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5. FÖRDERUNG PHONETISCHER KOMPETENZEN DURCH DEN AKTIVEN EINSATZ VON TEXTBEZOGENER MUSIK:

5.3 Die Probanden

5.3.3 Persönliche und kulturelle Voraussetzungen

165 Sprachunterricht hat sie im Gegensatz zu P6, P7 und P8 nicht. Sie glaubt jedoch, dass es Spaß macht und der Rhythmus beim Auswendiglernen von Wörtern hilfreich ist.

P10 kommt aus dem Najd und ist ein wenig älter als die anderen Probanden der EG. Er hat eine staatliche Schule besucht und unterscheidet sich von den anderen Probanden der EG. So hat er erst ab dem 19. Lebensjahr Englischunterricht erhalten und hat daher beim Ausfüllen der Fragebögen die größten Probleme. Dagegen beurteilt er seine Fähigkeiten zum Koranrezitieren mit ‚sehr gut’ am besten in der Gesamtgruppe. Seine Eltern sprechen nur Arabisch. Sein Vater arbeitet beim Militär; seine Mutter hat die Unterstufe der Schule besucht und ist Hausfrau. Im Englischunterricht wurde vor allem in Partner- und Einzelarbeit gearbeitet und er selbst mag am liebsten Gruppen- und Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht. Ein Aussprachetraining für Englisch hat er nicht erhalten. In der deutschen Sprache sind ihm das fließende Sprechen und eine gute Aussprache am wichtigsten. Am problematischsten erscheint ihm das Lesen. Bei den Musikbeispielen gibt er in der EG die schlechtesten Bewertungen und hat auch beim Textverständnis die größten Probleme. Am besten gefallen ihm bei den Musikbeispielen Schlager und Pop. Er scheint sich für arabischsprachige Musik zu interessieren, notiert als einziger Proband jedoch keine Lieblingsmusiker. Es fehlen auch andere Antworten im Fragebogen. Er singt, tanzt und klatscht jedoch gern und kann leicht Liedtexte auswendig lernen. Auch traditionelle Musik mag er und kennt sich hier sehr gut aus. Erfahrungen zum Einsatz von Musik im Sprachunterricht hat er nicht und glaubt, dass Musik zum Fremdsprachenlernen nicht nützlich ist.

U3 kommt aus dem Hijaz. Für ihn ist die Musik von großer Bedeutung. Er interessiert sich von allen Probanden am meisten für Musik und hat hierbei sehr gute Kenntnisse. So zählt er diverse Beispiele für englische und deutsche Musik auf. Seine Lieblingsmusik ist amerikanische Musik sowie kanadischer Rock und Pop. Er kennt auch diverse deutsche Bands wie Rammstein (Hardrock), Killerpilze, Panik und LaFee (Rock) sowie Culcha Candela (Hip-Hop). Er singt und tanzt gern und hört extrem viel Musik. Er findet den Einsatz von Musik im Sprachunterricht sehr hilfreich beim Hörverständnis und liebt die Musik. Auf diese Weise kann man seiner Ansicht nach den ganzen Tag lernen, ohne sich zu langweilen. Er kommt allerdings nur teilweise zu den Modulen, obwohl er sich sehr für Musik interessiert und in den Stunden der Anwesenheit mit Begeisterung teilnimmt und sich aktiv beteiligt. Auch im parallelen Deutschkurs fehlt er immer häufiger (im Mai zu 31%, im Juni zu 50%, im Juli zu 95%). Er erzielt aber weiterhin gute Noten (siehe Kap. 5.3.4). Auch die Prüfung „Start Deutsch 2“ besteht er trotz des fast vollständigen Fehlens im Juli mit der Note ‚befriedigend’.

U4 kommt aus dem Najd. Er interessiert sich ebenfalls für Musik. Ähnlich wie U3 kennt er sowohl englische als auch deutsche Musik. Seine Lieblingsmusik ist amerikanischer Rock, Punk-Rock und Metal. Er hört viel Musik, singt und tanzt gern und hat im Arabischunterricht Erfahrungen zum Einsatz von Musik gesammelt. Er findet, dass es sehr hilfreich war, und denkt, dass es ein guter Weg zum Lernen vieler Dinge ist, nicht nur für Fremdsprachen. Er kommt nur zu einigen Modulen und entschuldigt sich immer wieder für sein Fehlen. Aus gesundheitlichen Gründen fehlt er auch im parallelen Deutschkurs immer häufiger (im Mai und Juni ca. 30%, im Juli 85%) (siehe Kapitel 5.3.4).

