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4.5 Karin Hesse und Anne Ludwig – Berufliche Weiterbildung

4.5.2 Konkrete Aspekte der Kooperation

4.5.2.1 Führungsfragen

zweite Person zu. Und ich brauch auch die zweite Person, um krank zu werden, um ein Kind zu kriegen, weil da fallen Sie auch ein bisschen aus, wenn so was passiert. (...) dann ist es viel besser, jemanden zu haben, der dann da ist. Dann auch so Entscheidungen zu treffen, lease ich jetzt die Anlage oder lege ich jetzt mal 50.000 auf den Tisch und kaufe die? Das finde ich schon ganz gut, mit jemandem zu besprechen“ (Ludwig, Z. 1413-1434).

Erst die Partnerschaft hat ihnen die nötige Sicherheit gegeben und ihnen ermöglicht, die mit einer beruflichen Selbständigkeit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Inzwischen ist die Partnerin für beide so einzigartig und wertvoll geworden, dass keine auf sie verzichten möchte (Hesse, Z. 1116-1118; Ludwig, Z. 1467-1469).

Bemerkenswert ist, dass das Ziel der Frauenförderung, das anfangs noch im Zentrum des Gründungsprojektes stand, im Verlauf der Jahre seine zentrale Stellung eingebüßt hat. Die Kursangebote sind auch auf männliche Teilnehmer ausgedehnt worden und der Gedanke der Gemeinnützigkeit ist vor dem Streben nach unternehmerischem Erfolg zurückgewichen.

Doch wenn auch viele Kurse prinzipiell für Männer offen stehen, nehmen diese nicht gerne an den Angeboten der Schule teil. Die Unternehmerinnen erklären sich das mit „Berüh-rungsängsten" dieser Zielgruppe gegenüber einer Frauenschule (vgl. Hesse, Z. 238-246).

Das Ziel der Frauenförderung, das sich die beiden ursprünglich auf ihre Fahne geschrieben hatten, ist daher inzwischen eher zu einem Wachstumshemmnis geworden. Aus diesem Grund haben sie auch die zweite Schule gegründet, die sich an Firmenkunden richtet und nicht mehr den Schwerpunkt auf Computerkurse legt. Diese neue Akademie hat nicht mit Anerkennungs- und Imageproblemen zu kämpfen. Mit Selbstironie schildert Frau Ludwig, dass sie nun mehr Kunden ansprechen und höhere Preise erzielen können, obwohl die Qualität der Weiterbildungsangebote ebenso gut ist wie in der Frauenschule. Ihre Ironie zeugt allerdings auch von einer inneren Distanzierung, denn sie hat sich aus Streben nach unternehmerischer Anerkennung durchaus von ihrem ursprünglichen Ideal entfernt.

„Wir könnten uns ja immer totlachen. Wir schicken ein Angebot über Manage-mentassistentinnen-Ausbildung oder IT-Anwendungsbetreuerin über die (eigene Schule) an eine Firma, hören nichts (...) /Ähm/ will niemand. Und dann schicken wir das gleiche [betont] Angebot etwas anders verpackt mit (eigene Akademie), also mit dem Briefkopf /ähm/, wo dann steht (eigene Akademie), Sitz in (Großstadt) und (Millionenstadt im Ausland) und auch, sind, also die Anschriften von (Großstadt) und (Millionenstadt im Ausland), auch 'ne andere Telefonnummer natürlich alles und guck mal da, die Firma will sich schulen lassen. Wir könnten uns totlachen da drüber, weil natürlich kommen die hier in diese Räume oder unsere Dozentin von der (eigene Schule) geht zu denen und schult die, aber an solchen Kleinigkeiten liegt es dann, dass man einen Auftrag kriegt oder nicht. Und das Schönste [betont] ist immer /ähm/, wenn wir den Auf-trag über (eigene Akademie) wegschicken, machen wir den natürlich auch noch teurer“ (Ludwig, Z. 418-436).

