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4.4 Harald Senger und Gerd Saale – Soziales Management

4.4.3 Beziehung zwischen den Partnern

Zu Beginn der gemeinsamen Selbständigkeit kannten sich die beiden Gründer zwar schon seit längerer Zeit, doch nur oberflächlich. Obwohl der ähnliche fachliche Hintergrund und die von Anfang an verbindende Einstellung zur sozialen Arbeit eine gute Grundlage für eine verständnisvolle Zusammenarbeit bildeten, musste sich das heute gute Verständnis zwi-schen den beiden Partnern erst allmählich entwickeln. Erst in einem längeren, konfliktrei-chen Prozess des „Austestens“ haben sie die Grenzen des anderen kennen gelernt und eine enge Beziehung zueinander aufgebaut (vgl. Senger, Z. 177-179, Z. 319-324; Saale, Z. 139-141). Nach Herrn Sengers Schilderungen mussten die Männer ihre anfänglichen Erwartun-gen an den Partner korrigieren und haben so ein realistisches Bild vom anderen entwickelt.

Beide „investierten“ anfangs viel in die partnerschaftliche Beziehung – eine Investition, die nach Herrn Saales Einschätzung von Anfang an den Glauben an die gemeinsame Zukunft voraussetzte (vgl. Saale, Z. 141-143). Die Tatsache, dass er kein zweites Mal so viel in den Aufbau einer Partnerbeziehung investieren möchte, zeugt zwar einerseits von seiner Zufrie-denheit mit der gegenwärtigen Situation, deutet aber auch auf die Mühen des damaligen Beziehungsaufbaus hin (vgl. Saale, Z. 1300-1303).

Inzwischen sehen die beiden Sozialpädagogen ihr zwischenmenschliches Verhältnis als ganz besonders an. Herr Senger spricht sogar von einer Symbiose, in der er stark vom anderen abhängig ist: „Ich hätte meine Probleme damit, alleine zu sein, ohne ihn [betont]. Es hat schon eine gewisse Symbiose“ (Senger, Z. 846-848). Auch Herr Saale spricht von einer besonderen „Verbindung“, die sich in einer Sensibilität für die Befindlichkeiten des anderen und einem verantwortungsvollen Umgang ausdrückt, allerdings gegenüber den angestellten Mitarbeiterinnen so nicht besteht (vgl. Saale, Z 550-565). Sie ist für ihn inzwischen eine tra-gende Säule der unternehmerischen Partnerschaft geworden (vgl. Saale, Z. 56-59). In ver-schiedenen Zusammenhängen betont Herr Saale die Bedeutung des „Gespürs“ für die Bedürfnisse und Grenzen des anderen, was eine verständnisvolle Zusammenarbeit auch

ohne die explizite Kommunikation der eigenen Bedürfnisse ermöglicht (vgl. Saale. Z. 854-861, Z. 996-1004).

Auch das Vertrauen, welches heute innerhalb der Partnerbeziehung besteht, hat sich erst im Verlauf mehrerer Jahre entwickelt. Anfänglich konnte nämlich keiner der beiden in die Kom-petenzen und die Zuverlässigkeit des anderen vertrauen. „Es gibt immer dieses Vertrauen so, arbeitet der gut? Vertritt der uns gut? (...) wie ist man in der Öffentlichkeit? Wie geht der andere mit unserem gemeinsamen Geld um? Nimmt er sich zu viel oder nimmt er sich zu wenig raus?“ (Senger, Z. 794-798). Die anfängliche Zusammenarbeit war durchaus mit Kon-flikten verbunden, die aber gelöst wurden und zur Erweiterung der Vertrauensbasis beige-tragen haben: „Wir haben auch lange Zeit gebraucht, um Vertrauen zueinander zu entwi-ckeln und auch zu, wir haben lange Zeit in einem Büro gesessen, bis wir, das war auch eine Entwicklung, wir haben es aber immer wieder geschafft, auch Konflikte die da waren, die dann auch zu regeln“ (Senger, Z. 175-179). Letzten Endes haben jedoch positive Erfahrun-gen aus der sehr enErfahrun-gen Zusammenarbeit das Vertrauen beider in die Kompetenzen, die Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit des anderen gestärkt. Dabei wurde die Vertrauensfrage innerhalb der Beziehung auch immer wieder offen thematisiert und reflektiert (vgl. Saale, Z:

537-565).

„Wir haben ganz viel zusammen gemacht am Anfang /äh/ alles gemeinsam besprochen, wer denn nun was macht und so, weil wir uns kennen lernen mussten und es gab halt /äh/, wir haben unsere Tische gegenüber gehabt, die hatten wir in einem Raum. /Äh/ wir haben mitgehört, was der andere am Tele-fon erzählt und den anderen, was weiß ich, so, das war irgendwie ganz wichtig.

/Ähm/ (.) da ist dann irgendwo ein Vertrauen gewachsen (Saale, Z. 44-51).

„Bei der täglichen Arbeit stelle ich das Vertrauen gar nicht in Frage, es ist da.

