drüben arbeiten im Büro, hier im Büro und /ähm/, dass wir uns einmal in der Woche hier treffen, um zu gucken, was ist los? Was liegt an? Was muss gemacht werden? Das machen wir in der Regel, also spätestens dann, wenn konkret was anliegt. /Äh/

oftmals geht es aber doch so 'n bisschen unter. Also das sollte noch fester, wirklich als fester, fixer Termin auch montags vormittags sein. Das /ähm/ ist so 'n bisschen unser Schwachpunkt. Also da schwächeln wir etwas, weil, wir kommen rein und da haben wir immer gleich, immer irgendwas zu tun, womit man loslegt und dann bleiben so 'n paar Informationen ab und zu auf der Stre-cke. Wo wir uns wundern, ja Mensch [betont], warum weiß [betont] das keiner?

/Ähm/ da [betont] dann immer 'ne gute und richtige Form zu finden, ist nicht so einfach“ (Hesse, Z. 606-620).