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Didaktische Konzepte zum Einsatz von Musik im DaF-Unterricht

3. FÖRDERUNG DER PHONETISCHEN KOMPETENZEN DURCH MUSIK

3.3 Musik im Fremdsprachenunterricht

3.3.4 Didaktische Konzepte zum Einsatz von Musik im DaF-Unterricht

85 Die Funktionen zeigen die große Bandbreite der Möglichkeiten von Musik, die in theoretischen Beiträgen immer detaillierter herausgearbeitet werden und eine solide Grundlage für einen zielgerichteten methodisch-didaktischen Einsatz von Musik im Unterricht DaF bilden. Allerdings wurden bisher nur wenige dieser Möglichkeiten in der Unterrichtspraxis genutzt (siehe Kap. 3.3.2). Ein Richtungswechsel hin zum interkulturellen Einsatz von Musik ist in aktuellen Beiträgen immer mehr sichtbar (vgl. Bayer 2007; Blell 2010;

Schmidt 2013).

Insbesondere bei Kindern sowie Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird zudem der hohe Stellenwert von Musik auch aus musikpsychologischer Sicht immer wieder stark hervorgehoben (vgl. Gembris 2005: 435). Das Musikhören gehört laut Schramm & Kopiez (2008: 253) in allen Altersgruppen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen – zumindest in westlichen Industrienationen wie Deutschland – und stellt auch die zeitlich umfangreichste Alltagsaktivität vieler Menschen dar. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Musikhören oft in Verbindung mit Paralleltätigkeiten stattfindet (Schramm & Kopiez 2008: 261ff.). Bereits 2008 waren 79% der deutschen Jugendlichen im Besitz eines MP3-Players oder iPods und fast alle nutzten ihn täglich oder mehrmals pro Woche (ebd. 255). Zudem sprechen Jugendliche am liebsten über Musik (vgl. Rentfrow & Gosling 2006).

Dabei lässt sich aus dem Musikgeschmack sogar recht zuverlässig die Persönlichkeit ableiten (vgl. Rentfrow et al. 2009). Jugendkulturen orientieren sich bei der Identitätsbildung an der populären Musik, so wurden auch in Studien zu Musikpräferenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor allem Popsongs angegeben (vgl.

Kleinen 2008: 48). Mit ca. 25 Jahren kommt es zu einer Abschwungphase mit Abnahme des Musikinteresses, der Dauer des Musikhörens und des Stellenwertes von Musik. Laut Gembris (2005: 433-434) hat Musik bei Jugendlichen vielfältige Funktionen, u.a. auch als Informationsquelle über neue Lebensstile, Moden, Verhaltensweisen, als Aufforderung zum Aktivsein sowie als Mittel der Aufheiterung, guten Laune und Stimmungskontrolle. Zusammengefasst gehört die Musik und insbesondere die Popmusik zum Alltag und zur Sprache von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und sollte daher bei diesen Altersgruppen auch im DaF-Unterricht genutzt werden.

Aus lernpsychologischer Sicht ist zusammengefasst ein ganzheitliches und abwechslungsreiches Lernen Voraussetzung für das effektive Lernen (vgl. Quast 2005: 22ff.; Edelmann & Wittmann 2012). Ein ausgewogenes Verhältnis der folgenden Lernarten ist dabei bedeutend:

- kognitives und emotionales/motivationales Lernen

- verbales und non-verbales Lernen (mit allen Sinnen, mehrkanalig) - bewusstes und unbewusstes Lernen

Durch die Verknüpfung von Sprache und Musik ist die Nutzung all dieser Lernarten möglich (vgl. Quast 2005:

22ff.). Eine sinnvolle Methodik-Didaktik ist dafür jedoch notwendig. Auf diese wird im Folgenden eingegangen.

86 vielfältigen Möglichkeiten des Einsatzes von Musik anhand vieler Unterrichtsideen zeigen, denn „songs can be immensely valuable for developing certain capacities, but they can be many times more valuable if we exploit them creatively to bridge the gap between the pleasurable experience of listening/singing and the communicative use of language“ (Murphey 1992: 6). So sind laut Murphey Transferaufgaben von der Musik hin zur Kommunikation von großer Bedeutung für den effektiven Einsatz von Musik.

Ludke (2009) stellt ähnlich wie Murphey (1992) zehn Aktivitäten (Einführung, Wortschatz, Grammatik, Hörverständnis, Sprechen, Aussprache, Lesen, Schreiben, Landeskunde, Singen) vor, wie Fremdsprachen am Beispiel von Französisch als L2 für englische Muttersprachler durch Lieder in der Unter- und Mittelstufe gelehrt werden können. Dabei wird in jeder Aktivität ein anderes Ziel mit systematisch aufgeführten Arbeitsschritten präsentiert. Die Vorgehensweise zum Einsatz von Liedern im Fremdsprachenunterricht beschreibt sie dabei insgesamt wie folgt:

„I like to teach one song over the course of 2-3 weeks, using the target language whenever possible. When introducing a new song, I recommend using a full 60-minute lesson starting with Activity 1 (see page 14) followed by another activity. During the first 15-20 minutes of each subsequent lesson, I suggest incorporating different activities using the same song before moving on to the textbook or other activities for the day’s lesson. Toward the end of the first week, I like to begin singing the the song’s chorus with the class (see Activity 10 on pages 30-31).”