Außer bei U1 gibt es auch bei U2, U3 und U4 im parallelen Deutschkurs Probleme mit der Anwesenheit. Diese Probanden werden daher in der detaillierten Analyse nicht berücksichtigt und nur ergänzend bei den Unterrichtsbeobachtungen (siehe Kap. 5.5.3) innerhalb der Gesamtgruppe miteinbezogen. Weiterhin führen die großen Unterschiede zwischen den Voraussetzungen der KG und EG sowie deren Homogenität innerhalb der jeweiligen Gruppe zu Konsequenzen in der Forschungsmethodik (siehe Kap. 5.4.4).

166 Folgende Abkürzungen werden als Transkriptionszeichen bei der Auswertung der Interviews verwendet (siehe Tab. 5.2).

Transkriptionszeichen (Interview):

(.) Mikropause

(-) kurze Pause

(--) mittlere Pause

(---) längere Pause

( 2.5) geschätzte Sprechpause bei mehr als einer Sekunde Dauer (in Sekunden) besten normales Sprechen in durchgehender Kleinschreibung

BESTEN Akzent durch Lautstärke und/oder Tonhöhe ( )

(i thought) unverständliche Passage;

vermuteter Wortlaut

= schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Turns oder Einheiten;

Verbindung mit nachfolgendem Wort

? starke Anhebung der Tonhöhe

:, ::, ::: Dehnung, Längung je nach Dauer

(( )) Anmerkungen der Verfasserin:

nonverbale Äußerungen;

Anonymisierungen;

Varianten in der Übersetzung

((...)) fehlende Textpassagen

/ / deutsche Wörter der Probanden in arabischen Interviews [ ]

[ ]

Überlappungen und Simultansprechen (gleichzeitiges Sprechen von INT und P)

kursive Schrift Zusatzfragen von INT1 (Arabisch) oder INT2 (Englisch) normale Schrift Redepassagen der Probanden

Tab. 5.2: Verwendete Transkriptionszeichen beim Einzelinterview

Die genauen Tonhöhenbewegungen, der Sprechrhythmus sowie Sprechgeschwindigkeitsveränderungen werden in der Transkription nicht dargestellt und nur bei großer Auffälligkeit in Doppelklammern als Anmerkung der Verfasserin vermerkt.

5.3.3.1 Motivationsgründe für ein Studium in Deutschland

Als Datengrundlage dienen die Antworten zu Q 1.2, die zunächst für jeden Probanden mit Quellenangabe aufgelistet wurden (siehe Anhang 5.2.7: Q 1.2) und hier miteinander verglichen und zusammengefasst werden.

Die meisten Probanden geben als Motivationsgrund für ihr Deutschland-Studium an, dass Deutschland eines der besten Länder für ein Medizinstudium ist (P1; P3; P4; P6; P7; P8; P9; P10). So sei Deutschland sehr fortschrittlich im Bereich Medizin (P6) und berühmt für seine Medizin (P7) und Chirurgie (P10), sodass ein gutes akademisches Studium und Zertifikat (P7) möglich sind. P2 möchte sich durch ein deutsches Studium in der Medizin spezialisieren. P1 meint zudem, dass die Studiendauer für Medizin in Deutschland kürzer als in Amerika oder Kanada sei. Neben diesen akademischen Hauptgründen war für mehrere Probanden (P1; P3; P9) auch das saudische Stipendienprogramm maßgeblich bei der Entscheidung beteiligt. Dort wurden für Humanmedizin die Studienländer Deutschland, Polen, Tschechien und die Niederlanden angeboten. Die Auswahl war somit begrenzt, sodass für P5 ein Studium in England und für P9 ein Studium in Kanada als erster Wunsch nicht möglich war. Von den angebotenen Ländern erschien diesen Probanden schließlich Deutschland als das beste Land für Medizin.

Die deutsche Sprache als dritte Sprache neben Arabisch und Englisch ist ein weiterer Grund, der von mehreren Probanden (P3; P6; P8; P10) betont wird. P10 mag die englische Sprache nicht und möchte stattdessen die deutsche Sprache lernen. P6 wird angezogen von der deutschen Wirtschaft und Sprache, denn es gebe viele gute Sachen in Deutschland. P3 betont schließlich ihre Begeisterung für die deutsche Sprache, obwohl sie als schwer gilt. Aber es gibt ihrer Meinung nach keine schweren Sachen. Für P2 stehen dagegen praktische Gründe im Vordergrund. Er begleitet seine Schwester (P3), was bei saudischen nicht verheirateten Frauen oft üblich ist. Als älterer Bruder ist er für sie verantwortlich. Zudem findet er das Leben in Deutschland nicht teuer. P8 erwähnt außerdem die wichtige Funktion als kultureller Botschafter. Er möchte sein Wissen und seine Erfahrungen den Saudis später näherbringen und sie motivieren, Europa und Deutschland zu besuchen und nicht nur in

Saudi-167 Arabien zu bleiben. Zunächst wollte er in den USA studieren, aber die weite Entfernung von Saudi-Arabien hat ihn abgeschreckt, sodass er Deutschland für geeigneter hält.

