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6.2 Kooperatives Handeln in der besonderen Situation beruflicher Selbständigkeit

6.2.1 Situationsmerkmal „Unsicherheit“

Immer wieder wird betont, dass die Situation beruflich Selbständiger durch Unsicherheit gekennzeichnet ist. Die konkrete Ausprägung dieser Unsicherheit ist vielfältig (vgl.

Bögenhold 1989, S. 17; Kolshorn/Tomecko 1998, S. 180). In materieller Hinsicht stellen sich Fragen wie: Ist die Geschäftsidee wirklich markttauglich? Reicht das erzielbare Einkommen aus für meinen Lebensunterhalt ebenso wie für den meiner Familie? Was passiert, wenn ich krank werde? Wann kommt der erste bzw. nächste Auftrag? In persönlicher und sozialer Hinsicht ist beispielsweise relevant: Bin ich wirklich fachlich geeignet? Wie hoch ist die Arbeitsbelastung? Kann ich ihr standhalten? Habe ich noch genügend Zeit für mein Privatle-ben? Ein großes Maß an Unsicherheit rührt auch daher, dass den meisten Personen die Situation der unternehmerischen Selbständigkeit unbekannt ist, sollten sie nicht aufgrund von Unternehmern im näheren sozialen Umfeld in diesen Erwerbsentwurf hineingewachsen sein. So ist für sie vor der Gründung nicht durchschaubar, was auf sie zukommen wird – eine Unkenntnis, die verunsichert. Meistens ist dabei das subjektive Gefühl von Unsicherheit stärker ausgeprägt, als objektiv begründbar wäre, denn letztendlich sind viele Faktoren durch eine gute Planung abzusichern und auch eine angestellte Tätigkeit bietet heute keine wirkliche Sicherheit mehr. Dennoch besteht ein persönliches Unsicherheitsgefühl, sodass die Unsicherheit als ein wesentliches Merkmal der Situation beruflich Selbständiger anzuse-hen ist. Zwar muss eine gewisse Schwelle der Angst überwunden werden, um überhaupt in

der Lage zu sein, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, doch zeigen sich bei vielen der Befragten Existenzängste, die sich bis lange in die Anfangszeit der Selbständigkeit aus-dehnen.

Es ist nicht zu leugnen, dass die finanzielle Situation von Selbständigen gerade während der ersten Zeit nach der Unternehmensgründung sehr prekär sein kann, da meistens die anfal-lenden Kosten die Einnahmen übersteigen und Einkünfte nur unregelmäßig erzielt werden.

Auch in späteren Lebensphasen des Unternehmens ist der Erfolg abhängig von wirtschaftli-chen Rahmenbedingungen und Marktentwicklungen, die man selbst oft wenig beeinflussen kann. Angesichts dessen kann die Bildung eines Gründungsteams wirtschaftlich entlastend sein, wenn einer zunächst weiter angestellt arbeitet und eine gewisse finanzielle Grundsi-cherung für beide gewährt. Müssen dagegen beide von Anfang an vollständig durch das eigene Unternehmen unterhalten werden, so können Erfolgsdruck und Unsicherheitsgefühl sogar steigen. Außerdem können Existenzgründungen hohe Investitionssummen erforderlich machen. Geht das Vorhaben schief, so hat man entweder eigenes Kapitel verloren oder hohe Verbindlichkeiten. Auch hier ist die Teamgründung gegenüber einer Einzelgründung vorteilhaft, da zwei Personen mehr Kapital aufbringen können und schließlich gemeinsam haften, sodass die finanzielle Belastung des einzelnen geringer ausfällt.

Trotz der genannten wirtschaftlichen Vorzüge einer Teamgründung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Team zusätzliche Unsicherheiten hervorrufen kann: Ist mein Partner vertrauenswürdig? Können wir wirklich gut zusammenarbeiten? Funktioniert die Zusammenarbeit jedoch, so reduziert eine Teambildung das subjektive Unsicherheitsemp-finden der Akteure. So wären fast alle Befragten rückblickend das Risiko einer unternehme-rischen Selbständigkeit nicht alleine eingegangen. Man strebt ohnehin keine gemeinsame Unternehmensgründung an, wenn von vornherein Zweifel am Partner bestehen und eine innere Bindung an die partnerschaftliche Beziehung fehlt. Folglich ist von Anfang an ein gewisses Maß an Vertrauen und Zusammenhalt gegeben. Durch die soziale Identität, die also schon vor dem Schritt in die Selbständigkeit bzw. während der ersten Zusammenarbeit angelegt wird und im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit noch wächst, entsteht ein Gefühl bzw. Bewusstsein von Sicherheit. Der Glaube an die Partnerschaft schafft Erfolgszuversicht und ein Gefühl der Stärke. Auch die Möglichkeiten, Entscheidungen gemeinsam zu fällen, Verantwortung zu teilen und Probleme gemeinsam zu lösen, stiften Sicherheit. Dabei redu-ziert die Partnerschaft nicht nur die Unsicherheit auf der subjektiven Gefühlsebene, sie kann auch die Qualität der Dienstleistung und somit die Marktposition positiv beeinflussen. Der Partner dient nämlich als Kontrolle des eigenen Handelns und trägt so zur Vermeidung von Irrwegen bzw. Fehlern bei.