Wir arbeiten und es gibt gar, es gibt kein Misstrauen. Ich stell mir die Frage gar nicht im Alltag, weil es für uns ausgelebt ist“ (Senger, Z. 823-826).

Heute besteht also ein großes Vertrauen zwischen den beiden Partnern. Für Herrn Senger ist Vertrauen die Basis der Partnerbeziehung schlechthin und somit ein wichtiger Faktor des partnerschaftlichen Zusammenhalts (vgl. Senger, Z. 527/528, Z. 832-834). Als Ersatz for-maler Regeln sieht Herr Saale im Vertrauen einen Garant für Handlungsfreiheit und Selbst-bestimmung innerhalb der Partnerschaft (vgl. Saale, Z. 1189-1201). Viele Regeln der Koope-ration, wie Offenheit und Ehrlichkeit im zwischenmenschlichen Umgang, das Aushandeln von Zielen und Entscheidungen, das gemeinsame Lösen von Problemen oder das eigen-ständige Verantworten von einzelnen Arbeitsbereichen wären ohne diese Vertrauensbasis nicht denkbar.

Das partnerschaftliche Vertrauen geht mit einer Akzeptanz und Wertschätzung des anderen einher. Auf dieser Grundlage herrscht Gleichberechtigung innerhalb der Partnerschaft, in der die Dominanz eines einzelnen nicht toleriert wird. Trotzdem besteht aber Toleranz gegen-über der Individualität des einzelnen. Herr Saale würdigt es sehr, dass sein Partner „Anders-Denken“ und „Anders-Sein“ innerhalb der Partnerschaft toleriert (vgl. Saale, Z. 501-509). Er erlebt sich diesbezüglich in einem Spannungsfeld von Autonomie und Verbundenheit, das für ihn nicht rational greifbar ist (vgl. Saale, Z. 1021-1026).

Trotz der heute harmonischen Basis erlebt die Beziehung nach Herrn Saales Wahrnehmung allerdings immer wieder Höhen und Tiefen. So befürchtet er auch angesichts des gegenwär-tigen Unternehmenswachstums eine Distanzierung von seinem Partner, weswegen er die Notwendigkeit sieht, wieder verstärkt in die Beziehungsebene zu investieren (vgl. Saale, Z.

158-165). Bis heute hat er sich seine Sensibilität dafür bewahrt, dass die besondere Bezie-hung zu seinem Partner auch wieder zerbrechen kann, wenn man nicht auf die Bedürfnisse, Wünsche und Entscheidungen des einzelnen Rücksicht nimmt – eine Rücksichtnahme, die ihm heute durch das hohe Maß an Vertrautheit erleichtert wird (vgl. Saale, Z. 849-861).

Die charakterisierte enge Beziehung zwischen den beiden Männern besteht überwiegend auf der beruflichen Ebene. Zwar gab es anfangs noch mehr Nähe und Vertrauen auf privater Ebene, was aber inzwischen wieder an Bedeutung verloren hat. Herr Saale begründet dies mit einer Veränderung der persönlichen Problem- und Lebenslagen. Heute unterscheiden sich die persönlichen Lebenssituationen beider und eine Beruhigung des Privatlebens hat wiederum eine private Distanzierung bewirkt (vgl. Saale, Z. 1150-1160; Senger, Z. 291/292).

Man ist zwar über die Lebenszusammenhänge des anderen informiert, aber nicht mehr involviert. Angesichts der Enge der beruflichen Bindung können beide diese Entwicklung positiv bewerten.

„Und das ist auch gut so, weil /äh/, weil das, was hier passiert, ist schon 'ne ganze Menge. Und das noch so, das andere noch mit reinzunehmen, hätte ich noch mal das Gefühl, würde es auch überlasten. (...) Ja, also es ist gut auch mal /äh/ /äh/ nicht nur Job zu haben oder so, ja. Und das wäre sozusagen, den Job ins Private reinzuholen. Weil, wenn wir am Tisch sitzen reden wir natürlich über den Job, meistens, so. Das ist schon okay so. Das ist ganz gesund, wie wir es gerade haben“ (Saale, Z. 1164-1179).

„Wir machen was in unserer Arbeit zusammen, aber unseren privaten Bereich, zum Feiern treffen wir uns, aber jeder hat seinen eigenen Freundeskreis, weil das dann zu dicht geh-, zu dicht geworden wäre und das ist auch ganz gut so.

[[I: /mhm/]] Das reicht, das reicht, mein ich nicht im negativen Sinn, sondern es reicht [betont] halt einfach, wenn wir uns in unserer Arbeit sehen und zu gewis-sen Familienfeiern treffen, sonst ist es halt einfach zu viel, wenn, uns sehen wir nur bei der Arbeit und das passiert uns auch, wenn so Feiern sind, wir haben morgens gearbeitet, abends sind wir auf der Feier, sind wir wieder in der Arbeit drin, das heißt, wir müssen privat und Beruf, wir beide voneinander trennen.

Das hat sich so entwickelt, ist aber auch okay so“ (Senger, Z. 295-310).