Fast alle Probanden hatten vorher über die Familie oder Freunde keine Verbindungen zu Deutschland.

Ausnahme ist nur P7, deren Vater ein Jahr in Deutschland tätig war und sogar ein wenig Deutsch spricht.

Weitere Verwandte von ihr leben in anderen Städten in Deutschland und haben ihr empfohlen, hier zu studieren, da es eine gute Erfahrung sei. Andere Probanden (P8; P9) haben Empfehlungen von saudischen Ärzten für ein deutsches Medizinstudium bekommen. P8 hat beispielsweise Ratschläge von einem saudischen Arzt bekommen, der in Deutschland studierte, wo viel Bildung und viele Kulturen existieren würden. P9 hat mehrere saudische Ärzte befragt, die ihr aus dem Angebot des Stipendienprogramms Deutschland als bestes Land und die Charité als beste medizinische Universität von Europa empfohlen haben.

Die Erwartungen der Frauen vor dem Auslandsstudium waren unterschiedlich. P7 und P9 hatten ein wenig Angst. Bei P7 war es bedingt durch die großen Unterschiede in den Lebensgewohnheiten, obwohl sie schon vorher diverse Auslandserfahrungen in arabischen und afrikanischen Ländern gemacht hatte. P9 war dagegen ein wenig verängstigt, da ihr Leute mitteilten, dass in Deutschland einige Rassisten leben: „well BEFORE i arrived i was a little bit SCA:RED because some people said there (.) there are some people RACIST (.) and (.) e:h i was like okay:: but i can (.) DEAL with it e:h but (-) when i first arrived it was like (-) REA:L gold ((lacht))“ (P9: E 54ff.). P5 berichtet eher neutral, dass sie bereits früher einige Monate in England war und erwartet hat, dass Deutschland ähnlich sein würde. Sie stellt aber nach der Ankunft fest, dass es besser ist. P3 ist von Anfang an trotz ihrer konservativen Haltung begeistert: „und ich HABE ES GELIEBT dass es deutschland ist“ (P3: E 16ff.).

Die persönlichen Voraussetzungen bei der Entscheidung für ein Studium in Deutschland sind somit insgesamt recht ähnlich. Für die meisten Probanden standen akademische Gründe im Vordergrund. Hinzu kamen das Angebot des saudischen Stipendienprogramms und der Anreiz zum Lernen einer neuen Fremdsprache. Familiäre Verbindungen zu Deutschland hat nur P7.

5.3.3.2 Unterschiede zwischen Heimat- und Zielland

Wie in Kapitel 5.3.3.1 wurden zunächst die Antworten für alle Probanden mit Quellenangabe aufgelistet (siehe Anhang 5.2.7: Q 1.3a) und werden hier verglichen und zusammengefasst. Als Datengrundlage dient Q 1.3a.

Die Unterschiede zwischen Heimat- und Zielland werden sehr unterschiedlich von den Probanden beschrieben und lassen ihre anfänglichen Einstellungen zur deutschen Kultur, ihre früheren Gewohnheiten sowie ihre persönlichen Prioritäten erkennen. Vor allem die Einstellungen zur deutschen Kultur sind im Hinblick auf den Einsatz von deutschsprachiger Musik im Unterricht von großer Bedeutung. Hierbei zeigen sich konservative, moderate und moderne Haltungen. Eine stark konservative Sichtweise zur Kultur des Ziellandes wird vor allem bei P1 sichtbar, der als die größten Unterschiede die zusätzlichen Verkehrsmittel neben dem Auto, die unverschleierten Frauen und die Gewohnheiten definiert (vgl. P1: E 32ff.). Die unterschiedlichen Gewohnheiten der Menschen erklärt er anschließend detaillierter, wobei negative Eindrücke von Deutschland dominieren. So seien die Deutschen nicht sozial. Außerdem beschreibt er die Unterschiede der Moscheen in Saudi-Arabien und Deutschland. So sind die Moscheen in Deutschland weit weg, sodass es nur möglich ist, einmal in der Woche dort zu beten (vgl. P1: E 43ff.).

In völligem Gegensatz dazu stehen die modernen und sehr positiv besetzten Erklärungen von P7, die den Respekt und die Freundlichkeit der Menschen in Deutschland betont. Vor allem ist sie beeindruckt davon, dass alle sich auf eine Sache konzentrieren, studieren wollen und ihr Leben leben. Sie denkt, dass dies der richtige Weg ist (vgl. P7: E 65ff.).

P10 versucht schließlich in moderater Weise beide Kulturen miteinander in Einklang zu bringen, obwohl er selbst an die saudischen Gewohnheiten in Deutschland festhält und sie sehr vermisst. So kommt er zu dem Ergebnis, dass die Gewohnheiten jeweils abhängig von der Umgebung und der Gegend sind, in welcher man ist.

