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4.5 Karin Hesse und Anne Ludwig – Berufliche Weiterbildung

4.5.1 Geschichte der gemeinsamen Selbständigkeit

„Äh/ diese Kurse waren dann sehr unterschiedlich, was man gemerkt hat, wenn man /äh/ gemischte Kurse hatte, dann waren da die Männer diejenigen, die immer mit der Dozentin dann erst mal fachsimpeln wollten (...) also so techni-sche Fragen, wo auch immer geguckt wurde, ob die Dozentin denn überhaupt mitreden [betont] kann. Ob die denn da Bescheid weiß, das wurde immer so getestet. Dann hat man immer schnell gemerkt, dass die Typen selbst über-haupt gar [betont] keine Ahnung haben, aber unheimlich geblöfft haben damit, sodass die Frauen im Kurs gedacht haben, ooh, die [betont] haben aber alle Ahnung, da trau ich mich jetzt gar nichts mehr zu sagen. Und von daher war so die Stimmung in den Kursen dann immer sehr unbefriedigend, weil eigentlich die Frauen nichts mehr davon hatten. Die haben sozusagen vor lauter Angst dann gleich wieder zugemacht (...) und Frau Ludwig hat eben die gleichen Erfahrungen gemacht, dass wir gesagt haben, das kann es irgendwie nicht sein, das macht mit Frauen eigentlich viel mehr Spaß, weil ich hab keine Lust mich, genau wie /mhm/ wie Männer ja beim Auto auch immer über die PS und irgendwie so was reden, was mir als Frau überhaupt nicht liegt (...) das also da ganz andere Ansatzweisen sind, wie man an so, an so 'ne Sache rangeht und dass die Frauen da /mhm/ zu kurz kommen, bei den Kursen“ (Hesse, Z. 85-115).

Basierend auf diesen beruflichen Erfahrungen ist die gemeinsame Idee entstanden, selbst Computerkurse speziell für Frauen anzubieten, die auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sind - eine Idee, die für die beiden Gründerinnen faszinierend war und dann auch recht schnell praktisch angegangen wurde. Dahinter stand die Überzeugung, bessere Kurse anbieten zu können als die Konkurrenz, die zuvor kritisch unter die Lupe genommen wurde (vgl. Hesse, Z. 1042-1043). „Und eigentlich war uns mehr so emotional klar, dass es dafür einen Markt geben muss, aber nicht so richtig bewiesen“ (Ludwig, Z. 95-97). Frau Ludwig sah in Frau Hesse die ideale Partnerin für ein solches Vorhaben.

„Ich hab, /äh/ kenne genug Trainerinnen, mit denen ich zusammengearbeitet hätte, die ich vielleicht /äh/ auch hätte fragen können, aber es, es gehört auch immer noch mehr dazu, man muss es auch tun. Also es gibt ja hier auch tau-send Trainerinnen und es gibt auch manche, die sind unzufrieden, wo ich mir immer denke, Mensch, wenn du unzufrieden bist, mach es doch selber. Und sie machen es nicht. Also ich denke, es gibt auch noch /mhm/ irgendwas anderes dazu, was ich aber nicht auf den Punkt bringen kann, um es zu tun [betont].

Also dieses sich trauen, es zu tun. Keine Ahnung, wo man so 'ne Qualifikation oder /äh/ so 'n Vertrauen herkriegt, es einfach auch zu machen. Und das hat sie möglicherweise dann auch gehabt und dann hat es gefunkt“ (Ludwig, Z. 1483-1494).

„Da haben wir uns einfach zusammengetan und weil wir auch gedacht haben, es ist ganz gut, wenn es jetzt nicht [betont] so eine intime Freundin ist, die man da hat, sondern jemand den man kennt, aber wo es immer noch, die hat ihren Privatbereich und ich hab meinen und wir sind halt geschäftlich [betont]

zusammen. Und /ähm/ das ist auch fast heute noch so“ (Ludwig, Z. 485-490).

So haben die beiden Frauen 1991 einen Verein gegründet, der Computerkurse für Frauen anbietet. Die Form des Vereins wurde gewählt, weil das Gründungsvorhaben im Wesentli-chen von einem gemeinnützigen Gedanke getragen wurde: Frauen sollten einen „guten“ und

„angstfreien“ Zugang zur EDV gewinnen (vgl. Hesse, Z. 217-220). Diese emanzipationsbe-wegte Grundhaltung zieht sich durch die Erzählungen der beiden Unternehmerinnen. Zudem hofften die Frauen, als Verein öffentliche Fördergelder erhalten zu können. Diesbezüglich gingen sie also noch eher „wissenschaftlich“ an ihr Vorhaben heran als wirklich unternehme-risch. Die Anwerbung von Fördermitteln gelang ihnen jedoch nicht. Frau Ludwig distanziert sich heute mit Ironie von diesen anfänglichen Misserfolgen und Irrwegen (vgl. Ludwig, Z. 55-97).

