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3. FÖRDERUNG DER PHONETISCHEN KOMPETENZEN DURCH MUSIK

3.3 Musik im Fremdsprachenunterricht

3.3.5 Förderung phonetischer Kompetenzen durch den Einsatz von Musik im DaF-Unterricht

3.3.5.1 Theoretische Ansätze

Nach Murphey (1990) ist die Aussprache einer der ersten Gründe, die für den Einsatz von Liedern genannt werden. Lieder „reinforce learning in the same way drills do but in a more pleasant way“ (Murphey 1990: 168).

Murphey erklärt, dass Lernende ab ca. 13 Jahren zwar lieber Musik hören als singen, dennoch genießen auch viele von ihnen nach einer anfänglichen Hemmschwelle das Singen mehr als das Hören (vgl. ebd. 191). Dabei ist es kein Problem und vielleicht sogar förderlich, wenn die Lehrkraft nicht so gut singen kann:

„a singer who sings too well may inhibit students from daring to try. And if a teacher sings a bit out of tune, it may simply give students more courage to try, showing them they don’t have to sing perfectly.“ (Gatti-Taylor 1980; zit.

n. Murphey 1990: 191)

Murphey vergleicht das Singen dabei mit einer zweiseitigen Kommunikation: „When students only listen to a song, communication is one way. When they sing, the words become theirs to ‚send’“ (Murphey 1990: 191). Die Wörter werden durch das Singen die persönlichen Wörter der Lernenden. Wichtig sind weiterhin beim Einsatz von Liedern Transferaktivitäten, denn „Songs alone, however, will not teach anyone how to use language“

(Murphey 1992: 6). So schlägt Murphey diverse Aktivitäten u.a. auch zur Förderung von Aussprache vor.

Hierbei unterscheidet er zwei Kategorien: „those which start with reading and writing and move on to listening or singing, and [...] those activities which start with listening, speaking, and singing, and then proceed to reading and writing“ (ebd. 69).

Dem Singen widmet er explizit nur eine Arbeitsform (ebd. 94-95) und beschreibt den Arbeitsablauf wie folgt:

1 Hand out the song sheets you have prepared.

2 Play the song you have chosen.

3 Encourage the students to sing along with you or the tape. Stop the tape at intervals for the students to learn and repeat the tune.

4 After the students have learnt a song, there are many ways of performing it which are fun and reinforce learning.

Hierzu gibt er einige Varianten, wie beispielsweise die Gruppen- und Liedaufteilung beim Singen. Die Begleitung auf einem Instrument (Gitarre) ist laut Murphey dabei hilfreich. Als Zeitumfang werden für das Singen von Liedern insgesamt nur fünf bis zehn Minuten angegeben und als Zielgruppe alle Sprachniveaus genannt. Er bemerkt dazu, dass das Singen bei Kindern und Jugendlichen am einfachsten erscheint, aber auch Erwachsene das Singen lieben.

Laut Ludke (2009) ist es beim Ziel ‘Aussprache’ wichtig, Lieder zu wählen, die nicht zu schnell sind und bei denen weder Melodie noch Rhythmus schwierig sind. Es sollte immer mit einfachen Liedern begonnen werden, um keine Frustation zu verursachen. Gegebenenfalls können dann auch nach und nach schwierigere Lieder gewählt und gelernt werden. Folgende Arbeitsschritte werden von ihr zur Förderung der Aussprache durch Lieder vorgeschlagen (vgl. Ludke 2009: 24-25):

• Vorbereitung: Kennenlernen des Liedes durch Aktivitäten zum Hören, zum Wortschatz oder zur Grammatik vor dem Üben der Aussprache

• Schritt 1 (5 Minuten): Erklären verschiedener Akzentmuster in Sprachen als Rhythmus gesprochener Sprache (akzentzählend – silbenzählend); Kategorisierung der Silben in kurz und lang mit Schriftzeichen an der Tafel mit erster Strophe eines Liedes

• Schritt 2 (5 Minuten): Liedtext verteilen, Lied hören und alle Silben des Refrains kategorisieren (kurz – lang)

• Schritt 3 (5 Minuten): Klopfen oder Klatschen des Beats und synchrones Sprechen des Refrains, dann Strophen, ggf. Aufteilung in zwei Gruppen

• Schritt 4 (5 Minuten): Rhythmisches Sprechen des Liedtextes ohne Klopfen/Klatschen in Gruppen

Gegebenenfalls können auch Gesten oder Bewegungen passend zum Wortschatz des Textes mit dem Sprechen kombiniert werden und die Memorierung erleichtern.