So würden die Gewohnheiten in Deutschland und ebenso die Gewohnheiten in Saudi-Arabien zur jeweiligen Umgebung passen (vgl. P10: E 53ff.). Er stellt weiterhin das Problem fest, dass die deutschen Gewohnheiten für

168 ihn in Deutschland nicht zum Vorschein kommen. So sieht er nur die Straße, die jedoch seiner Meinung nach für moderne Ansichten steht und nicht für Gewohnheiten und Traditionen (vgl. P10: E 39ff.).

Die Geschlechtertrennung und die Lebensweise der Frau in Saudi-Arabien im Unterschied zu Deutschland werden von P5 und P9 beschrieben. Die neue Selbstständigkeit in Deutschland ist für P5 anfangs schwer. P9 genießt dagegen die neuen Freiheiten, obwohl sie ihre Familie vermisst: „inside ARABIA i WASN´T i COULDN´T like e:h (--) GO whereEVER i want (.) whenEVER i want i: HAVE to (.) have my (.) brothers or father with me (--) and i have to make (.) p (.) PREVIOUS (-) PLA:N (.) for now he:re i can go whereever i want ((lacht))“ (P9: E 91ff.).

Andere Probanden stellen akademische Unterschiede in den Vordergrund (P3; P7; P8). P3 betont beispielsweise die Verfügbarkeit von Bibliotheken und die zahlreichen Möglichkeiten für Studierende dabei sowie das vermutlich bessere Studium in Deutschland bedingt durch andere Lehrmethoden:

„das studium hier besser ist das heißt man LÄSST den studenten er ist welcher (-) das heißt eh er ist derjenige der alles ERLEDIGT und derjenige der durchführt und derjenige der ausprobiert (.) nicht wie in saudi arabien ( ) ICH komme und der dozent ICH KOMME VORBEREITET ICH LERNE AUSWENDIG ich gehe zurück (--) das heißt du RECHERCHIERST du machst es SELBST das heißt sie lassen einen auf sich selbst verlassen“ (P3: E 41ff.) P8 beschreibt die Verbindung von Studium und Spaß durch das Kennenlernen vieler Leute mit anderen Sprachen und Kulturen in der Freizeit, während in Saudi-Arabien ein eher gleichförmiger Rhythmus das Leben prägt, in der die Familie dominant ist. P9 beschreibt hierbei auch die Möglichkeiten der Frauen in der Freizeit in Deutschland und Saudi-Arabien: „GO to restaurants go to have fun with my friends go cinema (.) but (.) like in:

saudi arabia i have to plan like BEFORE a WEE:K that (-) okay my BROTHERS will come will my MOM allo:w will my like this“ (P9: E 109ff.). P8 erklärt die Unterschiede aus der Sicht der Männer: „when i was in saudi arabia i was like eh (---) i have a REGULARITY: i go with my FAMILY every day: not studying staying HO:ME (-) trying to make a (-) a: lot of FUN: not studying (-)“ (P8: E 97ff.).Er fügt hinzu:

„and i go with my: saudis guys to to cities it’s a good thing if you when you go to a this is (.) a fun but in SAUDI arabia (.) when you GO: (.) you should go with your family or really friend and you should speak arabic but i came here to kno:w eh to STUDY and FUN: when you study and (.) make a lot of th=e:h eh PEOPLE then: you you will learn what you wan=it then“ (P8: E 115ff.)

Ähnlich wie P7 kommt er zum Ergebnis, dass man in Deutschland das lernt, was man selbst will und dies ein besserer und leichterer Weg ist. Spaß und Lernen verbinden sich miteinander, während man in Saudi-Arabien versucht, Spaß in der Freizeit zu haben und deshalb nicht lernt.

Die kulturellen Einstellungen der Probanden sind somit sehr unterschiedlich und können nach der Auswertung von Q 1.3a in konservative, moderate sowie moderne Einstellungen in jeweils verschiedenen Abstufungen unterschieden werden. Es wurden weiterhin eher negative (P1; P4; P6; P9; P10), neutrale (P2; P5; P6; P10) und positive Sichtweisen (P3; P7; P8; P9) der Probanden bei der Beantwortung festgestellt. Die negativen Kommentare stützen sich vor allem auf religiöse (P1; P6) und traditionelle (P10) Gewohnheiten sowie auf die Trennung von Familie und Freunden (P4; P9). Positive Kommentare umfassen vor allem die akademischen Möglichkeiten für Studierende (P3) sowie die Zielstrebigkeit und Freundlichkeit der Deutschen (P7), den Spaß beim Studieren (P8) und den Spaß mit Freunden bei der Freizeitgestaltung (P8; P9).