Trotz des schnellen Entschlusses wurde der Aufbau des Vereins aber langsam und wenig verbissen angegangen. Frau Hesse war zu der Zeit arbeitslos und konnte sich konzentriert dem Gründungsprojekt widmen. Zwar erwähnt sie, dass ihr Mann die Entscheidung anfäng-lich missbilligte, sieht ihn heute aber als einen wichtigen Rückhalt ihrer Selbständigkeit an (vgl. Hesse, Z. 977-992). Frau Ludwig blieb nebenher angestellt tätig, weswegen auch Schulungsräume in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in einer Bürogemeinschaft angemietet wurden. Die räumliche Situation war anfangs sehr beengt, aber auch „familiär“ (vgl. Hesse, Z. 149-156). Bankkredite bekamen die beiden Gründerinnen nicht, sodass sie sich bei Freunden und Verwandten Geld leihen mussten, um die Grundausstattung ihrer Computer-schule zu finanzieren. Beide bezeichnen den bescheidenen Anfang rückblickend als „frau-entypisch“ (vgl. Hesse, Z. 187-191, Ludwig, Z. 218-237).

Nun bestand die Herausforderung darin, Kundinnen zu gewinnen. So wurden „einfach ins Blaue hinaus, Kurse angeboten und geguckt, ob sich jemand anmeldet oder Faltblätter erstellt und geschaut, ob es Teilnehmerinnen gibt, die Interesse haben“ (Ludwig, Z. 91-94).

Diese erste Zeit nach der Gründung bezeichnet Frau Ludwig als arbeitsintensiv und hürden-reich.

„Ganz, ganz viel gearbeitet, also auch abends und am Wochenende, /ähm/

ganz oft so rumgesessen und einfach überlegt, wie wir weitermachen, wie wir an Kundinnen kommen, wie überhaupt unsere Verwaltung ablaufen soll, wer was macht. Wir sind schon an unsere Grenzen gestoßen /ähm/ also alles, was irgendwie abrechnungstechnisch war /mhm/ mit Buchungssachen und sowas, da haben wir überhaupt nicht Bescheid gewusst, weil das lernt man ja nirgends /ähm/ so was muss man ja scheinbar in die Wiege gelegt kriegen oder man macht 'ne Aus-, Ausbildung im kaufmännischen Bereich, dann kann man das wahrscheinlich, aber das hatten wir nicht. Also, wir haben auch ganz viel gelernt, ganz viel falsch gemacht, an ganz vielen, ganz vielen Stellen“ (Ludwig, Z. 167-179).

Zwar hatte sich Frau Ludwig aufgrund ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit schon theoreti-sches Wissen zur Existenzgründung angeeignet, musste jedoch die Erfahrung machen, dass die Praxis ganz anders aussieht.

„Und hab die Leute dort beraten, was sie machen können, wenn sie sich selb-ständig machen. Also, eigentlich hätte ich das aus dem FF gekonnt, ne? Alles, was es theoretisch da an Möglichkeiten gab, an Theorien, was man wie zu machen hat /äh/ hab ich denen drei Jahre lang erzählt und als ich es dann selber gemacht hab, hat das alles überhaupt nicht funktioniert [betont, lachend].

/Ähm/ dann hab ich auch gedacht, ja, wunderbare [betont] Theorien, aber man kommt an so viele kleine Ecken, warum es eben nicht [betont] funktioniert, da sitzt einer und will das nicht, oder, ne, also waren wirklich tausend Sachen /äh/, dass ich immer das Gefühl hatte, ich musste das von Anfang [betont] an ganz neu lernen [betont]. Und eigentlich gibt es auch niemanden, der einem das bei-bringen kann, was man da zu machen hat, sondern man muss es erleben [be-tont]“ (Ludwig, Z. 117-129).

Wieder nimmt sie eine ironische Distanz zu ihrer vorherigen beruflichen Tätigkeit ein. Viel hilfreicher auf dem Weg in die Selbständigkeit als theoretisches Wissen waren für Frau Ludwig Vorbilder, also Computerschulen, die schon erfolgreich auf dem Markt agierten, sowie Netzwerke (vgl. Ludwig, Z. 1393-1398).

Das hohe Engagement der Gründerinnen wurde belohnt: Sie gewannen erste Kundinnen und wichtige regionale Kooperationspartner, mit denen sie ihre ersten Computerkurse durchführen konnten. Die Schule lief schließlich so gut an, dass sie das von Verwandten und Freunden geliehene Geld recht schnell zurückzahlen konnten und es ihnen möglich wurde,

von den Erträgen der Schule zu leben. Die bisherigen Räumlichkeiten waren bald zu eng, sodass sie etwa drei Jahre nach der Gründung größere Räume in einem neuen Stadtteil anmieteten, eine Lage, die zudem den Ansprüchen ihrer Zielgruppe eher entsprach.

Mit dem Umzug und dem Wachstum der Schule haben sich auch deren Strukturen verän-dert. Während die beiden Gründerinnen zuvor alle Aufgaben selbst erledigten, wurden nun weitere Personen erforderlich, um Aufgaben delegieren zu können. Zunächst stellten sie über Förderprogramme neue Mitarbeiterinnen ein, die dann auch übernommen worden sind.