Das Führungsverhalten der beiden Unternehmerinnen ist vor diesem Hintergrund von einem Kampf gegen das schlechte Image der Frauenschule geprägt. Frau Ludwig sieht sich unter dem Zwang, immer wieder deutlich demonstrieren zu müssen, dass ihr Unternehmen pro-fessionell geführt wird, indem sie ihre starke Leistungsorientierung ausführlich darlegt. Im Grunde ist das negative Bild von einer Frauenorganisation, von dem sie sich abgrenzen möchte, aber auch für sie selbstverständlich.

„Ja /ähm/ was ich immer ganz witzig finde, ist eben, wenn Leute sich hier bewerben /mhm/ wie sie die Bewerbung schreiben oder auch, wir haben ja ganz viele Dozentinnen /ähm/ wie manche glauben, wie hier geführt wird und was wir hier machen. So nach dem Motto, auf den Punkt gebracht, ist ja 'n Frauenunternehmen, ne, da können wir uns schon das und das rausnehmen.

Und es ist eben nicht so. Und ganz viele, die von außen hier rein kommen, wissen das nicht und denken so, ‚hallo Schwester, kann ich dir mal'" (Ludwig, Z.

1128-1136).

„Genauso ähnlich ist das Einstellungsgefahren /äh/ Verfahren, also mit zwei Einstellungsgesprächen, dreimal hospitieren, bei drei verschiedenen Dozentin-nen. Die drei verschiedenen Dozentinnen geben ihre Beurteilungen ab über diejenige und noch einen Probeunterricht. Also es ist wirklich ganz, ganz lang.

Und wir müssen [betont] es aber machen, weil wir müssen besser sein als die IHK oder als sowieso, weil wir haben einfach als Frauenunternehmen es so schwer [betont] mit dem Ruf, dass wir besser [betont] sein müssen, um genauso [betont] anerkannt zu werden wie die IHK" (Ludwig, Z. 1236-1245).

„Ja und so, wie diese beiden Sachen eben /ähm/ die Beurteilung und auch die Einstellung /mhm/ gemacht werden, ich glaub so zieht sich das durch alles durch, dass es halt nicht, ja 'ne typische Frauenorganisation ist, sondern eben richtig /ähm/ strukturiert auch hoffentlich abläuft" (Ludwig, Z. 1270-1274).

An anderer Stelle allerdings charakterisiert Frau Ludwig das Einstellungsverfahren als eher emotional geleitet:

„Ich sitz ein ganzes Stück weiter an einem anderen Tisch /ähm/ mit derjenigen und mache das Einstellungsgespräch und Karin sitzt nur noch da und hört zu und lässt es auf sich wirken [betont]. Weil, es ist uns jetzt eben ein paar mal passiert mit diesem emotionalen Gefühl im Bauch. Und da haben wir gesagt, Mensch schiss auf diese ganzen Techniken und Checklisten und was du hier schriftlich hast. Wenn das nicht stimmt, sollten wir es lassen, auch wenn das andere alles stimmt. Aber wenn es ein paar mal passiert, wird da schon was dran sein“ (Ludwig, Z. 805-813).

Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei der Entscheidung für neue Mitarbeiterinnen durchaus auf Gefühle Verlass ist, sodass inzwischen bewusst darauf geachtet wird. Dennoch bleibt ein Widerspruch, denn das emotionale, intuitive Entscheiden entspricht nicht Frau Ludwigs theo-retischem Idealbild von professioneller Führung. Auch Frau Hesse möchte sich am betriebswirtschaftlichen Ideal rationalen Handelns orientieren. So stellt sie während des Interviews ihr eigenes Handeln immer wieder als sehr rational dar, während emotionale Aspekte kaum zu Tage treten. Trotzdem wird zwischen den Zeilen deutlich, dass auch sie im Alltag nicht immer derart rational handelt und entscheidet, so zum Beispiel bei der Auswahl von Mitarbeiterinnen, „zwei Sekunden nachdem jemand Platz genommen hat, wusste man eigentlich schon, wie es läuft oder was dabei rauskommen wird" (Hesse, Z. 352-354), oder bei emotionalen Reaktionen auf Misserfolge (vgl. Hesse, Z. 425-437).