Das Singen erfolgt erst, wenn die Lernenden mit dem Lied vertraut sind. Dies ist laut Ludke bei einem

90 Gesamtzeitplan von zwei bis drei Wochen für ein Lied frühestens ab dem Ende der ersten Woche sinnvoll. Dazu schlägt sie folgende Arbeitsschritte vor (vgl. ebd. 30-31):

• Schritt 1 (1 Minute): Einführung: “When the students are familiar with the lyrics of a song, having heard it and practiced saying it together, explain that today you are going to sing it.” (ebd. 30)

• Schritt 2 (2 Minuten): Aufwärmen (Körperhaltung; emotionales Sprechen eines selbst gewähltes Wortes oder einer Phrase in vielen Varianten oder Einsingen: Tonleiter auf ‘la’ / Do-Re-Mi mit Kindern)

• Schritt 3 (10 Minuten):

a) Singen (5 Minuten): Hören, Mitlesen und synchrones Mitsingen

b) Variationen (5 Minuten): Einteilung in Gruppen: Refrain / alle – Strophen / in Gruppen oder solistisch; Singen ohne Tonträger

• Gruppenprojekt am Ende des Jahres: Euro-Vision-Wettbewerb

Karaoke-Aufführung des Lieblingsliedes der durchgearbeiteten Lieder (3-5 TN) oder Schreiben eigener Texte mit Hilfestellung (Festlegung der Beats pro Zeile / Silben pro Zeile; Thema wählen; Brainstorming zum Thema: 5-10 Paare von Reimwörtern, optional eigene Melodie dazu als Hausaufgabe; 2 Wochen Zeitvorgabe zur Vorbereitung) Zum Einsatz von Musik im Unterricht DaF finden sich ansonsten kaum detaillierte Vorschläge zur Förderung der Aussprache bei Erwachsenen. Dommel & Lehners (1998: 24) betonen zwar, dass das Singen die Aussprache fördert, das Singen selbst erfolgt aber eher in impliziter Form: „Lieder mit geeigneten Melodien lassen sich singen, bzw. mitsingen. Singen macht Spaß, Mitsingen ergibt sich oft von selbst“ (Dommel & Lehners 1998:

24). Zu empfehlen sei das gemeinsame und wiederholte Singen als letzter Schritt beim Hauptziel Abwechslung, Spaß und Motivation. Singen sei dabei nebenbei eine phonetische und gedächtnispsychologische Komponente (vgl. ebd. 60). Bei schnellen Liedern biete sich eine Nachsprechübung an, in der der Rhythmus des Gesangs vorbereitet wird:

„Da das Lied sehr schnell gesungen wird, haben Schüler oft Schwierigkeiten, das Tempo mitzuhalten, sie verhaspeln sich dann und kommen aus dem Rhythmus. Hier bietet sich eine Nachsprechübung an, in der schon auf den Rhythmus des Gesangs hingarbeitet wird.“ (ebd.)

Badstübner-Kizik (2006: 40-41) schlägt innerhalb der Dreiteilung „vor dem Hören – während des Hörens – nach dem Hören“ diverse Übungen vor. Für die Aussprache könnten dabei u.a. folgende (selektiv ausgewählte) Übungen von Bedeutung sein:

1.Vor dem Hören (Vorentlastung)

• Übungen mit phonetischer Zielsetzung zur Verbesserung der Akzentuierung und Intonation (z.B. lautes Lesen des Liedtextes)

2.Während des Hörens (Aufgaben zum selektiven und globalen Textverständnis; kurze Dauer dieser Phase aufgrund zeitlich objektiver Begrenzung des Hörvorganges; Progression der Aufgabenstellung hinsichtlich Schwierigkeitsgrad und Komplexität bei mehrmaligem Hören; Übertragung aller Übungsformen für gesprochene Hörtexte: siehe Dahlhaus 1994)

• Lückentexte

• Mehrfachwahlantworten

• Richtig/Falsch-Fragen

• Textpuzzle

3. Nach dem Hören (Verknüpfung mit anderen Fertigkeiten)

• Übungen zu lexikalischen Phänomen

• Übungen zu textimmanenten grammatischen Phänomenen

• Übungen zur Verbesserung der mündlichen Ausdrucksfähigkeit (z.B. Präferenzen, Bewertungen, Diskussion von Liedaussagen)

• Übung zum gelenkten und freien Schreiben (z.B. Interpretationen, Perspektivenwechsel, Geschichten ‚hinter dem Lied’)

• Übungen zur Förderung der Imaginationsfähigkeit (z.B. Rollenspiele auf Grundlage des Liedtextes)

• sprachliche und stilistische Analysen

• Sprachspielereien (Reime)

