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4.1 Joachim Lorenz und Matthias Messner - Datenbankentwicklung

4.1.1 Geschichte der gemeinsamen Selbständigkeit

„Wir ham uns irgendwie gesehen und wussten, dass wir uns gut verstehen. Kann ich jetzt gar nicht so beschreiben irgendwie“ (Messner, Z. 1463-1465). Herr Messner und Herr Lorenz haben sich 1990 während ihres Zivildienstes in der selben Einrichtung kennen gelernt – eine Zeit, die Herr Messner sehr positiv in Erinnerung geblieben ist (vgl. Messner, Z. 1307-1310). Obwohl sie während der darauf folgenden Jahre an verschiedenen Orten studierten, blieb zwischen den Männern ein enger Kontakt bestehen, sodass sie sich heute gegenseitig als die besten Freunde bezeichnen.

Herr Lorenz bereitete sich im Studium auf das Lehramt in den Fächern Englisch und Sport vor, erhielt nach dem ersten Staatsexamen allerdings keinen Referendariatsplatz. So betrieb er als freier Mitarbeiter eines Schulbuchverlages Promotion für Lernsoftware und bot ent-sprechende Fortbildungen für Lehrkräfte an. Diese Tätigkeit war mit häufigem Reisen ver-bunden und bescherte ihm kein regelmäßiges Einkommen. Herr Messner war nach Abschluss seines Studiums der Elektrotechnik zwei Jahre lang in einer Behörde angestellt, wo er jedoch „absolut eingegangen“ ist. „Die zwischenmenschlichen Verhältnisse, das war

16 Die Analysen stützen sich im wesentlichen auf zehn qualitative Interviews, die im Zeitraum von Mai bis Dezember 2001 erhoben wurden. Alle erwähnten Namen und Orte sind frei erfunden.

eine Katastrophe“ (Messner, Z. 1209-1213). Aufgrund seiner Unzufriedenheit mit dem Arbeitsklima entschied er sich dann für den Wechsel an ein Hochschulinstitut, in dem er bereits zuvor als studentische Hilfskraft tätig war. Durch diese Beschäftigung konnte er sein Wissen und seine Erfahrungen im Bereich der Datenbankentwicklung weiter ausbauen. Als Spezialist entwickelte er daher auch für andere Einrichtungen im Rahmen von Werkverträ-gen Datenbanken, „weil ich da ganz enormes Wissen hab. Also ich hab zehn Jahre auf dem Gebiet gearbeitet und hab, kann ne Palette abdecken von Datenbanken und von, von Tools, die kann man, da gibt’s kaum Leute, die das können. Ich hab relativ früh [betont] mit dem Datenbank-Kram angefangen und aufgrund dessen gibt’s wenig Leute, die das noch können“ (Messner, Z. 59-64).

Die beruflichen Tätigkeiten der beiden Männer waren regelmäßig Thema ihrer gemeinsamen Gespräche. „Wir saßen, glaub ich, irgendwann mal bei mir und dann hab ich gesagt, ‚ach komm, Jo, ich zeig dir das mal!’“ (Messner, Z. 102-104). Auf diese Weise begann schließlich auch Herr Lorenz ein Interesse für Datenbanken zu entwickeln und arbeitete sich unter Anleitung seines Freundes in das Feld ein. In der Folgezeit erledigte er dann im Rahmen kleinerer Projekte, die Herr Messer „an Land gezogen“ hatte, Zuarbeiten für seinen Freund (vgl. Lorenz, Z. 149-164). Schon bezogen auf diese Zeit spricht Herr Lorenz von einer gemeinsamen Selbständigkeit, obwohl noch kein Unternehmen gegründet war.

Nach dieser Phase des kooperativen „Kennenlernens“ (Lorenz, Z. 108) erfolgte die gemein-same Gründung einer GbR einige Monate später im Jahr 1999. Vorrangig war zu diesem Zeitpunkt allerdings die formale Erleichterung von Außenbeziehungen, weniger das erklärte Ziel bzw. das Bewusstsein, gemeinsam ein Unternehmen aufzubauen.

„Die Idee kam dann eigentlich ((tiefes Einatmen)), dass wir nicht [betont] unbe-dingt /äh/ mit dem einzelnen Namen auftreten wollten. Also wenn wir ein /äh/

dann Kundenkontakt haben, dass dann nicht irgendwie der Name Matthias Messner da steht, sondern eine Firma, die /äh/ macht einfach mehr her [betont].