(Ludke 2009: 8-9)

Ein Lied wird demnach über längere Zeit mit verschiedenen Zielen immer wieder kurz geübt und auf diese Weise oft wiederholt. Für die Lehrenden gibt sie zur Auswahl und Vorbereitung eines neuen Liedes folgende Anweisung:

„Find a song in the target language with challenging (but not too difficult) lyrics, taking into account the proficiency level of learners and their musical preferences (see questionnaire on page 34). Decide which aspects of the song will be the lesson’s primary focus and prepare a short description of the singer, the style of music, or the song (50-100 words for beginners and intermediate students, up to 200 words for advanced students).” (ebd. 14) Viele DaF-Unterrichtsmaterialien verwenden beim Einsatz von Liedern und Musik auch die im Bereich des Hörverstehens übliche Unterteilung der Übungen (siehe Dahlhaus 1994: 125ff.): vor dem Hören – während des Hörens – nach dem Hören (beispielsweise: Dommel & Lehners 1998: 75ff.; Oebel 2002: 4-5; Karyn 2006: 548;

Goethe-Institut San Francisco 2006; Goethe-Institut Brüssel 2013; Goethe-Institut Paris 2013). Innerhalb dieser Dreiteilung schlägt Badstübner-Kizik (2006: 40-41) diverse Übungen vor (vgl. auch Karyn 2006: 548; Goethe-Institut Brüssel 2013). Dommel & Lehners (1998) empfehlen in ähnlicher Weise die Einteilung in drei Phasen mit:

„dem EINSTIEG, der den Zugang zu dem Lied schafft, zuweilen auch schon tiefer in das Lied hineinführt, der ERSCHLIESSUNG, d. h. der Erarbeitung des Inhaltes über das Hören des Liedes und das anschließende Lesen des Textes. Nicht immer und unbedingt ist eine produktive WEITERARBEIT möglich/nötig, die an Thema, musikalische Gestaltung, Textform oder anderes anknüpfen kann.“ (Dommel & Lehners 1998: 75)

Wichtig sei es dabei, textsortengerecht vorzugehen, sodass die Lieder grundsätzlich zunächst vom Hören her mit gelenkten Höraufträgen erschlossen werden müssten (vgl. ebd. 23; 63). Durch die in der Regel nur teilweise oder sogar nur bruchstückhafte Erschließung durch das Hören würde dann ein Leseinteresse entstehen und auf diese Weise in natürlicher Weise zum Lesen der Liedtexte führen (vgl. ebd. 24). Ein detailliertes Leseverstehen sollte hierbei zumindest anfangs nicht angestrebt werden, da es das ‚lustvolle’ Lernen unterbrechen könnte (vgl. ebd.

24; 63).

Zur Übungstypologie beim Einsatz von Musik wird weiterhin mehrmals betont, dass keine vollständige, umfassende Übungstypologie erstellt werden kann, sondern sich nur aufzeigen lässt, welche Übungsformen sich bei unterschiedlichen Songtypen anbieten:

„Es ist ein Unterschied, ob man mit dem Lied eines Liedermachers, mit einem Pop-, einem Rock- oder einem HipHop-Song arbeitet. Und auch die einzelnen Lieder der genannten Musikrichtungen müssen – je nach Gesang, musikalischer Interpretation, Rhythmus, Thema, Text – unterschiedlich behandelt werden. Jedes Lied erfordert eine andere Vorgehensweise.“ (Goethe-Institut Paris 2013: 1)

87 Auch Dommel & Lehners (1998) stellen fest: „Grundsätzlich gibt es kein Standardrezept zur Arbeit mit der Textsorte Lied im Sprachunterricht. Genre, Stilart, Interpretation bedingen die Vorgehensweise“ (Dommel &

Lehners 1998: 27). Anhand konkreter Beispiele werden diverse Übungsformen mit verschiedenen authentischen Liedern als Übungstypologie vorgestellt (vgl. ebd. 75ff.). Vor allem im Schulbereich wird die Musik auch in bilingualen Konzepten eingesetzt. Vom Goethe-Institut Paris (2013) wird beispielsweise eine Zwei-Sprachen-Modul Musik innerhalb eines bilingualen Unterrichtes (Deutsch- und Englischunterricht) angeboten, bei der die Behandlung von Musik, Songtext und Video so verzahnt wie möglich erfolgen soll (siehe: Internetquelle 3). Auf diese Weise erfolgt eine Bewusstmachung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Sprachen.