Frau Ludwig schildert, dass sie und ihre Partnerin unternehmerische Entscheidungen schon immer sehr vorsichtig und bedacht getroffen haben - im Nachhinein aus ihrer Perspektive zu vorsichtig, um schnell und erfolgreich durchstarten zu können. Sie verallgemeinert dieses Phänomen als ein typisches Frauenproblem (vgl. Ludwig, Z. 225-237). Ihre Vorsicht und ihr Sicherheitsbedürfnis sieht Frau Ludwig als eine Schwäche an, die sie sich aber eingestehen kann.

„Aber anstatt jetzt hier [betont] noch mal was zu machen und es gleich irgend-wie richtig zu mieten und die Sachen /ähm/ zu kaufen, haben wir halt vorsichtig, na nur für ein Jahr, das können wir dann wieder abgeben. Ah, wo ich immer abends im Bett liege und dann, ach ist das jetzt richtig [betont], ist das [betont]

jetzt richtig, solltest du denn nicht gleich hier die Etage auch noch nehmen?

Aber was ist dann in 'nem Jahr [betont], dann hast du vielleicht von denen keine Aufträge mehr? Also [lachend]“ (Ludwig, Z. 314-321).

Alle als wichtig einzuschätzenden Entscheidungen werden von den beiden Unternehmerin-nen gemeinsam besprochen und gefällt. Darunter fallen die Einstellung und Führung von Mitarbeiterinnen, größere Investitionen und Finanzierungsfragen, das jährliche Kurspro-gramm, die strategische Ausrichtung des Unternehmens und Aktionen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei zeigen die beiden Unternehmerinnen ein hohes Verantwortungs-gefühl dafür, dass ihre Schule „gut läuft“ (Hesse, Z. 830-845). Diesem Gefühl kann sich Frau Ludwig als Unternehmerin auch gar nicht entziehen, denn daran hängt die eigene Existenz wie die von anderen. So empfindet sie ihre Verantwortung sogar als einen Druck, der inner-lich wie äußerinner-lich ausgeübt wird (vgl. Ludwig, Z. 1015-1028). Erleichternd ist allerdings für

beide, dass die Verantwortung und das damit verbundene Risiko letztlich selbst auferlegt sind und zu zweit getragen werden.

Gemeinsam entschieden wird über das Grundsätzliche, während die inhaltliche Ausführung im Detail jeder der beiden Frauen selbst überlassen bleibt. Die Arbeitsergebnisse allerdings werden, bevor sie das Unternehmen verlassen, der Partnerin noch einmal zur Bestätigung vorgelegt. Keine von beiden sieht die Entscheidungsfindung in der Partnerschaft als proble-matisch an (vgl. Ludwig, Z. 1446-1454; Hesse, Z. 348-351). Im Gegenteil, das gemeinsame Entscheiden ist entlastend:

„Aber /ähm/ da kann ich auch besser schlafen, wenn sie es noch mal abgenickt hat. Also wenn es nicht nur meine Entscheidung war, weil es ist auch, es gehört auch uns beiden. Und das /ähm/ wenn dann was in die Hose geht, müssen auch beide gesagt haben, das wollten wir jetzt oder das wollten wir nicht. Nur die Details, die besprechen wir dann nicht mehr“ (Ludwig, Z. 734-739).

„Das so alles ganz alleine zu tragen, ist sicherlich viel, viel schwieriger. (2) Als wenn man weiß, okay, also wenn es ganz schief geht, hängen wir beide mit drin, dann müssen wir irgendwie gucken, wie wir da wieder raus kommen (.) ((Lachen)) Das geht dann zu zweit immer besser als alleine. (.) Auf jeden Fall“

(Hesse, Z. 1076-1081).