Zum Zeitpunkt des Interviews hat die Schule vier feste Mitarbeiterinnen, abgesehen von den zahlreichen Dozentinnen, die in den Kursen eingesetzt werden. Zwar wurde zwischenzeitig auch über die Erweiterung des Inhaberinnenteams nachgedacht, aber man hat niemanden gefunden, der den Erwartungen der beiden Frauen entsprach. Die Schule wuchs in den folgenden Jahren noch weiter, sodass ein zweiter Standort eröffnet und Kursräume in anderen Schulen angemietet worden sind. Die Situation stabilisierte sich so weit, dass Frau Ludwig sogar eine Erziehungspause einlegen konnte – sie hat zum Zeitpunkt des Interviews eine vierjährige Tochter.

Zum Zeitpunkt der Befragung besteht die Computerschule seit zehn Jahren, eine Leistung, auf die die beiden Gründerinnen stolz sind. Für Frau Hesse wurden sie für die Qualität ihrer Arbeit und ihr Durchhaltevermögen belohnt: „Mittlerweile sind wir zehn Jahre am Markt und haben einfach bewiesen, dass wir erstens durchhalten können, zweitens auch gute Arbeit machen, sonst gäb es uns sicherlich nicht mehr“ (Hesse, Z. 235-238). Auch wenn es immer wieder ein „Hin und Her“ ist, so gab es doch einen „stetigen Aufwärtstrend“ ohne existenz-bedrohliche Tiefpunkte (vgl. Hesse, Z. 437-445; Ludwig, Z. 889-898). So besteht inzwischen eine gewisse „Planungssicherheit“, was die Auftragslage der Frauenschule anbelangt, und sie läuft „mit weniger Aufwand als früher“ (Hesse, Z. 406-415, Z. 1185-1188). Trotzdem lei-det die Schule als reine Frauenorganisation immer noch an Anerkennungsproblemen in der Öffentlichkeit. In diesen beiden Faktoren liegt dann auch begründet, dass die beiden Frauen vor einiger Zeit noch eine Akademie gegründet haben, dieses Mal eine GbR und nicht nur für Frauen. Der Schwerpunkt ihres derzeitigen (und zukünftigen) unternehmerischen Enga-gements liegt darauf, die neue Akademie besser auf dem Markt zu etablieren. Beide Frauen sind hoch motiviert, die neue Herausforderung anzugehen (vgl. Hesse, Z. 1187-1194;

Ludwig, Z. 897/898). Für Frau Hesse sind diese gemeinsamen Ziele und Pläne ein wichtiger Faktor des partnerschaftlichen Zusammenhalts (vgl. Hesse, Z. 880-887).

Blicken die beiden Unternehmerinnen heute auf den Weg in ihre berufliche Selbständigkeit zurück, so sind sie sich darin einig, dass sie sich nicht „getraut“ hätten, alleine ein Unter-nehmen zu gründen:

„Ich denk, alleine hätt ich mich nicht getraut und umgekehrt, denk ich mal, auch.

Da hätte die Idee die Gleiche sein können, aber trotzdem, denk ich mal, ist es, also liegt es mir viel mehr [betont], wenn man einfach mit jemandem, und wenn man nur 'ne Bestätigung bekommt, ja mach das. /Ähm/, dass es einfach leichter fällt. Dass man auch gerade die Verantwortung und die Last und (.) das alles auf zwei Schultern hat (...) das so alles ganz alleine zu tragen, ist sicherlich viel, viel schwieriger. (2) Als wenn man weiß, okay, also wenn es ganz schief geht, hängen wir beide mit drin, dann müssen wir irgendwie gucken, wie wir da wieder raus kommen (.) ((Lachen)) Das geht dann zu zweit immer besser als alleine. (.) Auf jeden Fall“ (Hesse, Z. 1057-1081).

„Nee-nee-nee-nee, hätte ich mich nie getraut, nee. Wäre ich viel zu feige zu gewesen. (...) Aber /mhm/ Räume anzumieten, Computerausstattung zu kaufen hätte ich mich nicht getraut, obwohl mir eigentlich finanziell nichts passieren kann. Also ich hab da genug Leute im Hintergrund (...) Aber da brauch ich 'ne

zweite Person zu. Und ich brauch auch die zweite Person, um krank zu werden, um ein Kind zu kriegen, weil da fallen Sie auch ein bisschen aus, wenn so was passiert. (...) dann ist es viel besser, jemanden zu haben, der dann da ist. Dann auch so Entscheidungen zu treffen, lease ich jetzt die Anlage oder lege ich jetzt mal 50.000 auf den Tisch und kaufe die? Das finde ich schon ganz gut, mit jemandem zu besprechen“ (Ludwig, Z. 1413-1434).

Erst die Partnerschaft hat ihnen die nötige Sicherheit gegeben und ihnen ermöglicht, die mit einer beruflichen Selbständigkeit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Inzwischen ist die Partnerin für beide so einzigartig und wertvoll geworden, dass keine auf sie verzichten möchte (Hesse, Z. 1116-1118; Ludwig, Z. 1467-1469).