Damit eine unternehmerische Partnerschaft aber auf diese Weise Sicherheit stiften kann, muss das kooperative Handeln im Team bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ganz wichtig ist in dem Zusammenhang Vertrauen. Zwar bringt vertrauensvolles Handeln an sich ein gewisses Risiko mit sich, was die Unsicherheit einer beruflichen Selbständigkeit sogar stei-gern könnte, besteht aber eine echte, gewachsene Vertrauensbeziehung, so steigt die Gewissheit, dass der Partner wohlwollend und im Sinne der gemeinsamen Ziele handelt.

Vertrauen reduziert somit Komplexität und macht die Partnerschaft für den einzelnen siche-rer. Vertrauen ist zudem eine unabdingbare Voraussetzung für Offenheit und Hilfsbereit-schaft in der Zusammenarbeit, was wiederum wichtig ist, um Probleme gemeinsam zu bewältigen und gemeinsam Stärke zu entfalten. So wächst durch Vertrauen die Überzeu-gung der Selbständigen, den Anforderungen des Unternehmerdaseins gewachsen zu sein.

Obwohl von vornherein eine gewisse Vertrauensbasis gegeben sein muss, damit zwei Per-sonen überhaupt den Schritt in die gemeinsame Selbständigkeit wagen, wird bei einer part-nerschaftlichen Selbständigkeit allerdings erst über einen längeren Zeitraum hinweg, basie-rend auf gemeinsamen Interaktionserfahrungen, eine stabile Vertrauensbeziehung aufge-baut.

Darüber hinaus vermindert eine geteilte Grundeinstellung zur unternehmerischen Tätigkeit das Gefühl der Unsicherheit. Trotz aller Differenzen, die in konkreten Handlungssituationen auftreten können, bringt diese Übereinstimmung die Gewissheit mit sich, Uneinigkeiten ohne zerstörerische Konflikte lösen zu können, und bildet somit eine Basis für Dialogbereitschaft und kooperative Offenheit für andere Sichtweisen.

Auch Normen und Regeln als Rahmen einer geordneten Zusammenarbeit stiften Sicherheit.

Sie machen das Handeln des anderen berechenbar, denn durch Ordnung verhalten sich die Individuen regelmäßig und durchschaubar genug, um eine Vorhersage ihrer Handlungen zu ermöglichen. Regeln schränken die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen ein, reduzieren so Komplexität und geben schließlich dem eigenen Handeln mehr Sicherheit. Den Gründern ist diese Ordnung - die Organisation des Unternehmens - jedoch nicht vorgegeben, sondern sie wird erst von ihnen selbst erschaffen. Bei einer beruflichen Selbständigkeit wächst Ord-nung insofern durch selbstorganisiertes menschliches Handeln. Die Selbstorganisationspro-zesse haben dabei zwei Facetten: Sie erfolgen eher unbewusst „von selbst“ oder „selbstbe-stimmt“. Der Grad an Organisiertheit, der innerhalb der Partnerschaft bzw. innerhalb des Unternehmens erzielt wird, nimmt maßgeblich Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und ist damit überlebenswichtig.

Situationsmerkmal beruflicher Selbständigkeit

Positive Effekte eines Teams

Voraussetzungen im kooperativen Handeln

Unsicherheit • Erfolgszuversicht und ein Gefühl von Stärke

• Erleichterung durch gemein-sames Entscheiden und Verantworten

• Qualitätskontrolle und Fehlervermeidung

• Finanzielle Grundsicherung und gemeinsame Haftung

• Soziale Identität und Zusam-menhalt

• Zwischenmenschliches Vertrauen und Offenheit

• Geteilte Grundeinstellung zur unternehmerischen Tätigkeit

• Normen und Regeln, die die Zusammenarbeit ordnen