In den, auch schon in den Preisverhandlungen ((Lachen)), wenn man 'ne Firma da stehen hat und nicht den eigenen Bauchladen. (...) Wir haben erst mal die Qualifikationen ja quasi zusammen geworfen (...) und der ganzen Sache erst mal 'n Namen gegeben, um dann auch von da aus zu sehen, wie entwickelt sich das weiter und so was“ (Lorenz, Z. 81-120).

„Und dann war irgendwann so der Punkt, wo wir gesagt haben, ‚ach da könnten wir eigentlich ne Firma draus gründen.’ Wie ist denn das überhaupt, wenn wir irgendwas abrechnen und rechtlich und der ganze Kram? Und da ham wir dann ne Firma draus gemacht. Ich glaube, was dann jetzt draus geworden ist, das war uns damals gar nicht bewusst, also, dass wir richtig irgendwann n Büro haben“ (Messner, Z. 15-21).

„Dann ham wir irgendwann gesagt, ja, da machen wir ne Firma draus, aber da ging’s, glaub ich, mehr um den abwicklungstechnischen Teil, warum wir dann gesagt haben, wir machen ne Firma draus. Das, das ist uns gar nicht, also die-ser Schritt [betont] ‚wir sind, machen uns jetzt selbständig,’ ist uns so bewusst nicht gewesen“ (Messner, Z. 104-109).

So wurden zunächst die Arbeitsgebiete von beiden unter der neuen Firma vereinigt: Promo-tion für Lernsoftware und Datenbankentwicklung. Trotz des eher pragmatischen Ursprungs hatte die gemeinsame Firmengründung aber auch eine symbolische Bedeutung für die beiden Freunde. Die gemeinsame Gründung besiegelte ihre bisherige gute Kooperation und signalisierte nach außen hin die Stärke der Partnerschaft (vgl. Messner, Z. 119-120). Alleine hätte Herr Messner rückblickend gar nicht erst gegründet (Messner, Z. 1379-1392). Für beide steht bis heute fest, dass weniger die fachlichen Voraussetzungen oder eine gemein-same Dienstleistungsidee für die Verbindung ausschlaggebend waren als die stabile

freund-schaftliche und kooperative Beziehung sowie der Wunsch, auch in Zukunft zusammenar-beiten zu wollen.

„Also die Grundidee war eigentlich, wir beide wollen was zusammen machen.

Das stand also, egal was. Dann ham wir halt geguckt so n bisschen, was /äh/

was können wir denn. (...) Also wir ham dann wirklich gesagt, wir wollen was zusammen machen. Das war eigentlich die Haupt-, Hauptabsicht und dann ham wir geguckt, wo liegen unsere Fähigkeiten, wie kann man die zusammen brin-gen?“ (Messner, Z. 129-156).

„Ja, nur weil’s, weil’s mein bester Freund ist, hab ich Lust dazu, mit Jo was zu machen, was ja auch eigentlich der Ausgangspunkt war. Wir beide wollen was zusammen machen, deswegen gründen wir ne Firma, das kann man schon so sagen im Endeffekt“ (Messner, 1415-1419).

„Wir kennen uns schon ziemlich lang [betont]. Und also das ist eher so 'ne Privatverbindung. Das hat jetzt nichts zu tun gehabt /ähm/ mit der, den berufli-chen Qualifikationen vorrangig [betont]“ (Lorenz, Z. 55-57).

„Das war ja eher so ... auch natürlich aus, aus persönlicher Sympathie entstan-den das Ganze, dass man entstan-denkt, ja mit dem kann man bestimmt gut zusam-menarbeiten und dann schauen wir mal, was bei rauskommt“ (Lorenz, Z. 407-413).

„Von dem, wie ich weiß, wie, wie er arbeitet oder /ähm/ wie er, was für ein Mensch er ist, bot er sich also zum Zusammenarbeiten für mich an. Ich kann mir natürlich auch vorstellen, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, aber also wenn ich /ähm/ die Wahl hatte und die hatte ich dann ja auch, dann, dann war er auf jeden Fall die Nummer eins“ (Lorenz, Z. 1141-1146).

Vor diesem Hintergrund war auch die Einweihung des gemeinsamen Büros für beide von besonderer Bedeutung. Herr Messner spricht von einem „tollen“ und „emotionalen“ Erlebnis (Messner, Z. 256-268). Auch Herr Lorenz erinnert die Bürogründung als einen „der schöns-ten Momente“ sowie „erhebenden Moment“ (Lorenz, Z. 495-515). Jetzt wurde die gemein-same Selbständigkeit endlich konkret erfahrbar.

„Dass man da wirklich sein Büro hat und /ähm/ seine, sein Firmenlogo und also wirklich dann 'ne Firma hat [betont] und auch nicht mehr [betont] in, ja, in seinen eigenen /ähm/ (.), jetzt in seinem eigenen Namen denkt, sondern auch wirklich, wenn man dann zur Arbeit geht, dann eben in die Firma geht und das ist dann wirklich Lorenz und Messner und nicht irgendwie das eigene Ding“ (Lorenz, Z.