• kreative Weiterverarbeitung

Badstübner-Kizik (2007: 67ff.) fasst zudem folgende Arbeitsformen (selektiv ausgewählt) zur Förderung der Aussprache zusammen, die sich auf die Unterstützung der Rezeption und Produktion konzentrieren:

91 a) Aussprache (Akzentuierung von Einzelwörtern und Sätzen)

• Rhythmen von Liedtexten mitklatschen / mitklopfen

• Bestimmte Einzellaute in Liedtexten markieren

• Vorgegebene Wörter / kurze Sätze / Dialoge / Personen- und Ortsnamen usw. nach Rhythmen ordnen / an Rhythmen anpassen

• Rhythmus-Echo zu Wörtern und Sätzen aus Liedtexten bilden

• Liedtexte auswendig lernen und sprechgestaltend vortragen / singen

• Reime zu (vorgegebenen) Wörtern (z.B. aus Liedtexten) suchen und mehrmals sprechen

• Lesetexte / Liedtexte / poetische Texte rhythmisieren und sprechgestaltend vortragen (bei regelmäßigem Einsatz:

beachtliche ‚Schulung der rhythmischen/akustischen Diskriminierungsfähigkeit’ laut Blell 1995: 259)

• (schwierige) Wörter / Textfragmente auf bekannte Melodien singen

• (schwierige) Wörter / Wendungen / kurze Texte ‚vertonen’ und vortragen b) Hörverstehen:

• Satzfragmente / zerschnittene Textzeilen während des Hörens in die richtige Reihenfolge legen

• ‚fehlerhafte’ Liedtexte während des Hörens korrigieren c) Leseverstehen

• durch angeleitetes lautes rhythmisches Lesen / Chorlesen / Echolesen: Texte akustisch erleben und erschließen Ergänzend werden Arbeitsformen zur Vorbereitung und Unterstützung einer bewussten, intensiven Wahrnehmung genannt, die die Perzeption und damit auch die Aussprache fördern:

a) Wahrnehmung (ear-training / perception training):

• Rhythmen mit- / nachklopfen

• Melodien / Lieder mitsingen / mitsummen (auch ‚Karaoke’)

• abschnittsweise hören

• während des Hörens Text mitlesen (und musikalisch auffallende Passagen im Text markieren)

• während des Hörens malen b) Geduld / Ausdauer:

• bei Musik, die besonders gut ankommt: in Partnerarbeit Liedtexte beim Hören mitschreiben; so oft wiederholen, bis ein Ohrwurm daraus wird

c) Konzentration / Gedächtnisleistung:

• Hintergrundmusik

• Rhythmus / Melodie / Refrain / Liedfragmente (nach mehrmaligem Hören) mitklatschen / mitsummen / mitpfeifen / mitsingen

• kurze Textfragmente / Textzeilen während des Hörens ordnen

• kurze Textfragmente während des Hörens mitschreiben

• einzelne Wörter / Passagen aus dem Liedtext memorieren

• musikbezogene Kettenübungen durchführen

• Liedtexte / Melodien auswendig lernen

• Liedtexte aus der Erinnerung aufschreiben

Ergänzend können auch Arbeitsformen zur Förderung der Sensibilität und Empathiefähigkeit die phonetischen Kompetenzen als psychologischer Einflussfaktor auf Aussprache (siehe Kap. 2.2.4) positiv beeinflussen und integriert werden.

Abschließend gibt Badstübner-Kizik einige Beispiele aus der Praxis zu den Arbeitsformen, u.a. auch zwei zur Aussprache (vgl. Badstübner-Kizik 2007: 113-114):

• Lied 1: A A A, der Winter, der ist da

Ziel: Aussprache; Arbeitsschritte: 10 Wörter aufschreiben, die sich auf Vokale reimen - im Lied alle Reime unterstreichen und laut lesen – Lied auswendig lernen - Lied singen und auf Vokale achten

• Lied 2: Stau von Grönemeyer aus dem Jahr 1989

Ziel: Satzrhythmus; Arbeitsschritte: im Liedtext Satzrhythmus finden: Zeileneinschnitte kennzeichnen und strophenweise abwechselnd mit Partner lesen - anschließend mit gesungener Version vergleichen - abschließend mitsingen

92 Auch sie bemerkt zum Singen mit Erwachsenen: „Nach meiner Erfahrung können auch erwachsene Lerner das gemeinsame Singen ‚akzeptieren’, insbesondere, wenn – wie hier – ein messbarer sprachlicher ‚Nutzen’ deutlich wird“ (ebd. 114).

Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen eines integrativen Ausspracheunterrichts die Verknüpfung von Aussprache mit allen anderen Fertigkeiten und Kenntnissen von Bedeutung ist und somit eine Vielfalt an Arbeitsformen auch zur Ausspracheförderung mit Musik möglich ist.