Eine systematische Darstellung der vielfältigen Möglichkeiten von Musik gibt Badstübner-Kizik (2007: 67ff.), die die Arbeitsformen zur Didaktisierung von Musikkunst in vier Kategorien mit verschiedenen Zielen unterteilt:

1. Arbeitsformen zur Unterstützung der Rezeption und Produktion

2. Arbeitsformen zur Vorbereitung und Unterstützung einer bewussten, intensiven Wahrnehmung 3. Arbeitsformen zur Förderung der Sensibilität und Empathiefähigkeit

4. Arbeitsformen zur Förderung eines subjektiven (kulturellen) Wissenskontextes als Grundlage für interkulturelles Lernen

So kann die Musik laut Badstübner-Kizik (2006: 458) sprachrezipierend, sprachproduzierend, reproduzierend, musikproduzierend, lernpsychologisch, informativ, orientierend sowie interkulturell genutzt werden. Dieser Ansatz des Aufzeigens der gesamten Bandbreite der Möglichkeiten von Musik wird in den letzten Jahren immer bedeutender in der Fachliteratur:

„In dieser Spannbreite ist Platz für Instrumental- wie Vokalmusik, für Musik zum Hören ebenso wie für Musik zum Singen, für authentische Musik ebenso wie für didaktische, für Liedtexte ebenso wie für Texte über Interpreten, Komponisten, Musikveranstaltungen, Instrumente oder musikalische Vorlieben, sowie schließlich für verbale oder visuelle Hinweise auf Musik, etwa in Form von Namen, Abbildungen oder Begriffen.“ (Badstübner-Kizik 2010a:

111)

Eng damit verknüpft ist auch die gewünschte inhaltlich verbindliche Etablierung von Musik im Fremdsprachenunterricht, die bis heute nicht gelungen scheint:

„Um Kunst und Musik im Fremdsprachenunterricht auch inhaltlich verbindlich zu etablieren und sie von dem Etikett einer ‚Bonbon- oder Feiertagsdidaktik’ zu befreien, müssen kulturspezifischer und interkultureller Gehalt stärker berücksichtigt werden.“ (Badstübner-Kizik 2010b: 1599)

Schmidt (2013: 64-65) fasst daher folgende aktuelle didaktische Konzepte zusammen, die sich zur Rechtfertigung von Musik im Fremdsprachenunterricht bewährt haben:

• Prozessorientierte Mediendidaktik: subjektiv-kreative Sprachproduktion durch Musik

• Ganzheitliches Lernen: Lernen mit allen Sinnen

• Handlungsorientierung: handelndes Lernen, interaktive Partner- und Gruppenarbeit

• Kreativitätsorientierung für Problemlösungen im Alltag

• Interkulturelles Lernen: interkulturelle Kompetenz als Ziel

• Konzept der audio literacy: umfassende Hörkompetenz, umfasst auch Geräusche, Klänge, Töne und Musikstücke; Förderung bewusster Wahrnehmung und Bewusstmachung von Gefühlen (vgl. Blell &

Kupetz 2010a)

Neben der Dreiteilung ‚vor – während – nach dem Hören’ existieren kaum allgemein etablierte didaktische Modelle zum Einsatz von Musik im DaF-Unterricht. Esa (2008: 4) schlägt ein Didaktisierungsmodell (siehe Abb. 3.12) für den Einsatz von Liedern vor und geht dabei ausführlich auf die Liederauswahl und die Entwicklung von Aufgaben zum Lied ein. Die Übungen werden dabei in Annäherungsübungen, Verständnisübungen und Anwendungsübungen unterteilt. Er empfiehlt, dass das Lied erst in der Mitte oder am Ende gehört (und gesungen) wird.

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Abb. 3.12: Didaktisierungsmodell für den Einsatz von Liedern (Esa 2008: 4)

Basierend auf kognitionspsychologischen Grundsätzen und einer empirischen Studie entwickelt schließlich Allmayer (2008: 157) ein Modell zur Grammatikvermittlung mit Popsongs (siehe Abb. 3.13), welches sich nicht als abgeschlossen und endgültig versteht, sondern als theoretisch begründete und praktisch erprobte Grundlage für die Verwendung von Popsongs in der Zukunft (vgl. Allmayer 2008: 196).

Abb. 3.13: Modell zur Grammatikvermittlung mit Popsongs (Allmayer 2008: 157)

Aktuell stehen somit vielfältige didaktische Einzelkonzepte zum möglichen Einsatz von Musik im Gegensatz zur Nutzung von Musik in der Unterrichtspraxis (vgl. Blell 2010; Schmidt 2013). Die bisherige Eingrenzung der Möglichkeiten von Musik auf Hören und Singen von Liedern zur Ausspracheförderung und Memorierung wird immer wieder stark kritisiert. Sicherlich ist es wichtig und notwendig, Musik mit ihrer ganzen Bandbreite an Möglichkeiten im Unterricht DaF einzusetzen. Aufgrund der großen Bedeutung des Hörens und Singens von Liedern in der Unterrichtspraxis erscheint es jedoch auch wichtig und notwendig, ein systematisches empirisch und theoretisch fundiertes Modell zur Förderung phonetischer Kompetenzen bei Erwachsenen zu entwickeln, welches in einer integrativen Ausspracheschulung sicherlich auch mit vielen anderen Möglichkeiten der Musik verknüpft werden könnte.