509-514).

In der Familie von Herrn Messer wurde die Gründung „begeistert“ aufgenommen und auch unterstützt, da man seine gestiegene berufliche Zufriedenheit wahrnahm, was ihn nach eigener Aussage zur unternehmerischen Selbständigkeit ermutigte (vgl. Messner, Z. 1204-1208, Z. 1233-1235). Dennoch wurde die neue Firma nicht gleich zu seiner Haupterwerbs-quelle, sondern er blieb zunächst im Rahmen einer halben Stelle für das Institut tätig. Herr Lorenz hingegen stieg gleich mit seiner vollen Arbeitskraft in die Selbständigkeit ein. Dafür entschied er sich trotz des Anratens seines sozialen Umfeldes, aus Sicherheit das zweite Staatsexamen zu absolvieren. Im Bewusstsein von Herrn Messner hat sein Partner durch diesen „Abbruch“ seiner Ausbildung ein großes Opfer für die gemeinsame Sache gebracht, was seine emotionale Bindung und sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber Herrn Lorenz stärkt (vgl. Messner, Z. 1168-1171). Herr Lorenz auf der anderen Seite verspürt die ihm von außen angetragene Unsicherheit gar nicht: Er sah seine Einkommen von Anfang an als gesicherter an als vor der gemeinsamen Gründung, musste weniger reisen als während seiner freiberuflichen Tätigkeit und konnte nun selbstbestimmter Arbeiten als zuvor (vgl.

Lorenz, Z. 615-624, Z. 1085-1096).

Obwohl sich beide Gründer von Anfang an sehr für das gemeinsame Unternehmen enga-gierten, wurde die berufliche Selbständigkeit nicht verbissen angegangen. Längere Auszei-ten waren möglich und geplant wurde zunächst nur mittelfristig, weil „wir erst mal schauen wollen, wie denn das Ganze so läuft“ (Lorenz, Z. 459/460). Doch ist das Auftragsvolumen im Bereich der Datenbankentwicklung durch Mund-zu-Mund-Propaganda kontinuierlich gewachsen. Schließlich wurde das ursprüngliche Arbeitsgebiet von Herrn Lorenz immer mehr „zurückgeschraubt“ und nur auf ganz lukrative Aufträge eingeschränkt, während sich die Datenbankentwicklung zum Kerngeschäft des Unternehmens entwickelt hat. Das Ziel, eine „richtige Firma“ aufzubauen, das bei beiden Gründern immer mehr gereift war (vgl.

Lorenz, Z. 1107-1113; Messner, Z. 39/40, Z. 1439-1441), war in diesem Geschäftsfeld besser zu verwirklichen, denn hier gab es den aussichtsreicheren Markt. Heute werden vor allem Datenbanken für kleine und mittlere Betriebe entwickelt, aber auch für Teilbereiche größerer Unternehmen, die im betrieblichen Rechnungswesen, im Personalwesen, in Labo-ren oder bei der Erstellung von Statistiken Anwendung finden. Herr Messner bemerkt einen anhaltenden Aufwärtstrend mit immer größeren und interessanteren Aufträgen.

Um sich voll und ganz auf seine selbständige Tätigkeit zu konzentrieren – und weil die gute Auftraglage das zuließ - hat Herr Messner schließlich im Januar 2002 seine Anstellung im Institut aufgegeben, obwohl ihm dort eine unbefristete Stelle in Aussicht gestellt wurde. Ent-lastet wird Herr Messner inzwischen im technischen Bereich durch zwei freie Mitarbeiter.

Doch schon bevor Herr Messner mit voller Kraft für das gemeinsame Unternehmen tätig wurde, hatten sich die beiden Männer dafür entschieden, finanziell alles in einen Topf zu werfen und die Überschüsse gleichberechtigt zu verteilen.

„Und so haben wir die zu Anfang noch so gemacht, dass wir das dann wieder rausgerechnet haben. Das haben wir aber nicht lange gemacht. So nach so 'nem halben Jahr hatten wir uns dann überlegt, dass wir das einfach alles in einen Topf werfen, weil das, das [betont] war dann letztendlich auch so dieser (.) ja, um diesen Firmengedanken da /ähm/ noch 'n bisschen zu stärken. Dass das eben nicht einfach zwei Bauchläden sind, die nur einen gemeinsamen Namen haben, sondern /ähm/ ((holt tief Luft)) das dann auch wirklich 'ne Firma ist und sind da irgendwie beide, denk ich mal, nicht schlecht damit gefahren“

(Lorenz, Z. 636-645).

„Ja, das war auch /mhm/ (2) ich glaub noch mal n entscheidender Punkt irgendwie. Das war, Jo hat ne halb Stelle gemacht /äh/ ich [betont] hab ne halbe Stelle gemacht und Jo voll und wir ham es zeitweise so gerechnet, dass, dass, jeder hat praktisch das, was er gemacht hat, abgerechnet, und irgendwann war so n Punkt, wo, wo wir dann gesagt haben /äh/ wir machen (.) wir machen jetzt fünfzig fünfzig, womit Jo mir n bisschen im Prinzip das ganze Wissen, worauf unsere Firma basiert, n bisschen honoriert hat so, also er hat ja zeitlich viel mehr rein gesteckt und ich hab aber die Hälfte rausgekriegt“ (Messner, Z. 546-555).

Die Entscheidung wird von beiden rückblickend als positiv bewertet. In ihr kam die gewach-sene Identifikation mit dem gemeinsamen Unternehmen zum Ausdruck und es zeigte sich auch, dass der ursprünglich rein formal-pragmatische Gründungsgedanke in den Hinter-grund getreten war. Herr Messner honoriert sehr, dass sein Partner diesen Schritt vollzogen hat, obwohl er selbst sich damals nur mit einer halben Stelle engagieren konnte. An späterer Stelle des Interviews wird allerdings deutlich, dass er als alleiniger Datenbankspezialist auch

nebenberuflich sehr viel Zeit in die gemeinsamen Projekte investierte und somit großem Stress ausgesetzt war, während sich sein Partner leichter ausklinken konnte.17

Auch wenn die Lage des jungen Unternehmens zum Zeitpunkt der Befragung gesichert ist und beide Männer mit ihrer beruflichen Situation sehr zufrieden sind, treten dennoch hin und wieder persönliche Zweifel am Schritt in die Selbständigkeit auf.

„Natürlich gibt es immer mal so 'n paar Zweifel, hat man jetzt das Richtige gemacht und ja, wenn halt das Projekt nicht so läuft, wie es gedacht [betont]

war. Wenn es also länger dauert und mit mehr Schwierigkeiten und der Kunde unzufrieden scheint. Das sind dann immer so kleine Rückschläge und Tief-punkte. /Ähm/ bei uns ist es aber bislang eigentlich immer stetig quasi bergauf gegangen. So gesehen haben wir keinen, wir hatten keine wirklichen Rück-schläge einzustecken in dem Sinne. Aber ist dann schon so, dass man teilweise /ähm/ überlegt, wie ((tiefes Atmen)) ja, wie geht es weiter? /Ähm/ kommt jetzt, hat man jetzt für die nächste, für, für die nächsten zwei Monate hat man keine größeren Aufträge /ähm/. Machen wir alles richtig? Und so, ne, dann kommt man schon mal 'n bisschen ins Grübeln, aber wir hatten da eigentlich bisher keine wirklichen Rückschläge zu verdauen“ (Lorenz, Z. 589-602).

„Ja finanziell ist es halt, hab ich dann auch manchmal so meine Bedenken, ob das alles klappt, der zuverlässige, also dass wir regelmäßig Geld kriegen und da hab ich auch schon n paar schwarze Moment gehabt, wo ich so gedacht habe ‚oh, klappt das überhaupt alles, ist das richtig?’ [[I: Also, dass die dann nicht zahlen, oder?]] Also ja, genau, dass die nicht zaaahlen, das ist so ne Grund-, so ne Grundexistenzangst, die völlig [betont] unbegründet ist, wenn man sich die Zahlen anguckt. Ja, aber es muss ja nur mal ganz einfach n halbes Jahr kein Auftrag reinkommen und dann (.) dann (.) ja, dann musste die Firma zumachen. Aber das ist im Endeffekt auch [betont] nicht so schlimm, weil ich würde halt auf dem freien Markt halt auch ne Stelle kriegen irgendwo. Also eigentlich isses völlig unbegründet, aber man kann sich trotzdem nicht frei machen von solchen Ängsten. Und ich bin auch eher so n Mensch, der nun mal fünf mal das Geld hin und her rechnet“ (Messner, Z. 524-541).

Obwohl beiden rational klar ist, dass ihre Ängste und Zweifel unbegründet sind, können sie sich nicht von ihnen „frei machen“. Gerade Herr Messner, der erst seit kurzem voll selbstän-dig ist, erlebt jetzt eine für ihn neuartige Situation des finanziellen Risikos, an die er sich erst gewöhnen muss (vgl. Messner, Z. 1331-1349).